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Corona-Hotspot FleischindustrieAusbruch mit Ansage

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Der Corona-Ausbruch beim Fleischkonzern Tönnies hätte verhindert werden können. Behörden müssen Schlachthöfe, die Regeln verletzen, dichtmachen.

Geschlossen: eine Produktionshalle mit dem Logo der Firma Tönnies Foto: David Inderlied/picture alliance

D er massive Ausbruch des Coronavirus bei Deutschlands größtem Fleischproduzenten Tönnies in Nordrhein-Westfalen ist eine riesige Sauerei – nicht nur, weil dort auch weibliche Schweine geschlachtet werden.

Tönnies und die Behörden waren vorgewarnt. Bereits Mitte Mai hatten sich Hunderte Beschäftigte anderer Schlachthöfe infiziert. Spätestens seitdem war bekannt, dass zum Beispiel die Enge an den Produktionsbändern und in den Unterkünften der Arbeiter aus Osteuropa das Infektionsrisiko drastisch erhöht.

Trotzdem haben weder die Unternehmen noch die Aufsichtsbehörden genug getan, um den Sicherheitsabstand von 1,5 Metern zwischen den Beschäftigten durchzusetzen. Stattdessen Mundschutz zu tragen, ist bei der schweren körperlichen Arbeit im Schlachthof oder beim gemeinsamen Leben in einer Wohnung nicht realistisch. Wären alle Hygieneregeln eingehalten worden, hätten sich nicht so viele Mitarbeiter eines Betriebs angesteckt.

Zwar wurden nach den ersten Ausbrüchen in anderen Fleischfabriken alle Beschäftigten der Branche in Nordrhein-Westfalen auf eine Infektion getestet. Aber das ist kein Ersatz für genügend große Abstände, denn natürlich können sich Arbeiter auch nach einem Test anstecken. Die Untätigkeit der Fleischindustrie hat vor allem einen Grund: Einnahmen gehen verloren, wenn wegen größerer Lücken am Band weniger Tiere pro Tag geschlachtet werden können.

Auch die Behörden sind mitschuldig. Sie haben die Missstände bei Tönnies entweder nicht genügend kontrolliert oder zu lange toleriert. Das örtliche Gesundheitsamt hätte die Schließung des Tönnies-Werks schon viel früher anordnen müssen, um den Ausbruch zu verhindern.

Laschets Sündenböcke

Für das Versagen der Aufsicht ist in letzter Instanz auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet verantwortlich. Statt die Versäumnisse der letztlich dem Land unterstellten Behörden einzuräumen, schiebt der CDU-Politiker die Schuld für den Ausbruch den rumänischen und bulgarischen Arbeitern in die Schuhe. Sie hätten das Virus aus ihren Heimatländern mitgebracht, sagte der Kandidat für den Vorsitz seiner Partei.

Das ist geradezu schäbig. Selbst wenn sich einzelne Arbeiter in ihrer Heimat angesteckt haben sollten: Dass sich so viele Beschäftigte infiziert haben, liegt höchstwahrscheinlich an den Arbeits- und Wohnbedingungen in Deutschland. Dennoch sucht sich Laschet als Sündenbock ausgerechnet Menschen aus, die unter Ausbeutung und Diskriminierung leiden.

Aus dem Corona-Ausbruch bei Tönnies müssen die Behörden auch in anderen Orten mit Schlachthöfen Konsequenzen ziehen. Die Ämter sollten sofort alle Fleischfabriken schließen lassen, in denen der Infektionsschutz mangelhaft ist. Denn die Gesundheit muss mehr zählen als der Profit.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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39 Kommentare

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  • Arbeitnehmer nicht zu schützen, kann als versuchte oder vollendete Körperverletzung betrachtet werden, denn es ist bekannt, dass sich das Virus auch über Aerosole verbreitet. Jede Aerosolwolke, die ein Mensch beim Reden und Atmen ausstösst, bleibt minutenlang in der Luft und verteilt sich dabei über grössere Strecken, das in geschlossenen Hallen, den ganzen Tag hindurch.



    Den 1.5 m Abstand kann man sich schenken. Was man sich hingegen nicht schenken kann, ist eine adäquate Schutzausrüstung der Mitarbeiter.



