piwik no script img

Content-Produzent*innen übers Mitreden„Wissen alle, was das bedeutet?“

Politische Begriffe werden oft rausgehauen, aber nicht erklärt. „Heteronorm“? „Intersektional“? Die Macher*innen von „Erklär mir mal“ wollen helfen.

„Erklärmirmal“ ist Anfang Mai auf Instagram gestartet Illustration: Iman Atwa/@erklaermirmal
Interview von Simon Sales Prado

taz: Maja Bogojević, Mehran Karimi, Sie erläutern auf dem Instagram-Kanal „Erklär mir mal“ politische Begriffe aus (post)migrantischer und queerer Perspektive. Das Projekt ist Anfang des Monats gestartet. Worum geht es dabei?

Maja Bogojević: Wir beobachten, dass in wichtigen politischen Debatten häufig Begriffe vorausgesetzt werden, die nicht alle kennen – die aber nötig sind für die politische Teilhabe. Viele von uns kommen zum Beispiel aus Arbeiter*innenfamilien und kennen das Gefühl, wenn Leute ständig Namen nennen und Fachvokabular benutzen und man denkt: Hä, müsste ich das jetzt wissen? Wir wollen, dass alle mitreden können, auch außerhalb akademischer Räume.

Mehran Karimi: Wir wollen eine Grundlage schaffen, mit der Menschen sich besser verständigen können – und sich auch selber vielleicht besser verstehen.

Wie machen Sie das?

Im Interview: Maja Bogojević und Mehran Karimi

Maja Bogojević, Sozialwissenschaftler*in und politische Trainer*in, ist zusammen mit Victoria Jeffries Produzent*in von „Erklär mir mal“.

Mehran Karimi, freischaffender Filmemacher und ehrenamtlicher Sozialarbeiter, ist bei „Erklär mir mal“ zuständig für die Montage.

Bogojević: Wir haben abwechselnde Themenwochen: Queer und Feminismus, Antirassismus, Politik und Gesellschaft, außerdem einen flexiblen Open Space. Einmal die Woche erläutert ein Video Begriffe oder ein Thema. Und es gibt Zitate, Sharepics, Memes. Wir stellen dabei postmigrantische und queere Menschen und ihre Belange in den Vordergrund. Es geht um Dinge wie: Wissen alle, was Heteronormativität und Diaspora bedeutet? Wann kamen Gastarbeiter*innen nach Deutschland? Oder den deutschen Kolonialismus. Themen, die in Schulbüchern häufig gar nicht vorkommen.

Karimi: Die erste Folge ging um Intersektionalität, wir haben den Begriff und seine Geschichte erklärt.

Bogojević: Uns ist wichtig, zu erklären, woher die Begriffe kommen, aus welchen Kämpfen sie entwickelt wurden. Intersektionalität wurde zum Beispiel von einer Schwarzen Frau formuliert: Kimberlé Crenshaw.

Insgesamt stehen 14 Menschen hinter „Erklär mir mal“. Was zeichnet das Team aus?

Karimi: Wir sind eine Gruppe von Leuten, die queere und migrantische Perspektiven teilen. Wir versammeln viele Stimmen, wir wollen weg vom Personenkult. Bei uns gibt es Journalist*innen, aber auch Lehrer*innen und Ärzt*innen. Uns ist es dabei wichtig, zu zeigen, dass es noch ganz viele andere ungehörte Stimmen und Perspektiven gibt.

Bogojević: Es gibt deswegen zwei Personen im Team, die am Ende nochmal über die Projekte schauen und sich überlegen: Sind Perspektiven nicht mitgedacht? Ist etwas problematisch? Stellen wir etwas verkürzt dar?

Wieso werden queere und migrantische Perspektiven so häufig übergangen?

Bogojević: Sichtbarkeit hat viel mit Macht zu tun. Da ist eine Frage: Wer hat Zugang zu medialer Repräsentation? Personen wie wir werden häufig zu sogenannten Tokens: Die queere, Schwarze Person kommt vor die Kamera, während im Hintergrund Leute sind, die von struktureller Diskriminierung profitieren. Auch deswegen organisieren wir uns lieber selbst. Wir sind keine Diversitätsmaskottchen. Unsere Themen sind nicht nur cool, sie sind notwendig.

