Corona-Leugner auf den Straßen: Es dürfen nicht noch mehr werden
Man muss den Protesten der Rechten und Corona-Leugner die Luft nehmen. Wir müssen uns um mehr Impf-Aufklärung bemühen. Ein Wochenkommentar.
W eit über 10.000 Menschen demonstrierten diese Woche in Berlin und Brandenburg gegen die Corona-Maßnahmen. Diese Proteste waren von Fehlinfomationen über das Virus begleitet, von Rechtsradikalität und Gewalt – auch gegen JournalistInnen. Neonazis haben das Gefühl, die Straßen gehörten ihnen und manch andere erleben das auch so.
Es ist aber zum einen wichtig festzustellen, dass die Demonstrierenden nicht alle ungeimpft sind. Und dass zum anderen nicht alle Ungeimpften demonstrieren gehen. Selbst wenn alle Demonstrierenden in Brandenburg ungeimpft gewesen wären, würde sie nicht einmal 10 Prozent der ungeimpften Bevölkerung in Brandenburg ausmachen.
Es gibt also zwei auseinanderklaffende Zahlen: Die Zahl der Ungeimpften, und die weitaus kleinere Zahl der Demonstrierenden. Die meisten Menschen, die sich bis heute nicht haben impfen lassen, wollen das auch nicht tun. Spätestens seit der Diskussion um eine wahrscheinlicher werdende allgemeine Impfpflicht könnten diese Menschen ihre Interessenvertretung bei den Demonstrationen suchen, wenn sie nicht das Gefühl haben, dass irgendjemand anderes ihre Impfangst ernst nimmt.
Vorbild Bremen
Die Differenz zwischen den Zahlen gibt aber auch Grund zu hoffen – dass man die schlecht Informierten vielleicht doch noch erreicht. Die Stadt Bremen ist mit 99,4 Prozent geimpften über 18 Jährigen, das Bundesland mit der höchsten Impfquote. Ihre Impfstrategie: Von Anfang an niedrigschwellige Angebote, besonders in strukturschwachen Stadtteilen.
Die allermeisten Ungeimpften geben an, keine Impfgegner zu sein. So zeigen mehrere Studien – zuletzt von der Hans-Böckler-Stiftung: Sie haben Angst. Viele fürchten, dass die Impfstoffe nicht ausreichend getestet sind, haben Bekannte bei denen die Impfstoffe zu starken Nebenwirkungen geführt haben oder kennen Menschen, bei denen das Virus einen sehr harmlosen Verlauf nahm. Dabei sind überproportional viele Menschen mit geringem Einkommen und Migrationshintergrund ungeimpft, berichtet unter anderem das Robert-Koch-Institut.
Wir müssen uns fragen, wer hier eigentlich warum auf die Straße geht. Der Weg, die Demonstrationen zu stoppen sind Informationskampagnen, Dialog und Aufklärung. Man muss der rechten Hetze die Luft abdrehen, den Zulauf durch die Impfgegner*innen, die mit ihnen auf die Straße gehen. Auf den Demos selbst braucht es Infostände. Auch, weil es definitiv keine Entschuldigung dafür gibt, mit Nazis zu marschieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Absagen vor Kunstsymposium
Logiken der Vermeidung