    Ausreden wie: "Stattdessen Mundschutz zu tragen, ist bei der schweren körperlichen Arbeit im Schlachthof .. nicht realistisch."



    Das ist nicht nur realistisch, sondern ist m. E. unabdingbar. Aber es sollte schon eine Atemschutzmaske FFP2, noch besser FFP3 sein. Diese Masken sind in Industrie und Handwerk, auf dem Bau, im Bergbau, in Laboratorien selbstverständlich im Einsatz, wenn es die Situation erfordert. Sie filtern nicht nur feinste Stäube sondern auch Aerosole, was in einem Schlachtbetrieb nie falsch sein kann, denn unsere Schweine und Hühner sind auch gute Zoonosenüberträger.

  • '300 Prozent Profit' und ...

    Das vollständige MARX-Zitat lautet:

    »Kapital, sagt der Quarterly Reviewer, flieht Tumult und Streit und ist ängstlicher Natur. Das ist sehr wahr, aber doch nicht die ganze Wahrheit. Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit oder sehr kleinem Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens. Wenn Tumult und Streit Profit bringen, wird es sie beide encouragieren. Beweis: Schmuggel und Sklavenhandel.«

    Karl Marx bezieht sich hier in einer Note auf den Funktionär der englischen Gewerkschaftsbewegung T. J. Dunning, der in seinem Buch »Trades' Unions and strikes: their philosophy and intention« (London 1860) diese Textpassage aus »The Quarterly Review« angeführt hatte (MEW, Bd. 23, S. 788, in MEGA² II/6, S. 680/681). Er belegt damit seine Behauptung, dass »das Kapital von Kopf bis Zeh, aus allen Poren, blut- und schmutztriefend« zur Welt gekommen ist.

  • Sind es denn wirklich nur die Angestellten des Schlachthofes, deren mangelnder Abstand zueinander zu solchen Corona-Ausbrüchen führt? Zur Zeit ist doch fast überall die Disziplin in Sachen Corona-Regeln stark gesunken, darum wundert es mich, dass Schlachthöfe mehr in den Schlagzeilen auftauchen als andere Betriebe. Was Schlachthöfe von anderen Betrieben unterscheidet, ist der enge Kontakt zu Tieren, die oft aus Massentierhaltung stammen. Ist es nicht möglich, dass die Großställe der eigentliche Urspung dieser Corona-Ausbrüche sind?

    • @Ein alter Kauz:

      Bekanntermaßen sind es die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter in den Fleischfabriken und in den Sammelunterkünften. Ein erheblicher Teil des Lohnes wird den Leuten gleich dafür abgezogen, dass sie dort „wohnen“ dürfen. Abzocke pur ist das und eben auch unter Hygienegesichtspunkten völlig inakzeptabel.

  • 0G
    03823 (Profil gelöscht)

    Und am Montag kaufen wir wieder Hackfleisch für 99 Cent bei Lidl/Netto/Aldi ... und üben uns darin, Zusammenhänge mit unserem Konsumverhalten auszublenden.

  • 0G
    08786 (Profil gelöscht)

    Die Arbeit in der Fleischindustrie hat teilweise die Anmutung und das Wesen von Sklavenarbeit. Das ist klar. Aber was Corona angeht, muß man sich nichts vormachen: Überall dort, wo sich die Abstands- und Hygieneregeln nicht einhalten lassen, wie z.B. in der Schule, wird sich das Virus verbreiten. Nie wieder Schule, Vorlesungen, Fließbandarbeit, Konzerte, Massentourismus, Sammelunterkünfte, Jugerdherberge, Almhütte, tolle Fernreisen, Kneipen, Tanzschuppen, Punkkonzerte etc.?! Das soll es sein?! Das scheint mir naiv zu sein. Von denen, sie sich infizieren, wird 0,5-1% es nicht überleben. Und es werden sich ca. 60% der Menschen infizieren, bis die Pandämie vorbei ist. Es ist eine Frage der Zeit, bis das passiert ist. Aber verhindern läßt sich das meiner Meinung nach nicht.

    • @08786 (Profil gelöscht):

      Tja, schwierig.



      Wir wissen aber auch noch nicht, wie viele bleibende, teils gravierende Schäden zurück behalten und was damit für Kosten auf´s Gemeinwesen zukommen.

