Corona-Hotspot Fleischindustrie: Ausbruch mit Ansage

Der Corona-Ausbruch beim Fleischkonzern Tönnies hätte verhindert werden können. Behörden müssen Schlachthöfe, die Regeln verletzen, dichtmachen.

Die Fleischfabrik Tönnies ,Logo lustige Tiere

Geschlossen: eine Produktionshalle mit dem Logo der Firma Tönnies Foto: David Inderlied/picture alliance

Der massive Ausbruch des Coronavirus bei Deutschlands größtem Fleischproduzenten Tönnies in Nordrhein-Westfalen ist eine riesige Sauerei – nicht nur, weil dort auch weibliche Schweine geschlachtet werden.

Tönnies und die Behörden waren vorgewarnt. Bereits Mitte Mai hatten sich Hunderte Beschäftigte anderer Schlachthöfe infiziert. Spätestens seitdem war bekannt, dass zum Beispiel die Enge an den Produktionsbändern und in den Unterkünften der Arbeiter aus Osteuropa das Infektionsrisiko drastisch erhöht.

Trotzdem haben weder die Unternehmen noch die Aufsichtsbehörden genug getan, um den Sicherheitsabstand von 1,5 Metern zwischen den Beschäftigten durchzusetzen. Stattdessen Mundschutz zu tragen, ist bei der schweren körperlichen Arbeit im Schlachthof oder beim gemeinsamen Leben in einer Wohnung nicht realistisch. Wären alle Hygieneregeln eingehalten worden, hätten sich nicht so viele Mitarbeiter eines Betriebs angesteckt.

Zwar wurden nach den ersten Ausbrüchen in anderen Fleischfabriken alle Beschäftigten der Branche in Nordrhein-Westfalen auf eine Infektion getestet. Aber das ist kein Ersatz für genügend große Abstände, denn natürlich können sich Arbeiter auch nach einem Test anstecken. Die Untätigkeit der Fleischindustrie hat vor allem einen Grund: Einnahmen gehen verloren, wenn wegen größerer Lücken am Band weniger Tiere pro Tag geschlachtet werden können.

Auch die Behörden sind mitschuldig. Sie haben die Missstände bei Tönnies entweder nicht genügend kontrolliert oder zu lange toleriert. Das örtliche Gesundheitsamt hätte die Schließung des Tönnies-Werks schon viel früher anordnen müssen, um den Ausbruch zu verhindern.

Laschets Sündenböcke

Für das Versagen der Aufsicht ist in letzter Instanz auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet verantwortlich. Statt die Versäumnisse der letztlich dem Land unterstellten Behörden einzuräumen, schiebt der CDU-Politiker die Schuld für den Ausbruch den rumänischen und bulgarischen Arbeitern in die Schuhe. Sie hätten das Virus aus ihren Heimatländern mitgebracht, sagte der Kandidat für den Vorsitz seiner Partei.

Das ist geradezu schäbig. Selbst wenn sich einzelne Arbeiter in ihrer Heimat angesteckt haben sollten: Dass sich so viele Beschäftigte infiziert haben, liegt höchstwahrscheinlich an den Arbeits- und Wohnbedingungen in Deutschland. Dennoch sucht sich Laschet als Sündenbock ausgerechnet Menschen aus, die unter Ausbeutung und Diskriminierung leiden.

Aus dem Corona-Ausbruch bei Tönnies müssen die Behörden auch in anderen Orten mit Schlachthöfen Konsequenzen ziehen. Die Ämter sollten sofort alle Fleischfabriken schließen lassen, in denen der Infektionsschutz mangelhaft ist. Denn die Gesundheit muss mehr zählen als der Profit.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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