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Corona-Lage weltweitKein Ende in Sicht

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Global gesehen ist die Coronapandemie nicht vorbei, sondern auf ihrem Höhepunkt. Dabei ist nicht Armut das Problem – vielmehr politisches Versagen.

Weiterhin ist Wachsamkeit geboten: In einem Coronatestzentrum in Köln am 5. Juni Foto: Oliver Berg/reuters

W er das öffentliche Leben in Deutschland verfolgt, kann leicht den Eindruck bekommen, dass die Coronakrise weitgehend vorbei ist. Geschäfte und Unternehmen haben den Betrieb wieder aufgenommen, in den Schulen läuft der Unterricht wieder an, die Straßen sind fast so voll wie vor der Epidemie. Die täglichen Lageberichte des Robert-Koch-Instituts – am Freitag ist der 100. erschienen – werden kaum noch wahrgenommen.

Und tatsächlich ist Deutschland ja sehr viel besser durch die Krise gekommen, als anfangs befürchtet wurde. Mit 8.800 Menschen sind bisher weniger Menschen gestorben als die 12.000, von denen das Innenministerium Ende März in seinem optimistischsten Szenario ausgegangen war – und nur ein winziger Bruchteil der 1,2 Millionen, mit denen für den schlimmsten Fall gerechnet wurde. Auch die Befürchtung vieler ExpertInnen, dass die Fallzahlen mit der Lockerung der Beschränkungen schnell wieder ansteigen werden, hat sich glücklicherweise bisher nicht bestätigt.

taz am wochenende

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Doch der Blick auf Deutschland und Europa allein täuscht. Global gesehen ist Corona keineswegs auf dem Rückzug. Im Gegenteil: Die Zahl der weltweiten Neuinfektionen steigt weiterhin auf immer neue Rekorde. Lediglich der geografische Schwerpunkt hat sich verlagert.

Vor allem in Lateinamerika zeigen die Kurven jetzt steil nach oben: Mit über 20.000 bestätigten Infektionen und mehr als 1.000 Covid-19-Toten am Tag hat sich Brasilien inzwischen vor die USA geschoben. Auch in Mexiko und Chile steigen die Zahlen stark an. In Asien sind Indien und Pakistan besonders betroffen. Und weil in diesen Ländern relativ wenig getestet wird, dürfte die Dunkelziffer noch weitaus höher sein als in Europa.

Betten stehen bereit: Leeres Corona-Behandlungszentrum in Berlin am 24. April Foto: Michael Kappeler/dpa

Ausschlaggebend für den starken Anstieg ist nicht primär die Armut breiter Bevölkerungsteile in diesen Ländern. Auch wenn beengte und unhygienische Lebensverhältnisse und ökonomischer Druck das Ansteckungsrisiko erhöhen – was auch die Ausbrüche unter Erntehelfern und in Schlachtbetrieben in Deutschland belegt haben –, zeigen die großen Unterschiede unter Ländern in vergleichbaren wirtschaftlichen Situationen, dass vor allem die Politik dafür entscheidend ist, wie stark ein Staat von Corona betroffen ist.

Fehler der Vergangenheit rächen sich

Zum einen rächen sich jetzt Fehler der Vergangenheit: Je stärker das öffentliche Gesundheitssystem kaputtgespart und privatisiert wurde, desto schlimmer sind die Auswirkungen des Virus. Zum anderen zeigt sich – wie zuvor unter den Industrienationen schon in den USA und Großbritannien zu beobachten war –, wie sehr gerade populistische und rechtsgerichtete Regierungen in der Krise versagen.

Mit 8.800 Menschen sind in Deutschland bisher weniger Menschen an Covid-19 gestorben als die 12.000, von denen das Innenministerium Ende März in seinem optimistischsten Szenario ausgegangen war

Ob Jair Bolsonaro in Brasilien oder Sebastián Piñera in Chile: Es sind vor allem konservativ-nationalistische Staatschefs, die an der Coronakrise scheitern. Ihre Kombination aus Allmachtsfantasien, Wissenschaftsfeindlichkeit und Desinformiertheit erweist sich in der Coronakrise als tödlich.

Das steht in einem deutlichen Gegensatz zu Deutschland, wo es zwar auch einzelne Fehleinschätzungen gegeben haben mag, wo aber die Beteiligten stets den Eindruck vermittelten, auf Basis des jeweiligen Kenntnisstands die beste Entscheidung zu treffen, um das Risiko so weit wie möglich zu verringern. Damit das so bleibt, ist aber weiterhin Wachsamkeit geboten. Einen Beitrag dazu kann die neue Corona-App leisten, die nächste Woche startet – zwar viel später als geplant, aber dafür offenbar technisch ausgereift und datenschutzrechtlich unbedenklich. Es ist zu hoffen, dass sie von vielen genutzt wird.

Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass es trotz der inzwischen deutlich geringeren Zahl von Infektionen auch in Deutschland jederzeit lokal zu neuen Ausbrüchen kommen kann, offenbar vor allem durch größere Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen und durch beengte Arbeitsverhältnisse. Auch bei uns ist die Coronapandemie noch lange nicht vorbei.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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13 Kommentare

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  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Politisches Versagen ist die Ursache für Armut.