  • Nachschlag, nicht nur zur Profit-Corona-Fleischindustrie wie in Deutschland und China.

    Zu neuen sozial- und gesellschaftspolitischen Ufern in Deutschland?

    Alle deutschen Parlamentsparteien vertreten ausnahmslos die Lobby und Wirtschaftsinteressen, aber nicht die sozialen Interessen der großen Mehrheit der eigentumslosen und erwerbstätigen Bevölkerung, vor allem nicht die sozial und materiell Armen in Deutschland, unabhängig von deren Herkunft.

    Es gibt in Deutschland keine bürgerliche Parlamentspartei, die die Interessen der w/m Arbeiter vertritt.

    Es bedürfte schon einer von den bürgerlichen Parteien und Wirtschaftsinteressen unabhängige außerparlamentarische sozial-ökologische Bewegung für die Überwindung und Beseitigung der Macht und Herrlichkeit der politischen und wirtschaftlichen Eliten und medialen Hofschranzen der Finanz- und Monopolbourgeoisie, einschließlich der Pharma-, Impf-, Energie-, Automobil-, Immobilien- und Fleischindustrien.

    PS: Trotz der historischen Niederlage und dem Zusammenbruch des kaputten und weltweit desaströsen Realsozialismus, wir brauchen eine humanistische sozioökonomische und ökologische Gesellschaftsordnung, eine Kreislaufwirtschaft, ohne Kapitalismus und Imperialismus.

  • Nachdem es jahrelang kein ausreichender Grund war, derartige Betriebe zu schließen, weil bei den Arbeitsbedingungen Tierschutzbestimmungen gar nicht eingehalten werden können und massenhaft unzureichend bis kaum betäubte Tiere geschlachtet werden, ist das jetzt ja fast schon ein Fortschritt. Den Preis für das billige Fleisch zahlen wie immer, die Schwächsten in der Kette.

  • Man wird nicht umhinkommen, festzustellen, dass der Einfluss der großen Fleischproduzenten auf die Politik in Deutschland ähnlich unselig ist, wie der der Autoindustrie. Da wird mit kriminellen Machenschaften das ganz große Geld gemacht, mit dem man sich dann z.B. ganze Sportvereine kauft, sodass es regelmäßig schon reichlich schwierig wird, notwendige politische Maßnahmen noch zu treffen, bevor die Kacke schon richtig am dampfen ist.



    Dass der Hoeneß-Prozess plötzlich ganz schnell beendet wurde, als sich abzeichnete, dass die feststellbare Summe an hinterzogenen Steuern mit jedem Prozesstag weiter ansteigen würde, war ganz sicher auch kein Zufall. Von der lächerlichen Smart-Inhaftierung mal ganz abgesehen.

    • @Rainer B.:

      Nach Aussage eines Inhaftierten befand sich Hoeneß im Luxusknast, unter Haftbedingungen die selbst ein kleiner Krimineller so niemals bekommen würde.

      Fazit: die Klassengesellschaft existiert auch in deutschen Haftanstalten.

    • @Rainer B.:

      Jepp. In Bremen beispielsweise ist z.B. die Linkspartei für in Punkto Fleischindustrie und Corona gleich für zwei zentrale Felder verantwortlich. Sie stellt die Senatorinnnen für Gesundheit und Wirtschaft.

      • @Rudolf Fissner:

        Und? Gibt's in Bremer Schlachthöfen etwa Corona-Hotspots?

        www.senatspressest...tail.php?id=338030

        • @Rainer B.:

          Ist das mit dem von Ihnen oben angesprochenen behaupteten unseligem Einfluss der Wirtschaft auf die Politik etwa wie mit den Störchen und abhängig von populistischem Buddy-Brillen?

          Und ja Bremen hat Coronafälle. Deren Anzahl liegt deutlich über den Bundesdurchschnitt.

          • @Rudolf Fissner:

            In Bremen gab es in den letzten 7 Tagen insgesamt 56 neue Corona-Fälle. Allein im Coronavirus-Hotspot Tönnies in NRW sind es jetzt insgesamt schon mehr als 1.300 Fälle.

            www.wa.de/nordrhei...h-zr-13755098.html

          • @Rudolf Fissner:

            Luft gibt's überall, oder was wollen Sie damit sagen? Zur Erinnerung: Das Thema ist „Corona und die Fleischindustrie“.