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    Die Moderation

  • Die Analyse des Versagens populistischer Regierungen ist aber nur die halbe Wahrheit. Viele Länder haben schlichtweg nicht die ökonomischen Voraussetzungen, um den Laden aus Gründen der Pandemiebekämpfung über Wochen dicht zu machen. Und das hat dann auch nichts mit Akzeptanz und Disziplin in der Bevölkerung zu tun. Wenn ich die Wahl habe, im Lockdown zu Hause zu verhungern oder mich auf der Straße dem Corona-Risiko auszusetzen, werde ich wohl die Straße wählen. Und im Übrigen: Abgerechnet wird zum Schluss. Wenn in zwei Jahren die Schwellenstaaten unter unsäglichen Opfern Herdenimmunität entwickelt haben und wir uns immer noch mit den Beschränkungen herumplagen, wird die Diskussion wohl nochmal geführt werden.

    • @OutbackerAS:

      Meinen Sie, dass dann die Menschen hier sagen werden: "Ach, hätten wir doch die 1,2 Millionen Menschen aus unserer Bevölkerung geopfert, dann hätten wir jetzt auch Herdenimmunität!"?

      • @miri:

        nein, meint sie/er nicht.

  • Gespräche mit verschiedenen Bekannten, da hat doch der und der Virologe/Lungenarzt usw gesagt, das ist alles nicht so schlimm. In einem gesunden Geist wohnt ein immunstarker Körper, also einfach die richtige Einstellung; es trifft nur die, die eh schon fast tot sind, bettlägerige Pflegeheimbewohner; ich steck mich schnell an, dann bin ich immun für immer und ewig; die Hygienekonzepte am Arbeitsplatz sind doch total übertrieben, ich kenn fast keinen, der sich angesteckt hat.

    Mein Neffe, der Arzt, sagt: man unterschätzt das, auch junge Leute können langwierige Krankheitsverläufe haben, z.B. die Sportlerin: nach Monaten ist die Lungenfunktion immer noch ein Drittel niedriger als zuvor; zB Kinder mit Kawasakisyndrom, selten, aber eindeutig durch CoViD-19;

    Die Virologen-Podcasts geben zu bedenken, dass die TEsts durchaus nicht eindeutig sind, dass andere Coronaviren wie Schnupfen nur eine vorübergehende Immunität erzeugen.

    Für mich ergibt das ein GEsamtbild, wo ich eine kleine Welle durch den Sommerurlaub und eine üble Welle im nächsten Winter für wahrscheinlich halte.

  • Gespräche mit verschiedenen Bekannten, da hat doch der und der Virologe/Lungenarzt usw gesagt, das ist alles nicht so schlimm. In einem gesunden Geist wohnt ein immunstarker Körper, also einfach die richtige Einstellung; es trifft nur die, die eh schon fast tot sind, bettlägerige Pflegeheimbewohner; ich steck mich schnell an, dann bin ich immun für immer und ewig; die Hygienekonzepte am Arbeitsplatz sind doch total übertrieben, ich kenn fast keinen, der sich angesteckt hat.

    Mein Neffe, der Arzt, sagt: man unterschätzt das, auch junge Leute können langwierige Krankheitsverläufe haben, z.B. die Sportlerin: nach Monaten ist die Lungenfunktion immer noch ein Drittel niedriger als zuvor; zB Kinder mit Kawasakisyndrom, selten, aber eindeutig durch CoViD-19;

    Die Virologen-Podcasts geben zu bedenken, dass die TEsts durchaus nicht eindeutig sind, dass andere Coronaviren wie Schnupfen nur eine vorübergehende Immunität erzeugen.

    Für mich ergibt das ein GEsamtbild, wo ich eine kleine Welle durch den Sommerurlaub und eine üble Welle im nächsten Winter für wahrscheinlich halte.

  • Ein bemerkenswerter Artikel...



    Neben einer kompetenten politischen Führung sind auch breite Akzeptanz in der Gesellschaft und Bereitschaft zur Disziplin wichtig um die Pandemien zu bekämpfen.



    Das sind die Schwachpunkte in rechts/links-populistisch geführten Ländern.

  • Ein bemerkenswerter Artikel...



    Neben einer kompetenten politischen Führung sind auch breite Akzeptanz in der Gesellschaft und Bereitschaft zur Disziplin wichtig um die Pandemien zu bekämpfen.



    Das sind die Schwachpunkte in rechts/links-populistisch geführten Ländern.

  • Da ist noch lange kein Höhepunkt erreicht.



    In Deutschland hat es nicht mal eine erste Welle gegeben, im Vergleich zu anderen Ländern und dem "Potential".

    Der politische Fehler war nicht, dass "öffentliche Gesundheitssystem kaputtgespart" wurde, sondern dass es zur internationalen Ausbreitung gekommen ist, an der Europa stark beteiligt war, statt Ende Januar konsequent die Ausbreitung zu stoppen.

    Aber unser Gesundheitheitsminister hatte da in der Zeit ja andere Prioritäten. (Kanzlerschaft).

    • @meerwind7:

      Ja, es zeigt sich, wie viele unfähige Populisten unterwegs sind. In S.H. hat ein Daniel Günther auch jeden Tag eine neue Lockerung versprochen. Es hatte keine Zeit, mal Herrn Drosten zuzuhören, er mußte dringend den Handballpokal durch Land fahren.

    • @meerwind7:

      Angela Merkel musste ganz alleine mit dem Männerladen fertig werden. Mit Jens Spahn hätten wir gleich zwei harte Männer an der Spitze des Staates gehabt. Die hätten ein solch donnerndes Machtwort gesprochen, dass Corona mehrere Zacken gleichzeitig aus der Krone gebrochen wären.