            Wollen Sie hier etwa erzählen, dass man 9 neue Corona-Fälle gestern (21.06.2020) in Bremen mit 549 neuen Corona-Fällen gestern in Nordrhein-Westfalen, vergleichen kann, von denen fast alle dem Schlachtbetrieb Tönnies zuzuordnen sind?

            www.rki.de/DE/Cont...us/Fallzahlen.html



            www.rki.de/DE/Cont...us/Fallzahlen.html

  • Oh wie verlogen wir doch sind.



    Da braucht es ein paar hundert Virusinfektionen um die Forderung nach einem Ende von Sklavenarbeit aufzustellen.



    Diese Art des Wirtschaftens, wenn man diese systematische Ausbeutung überhaupt so nennen will, ist ein Armutszeugnis für einen sozialen Staat (Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz) und schon die Erlaubnis des Werkvertragunwesens war und ist ein Verstoß gegen eben jenes Grundgesetz.



    Herrn Tönnies, den ich für einen zweifelhaften Vertreter des Raubtierkapitalismus halte, dafür jetzt im Zusammengang mit Covid-19 an den Pranger zustellen, entlastet die politischen Verantwortungsträger vorschnell.

  • "Die Ämter sollten sofort alle Fleischfabriken schließen lassen, in denen der Infektionsschutz mangelhaft ist."

    Nicht nur Fleischfabriken. Behörden sollten alle Branchen in denen mit Kühlung gearbeitet wird dichtmachen. Das betrifft die Lebensmittelbranche generell.

    Auch sollten Kneipen, Schulen und Kindergärten wieder geschlossen werden. Überall wo das zentrale Konzept der "sozialen Distanz" gelockert wurde, ist die Ansteckung mit Corona vorprogrammiert.

    • @Rudolf Fissner:

      Hmm, von Kitas/Kindergärten war bisher wenig zu hören. An Orten wo soziale Distanz eingehalten wurde hingegen....#Gottesdienst

      • @Homunkulus:

        Von Kindern geht die gleiche Gefahr aus wie von jedem andern Träger von Corona. Das soziale Distanz das A & O ist gesichertes Wissen. Insofern ist die Öffnung von Schulen und Kitas eine Verbreitung mit Ankündigung.

        Was ihnen vielleicht fehlt ist ein medial mächtiges Superspreaderereignis. Das mag u.a. daran liegen, dass Kinder nicht regelmäßig gescreent werden bzw. von einer Infektion nicht gleich dahingerafft werden.

        Nichtsdestotrotz verbreiten auch Kinder Corona.

  • ...können und sollten wir Bürger unsere Möglichkeiten beim Schopf ergreifen, anstatt Zeter und Mordio zu schreien, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.

  • Gerade zurzeit kann man deutlicher als sonst sehen: wenn Hygiene und Gesundheit vernachlässigt werden, um Gewinne zu maximieren, dann wird es letztendlich richtig teuer. Fragt sich nur für wen. Aber skrupellose Arbeitgeber, die sich dank Sub-Sub-Sub ... die Hände in Unschuld zu waschen versuchen, sind immer wieder bereit das Risiko einzugehen. Warum die Behörden so häufig einfach wegsehen und nicht einschreiten? Amtseid vergessen - wegen Alltag?



    Als Wähler und Verbraucher haben wir es in der Hand, bei der nächsten Wahl nicht bequem und vergesslich zu agieren und das Kreuzchen an der gewohnten Stelle zu platzieren sondern daran zu erinnern. Auch als Verbraucher das Kleingedruckte auf der Rückseite der Fleischpackung anzuschauen und sich die jetzt bekannten prekären, aber für die Arbeitgeber Gewinn maximierten Herstellungsbedingungen vor dem inneren Auge vorbeiziehen zu lassen ist ein aktueller Punkt für den nächsten Supermarkteinkauf. Da könnte es leichter fallen, die sinnvollste Entscheidung zu treffen, nicht wahr...

  • Menschenausbeutung im westeuropäischen Konsum und Fleischparadies des 21. Jahrhunderts.

    ● durch die versuchte osteuropäische Wende nach 1989/1990 ins westeuropäische NATO- und Konsumparadies kamen große Teile von deren werktätigen Bevölkerungen, so auch in Bulgarien und Rumänien, unter die sozioökonomischen Räder der neuen Herren und Damen in Politik und Wirtschaft. Die epidemische Korruption der alten und neuen Eliten führte zu einem sozialen Ausschluss von Millionen Menschen in Osteuropa.

    ►Die politischen Eliten und ihre neuen Millionäre und Milliardäre hatten kein Interesse an der sozialen Einbeziehung der unteren sozialen Bevölkerungsgruppen auf ihrem Weg ins NATO-Konsumparadies. Dies spiegelt sich nicht nur so in den miserablen Wohnverhältnissen, sondern auch in der Massenarbeitslosigkeit und in der fehlenden Sozialabsicherung. So vor allem auch bei großen nationalen und sozialen Minderheiten. Selbst hier hatten in Rumänien unter dem alten Regime noch rund 80 Prozent eine schlecht bezahlte Erwerbsarbeit und eine mangelhafte Gesundheitsversorgung und ungenügende Alterssicherung.

    ►Aber so ganz im Gegensatz zu heute, auch ohne Konsumparadies, hatte eine Mehrheit der Bevölkerung eine Erwerbsarbeit die ihre Existenzgrundlagen sicherte. Heute sind die angesprochenen Bevölkerungsgruppen bis zu 80 Prozent in Arbeitslosigkeit und großteils im Analphabetismus und müssen ihren Lebensunterhalt durch Sklavenarbeit und auch in Schlachtbetrieben im westlichen Konsumparadies hart erarbeiten. Dabei wird ihnen auch noch wissentlich die Menschenwürde durch die westlichen Lobbyisten – in Wirtschaft und Politik – abgesprochen.

    19.06.2020, R.S.

    • @Reinhold Schramm:

      Ich stimme Ihnen zu und frage mich immer wieder, warum die Würde des Menschen, die ja laut GG unantastbar sein soll, für die hier angesprochenen Menschen, jedoch auch für Hartz IVer, nicht gilt.

      • @Rolf B.:

        Der Mensch hat für die deutschen Eliten in Lobbypolitik und Wirtschaft nur dann einen Wert und Mehrwert, wenn er sich in Ausbeutung und Wertschöpfung befindet. Steht der eigentumslose Mensch und Erwerbslose außerhalb seiner materiellen Verwertung und wird seine Qualifikation nicht mehr gebraucht, dann garantiert man ihm allenfalls ein knappes und armes Leben am Existenzminimum im imperialistischen Konsumparadies, so auch mit Hartz IV und minimaler gesetzlicher Grundsicherung in Altersarmut.

        Eben, so auch Menschenverwertung nicht nur in der Fleischindustrie Deutschlands.

        • @Reinhold Schramm:

          Momentan ist ja auch für das hippe Milieu, das sich als links versteht, die soziale Frage völlig out. Auch (oder deshalb?) gibt es zurzeit in D auch bei Künstlern und Schriftstellern kaum substantielle Kritik an den herrschenden Verhältnissen. Es werden Symptome kritisiert ohne die Systemfrage zu stellen. Und wenn ich die inflationäre Zunahme der sogen. NGOs beobachte, kann ich nur mit Ernüchterung feststellen, dass diese i.d.R. auch nur auf partieller Ebene Symptome kritisieren und damit offensichtlich gut leben können. Solange Probleme nur oberflächlich betrachtet werden, ist die Talkshowreife garantiert.

          Was den Tönnies Skandal betrifft, so ist das nicht nur ein Problem für Menschen, die Billigfleisch konsumieren. Tönnies geht uns allen an. Tönnies zeigt auf anschaulische Weise den kulturellen Niedergang einer Gesellschaft, die sich größtenteils ideologisch den Profitinteressen unterordnet.

          • @Rolf B.:

            ''Niedergang einer Gesellschaft, die sich größtenteils ideologisch den Profitinteressen unterordnet.''

            - ungebrochen seit 1933 bis heute.

            Die NSDAP hatte in der Spitze zwischen 8 und 9 Millionen freiwillige Mitglieder. Der statistische Anteil unter den Arbeitern lag bei 30 Prozent der Mitgliedschaft. Mit 2,4 bis 2,7 Millionen ArbeiterInnen hatte die kapitalfaschistische NSDAP mehr Mitglieder aus der Arbeiterklasse als vor 1933 die SPD und KPD zusammengenommen.

            Jede zweite deutsche Familie hatte ihren (freiwilligen) Kameraden in der NSDAP. Auch hieraus erklärt sich der sog. Volksaufstand von 1953 und die Implosion der (unvollkommenen) antiimperialistischen DDR von 1989/1990.

  • Die Ämter sollten sofort alle Fleischfabriken schließen lassen, in denen der Infektionsschutz mangelhaft ist.

    Vor vier Monaten noch hätte ich gesagt, völlig übertriebene Forderung. Nach Lockdown in Nahezu allen Bereichen ist dies wohl das einzige Mittel, was zum einlenken zwingt.

    Mir will nicht in den Kopf, dass die Schlachtbetriebe, die ja weitgehend verschont geblieben sind von Schließungen (da systemrelevant), dies nicht als Glücksfall begriffen haben und alles getan haben, damit es nicht zu einer Schließung kommt.

  • Wenn die Gefahr so groß ist, dass sich einzelne Arbeiter im Ausland anstecken und dann binnen Tagen hunderte Menschen hier in Deutschland infizieren - dann sollten wir nicht über Schlachthöfe und Werksarbeiter sprechen, sondern über Reisebeschränkungen für alle.



    Ist es wirklich notwendig und sinnvoll, in den nächsten Wochen Menschen aus ganz Europa in die Berge und ans Mittelmehr zu fliegen, wo sie sich mit Menschen aus ganz Europa vermischen - um dann wieder in ihre Heimatsstädte zurück zu fliegen - wo dann auch noch Schulen, Kitas und Betriebe geöffnet sind, in denen sie wiederum Kontakt mit vielen Menschen haben?

  • Danke für diese Berichte, Herr Maurin.

  • Die Kühlhäuser sollen leer gearbeitet werden.



    Und wer soll das ggf Coronaverseuchte Fleisch dann fressen?



    Boykottiert alle Tonnies-Produkte!



    Schreibt an die Lebensmittelketten!

  • Ich schätze eher, die Hygieneregeln sind unzureichend, statt "Wären alle Hygieneregeln eingehalten worden, hätten sich nicht so viele Mitarbeiter eines Betriebs angesteckt."

    Gruppenunterkünfte sind in dieser Zeit eben nicht mehr zeitgemäß, zumal noch viele Hotelzimmer frei wären. Wenn Leute unter erschwerten Bedingungen arbeiten, gilt das erst recht. Das Land NRW oder Kreis hätten die Regeln vorgeben müssen.

  • Scheisse, wenn der Laschet fällt, wird der Bayer Kanzler. Dann gut Nacht um 6.

    • @Weidle Stefan:

      XD schade, dass eine Welt in der eine andere Partei als die CDU das Kanzleramt besetzt unvorstellbar scheint

  • Oh, Herr Laschet. Diese Bulgaren und Rumänen sind tatsächlich Menschen. Und sie sind erkrankt.

    Statt ihnen zivilisiert "gute Besserung" zu wünschen, vielleicht als kleine Geste jeder ihrer Familien einen Hunni zu schicken (das sind ganze vier Monatsgehälter von Ihnen!) fahren Sie diese Nummer.

    Nein, Sie will ich auf gar keinen Fall als Kanzler sehen.

  • Dieser Kommentar wurde entfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette. Die Moderation

    • @Lieblich:

      Das liest sich etwas zynisch, wenn ein klar ironischer Kommentar gelöscht wird, aber Hassartikel - in denen keine Ironie erkennbar ist - ungefiltert in und von der taz veröffentlicht werden.

    • @Lieblich:

      Aua!



      Wie treffend doch Ironie sein kann!



      Zum letzten Satz - welchen Armin Sie wohl meinen? Nicht dass da irgendjemand der zufällig diesen Namen hat etwas dummes tut...

  • Danke für diesen Kommentar!