Vergangenes Jahr wurden ähnliche öffentlich-rechtliche Formate wie Softie eingestellt, nun Karakaya Talk. Sie arbeiten bisher sogar ehrenamtlich. Entmutigt Sie das alles?

Karimi: Wir finden das traurig. Schließlich haben diese Formate den Weg, den wir heute gehen, geebnet. Wir haben zwar durch unsere eigenständige Organisation viel mehr Arbeit, Maja arbeitet bis zu 40 Stunden die Woche für „Erklär mir mal“. Aber so kann keine Produktionsfirma kommen und plötzlich sagen: Schluss, das war’s.

Bogojević: Als ich erfahren habe, dass Softie abgesetzt wird, war mein erster Gedanke: Wie kann es sein, dass schon wieder ein empowerndes, kritisches Format eingestampft wird? Uns wurde dadurch klarer, wie sehr es „Erklär mir mal“ braucht.

Gleichzeitig gibt es ja Journalistinnen wie Ferda Ataman, Margarete Stokowski, Samira El Ouassil oder Mai Thi Nguyen-Kim, die präsent sind und den politischen Diskurs mitprägen. Geht es auch vorwärts?

Bogojević: Es sind jetzt zwar mehr Menschen sichtbar, aber wir können uns doch nicht mit vor 50 Jahren vergleichen. Ein Viertel der Menschen heute in Deutschland hat einen Migrationshintergrund, im Journalismus sieht man das aber nicht. Und das ist ein Problem.

Karimi: Man sieht vielleicht, dass LGBTQI-Themen präsenter geworden sind. Aber diese Themen werden oft eher abgefertigt, Boxen werden abgetickt, um sie abzuticken. Man sollte diese Themen nicht nur anreißen, sondern sie vertiefen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

30 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Das Entscheidende an Sprache ist ihre Verständlichkeit. Verständlichkeit kommt von verstehen. Welchen Sinn macht Sprache, die sich nicht verständlich ausdrücken kann - oder will? Ausgrenzung anstrebt - statt Verbindung? Für Selbstgespäche mag dies reichen, für Dialoge nicht.

    Bombastische Sprache ist kein Beleg für zutreffende Inhalte. Das Gegenteil ist häufig der Fall. Bombastische Sprache vernebelt. 'Alt' und 'neu' sind dabei nicht die entscheidenden Kriterien.

    Was mich angeht: ich möchte gar nichts erklärt haben. Ein guter Text spricht für sich selbst.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Ich zähle "bombastische Sprache" zur bombastischen Sprache. Der Ausdruck vernebelt. Z.B. die Tatsache, dass es unzählige Fachsprachen gibt, deren Vokabulare jeweils nur von wenigen verstanden werden. Und trotzdem (oder genau deswegen) erfüllen sie ihren Zweck.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @mats:

        Sie mögen Ping-Pong? Glückauf.

        Wenn Sie sich nochmals - oder erstmals - die Überschrift anschauen: hier geht es um politische Sprache, nicht um akademische Fachsprachen.

        Bei letzteren gelten andere Gesetze. Bekanntermaßen.

        • @76530 (Profil gelöscht):

          Begriffe wie 'Intersektionalität' oder 'Heteronormativität' stammen aus fachlichen Zusammenhängen. Und warum soll politische Sprache nicht auch Begriffe aus Fachsprachen umfassen? Sie muss es sogar, im jeweiligen Kontext. Oder wie wollen Sie sonst über Details bspw. einer Bodenrechtsreform diskutieren? Fachgerechte politische Debatten zu führen und den Bürgern zu vermitteln, um was es bei bestimmten Entscheidungen geht, ist nicht dasselbe und kann nicht in ein und demselben Code erfolgen.

          Das Problem der Sozialwissenschaften ist, dass jeder glaubt, mitreden zu können, sobald er halbwegs die Wörter wiedererkennt. Das ist aber ein Irrtum - der von Journalisten übrigens kräftig befeuert wird.

          • 7G
            76530 (Profil gelöscht)
            @mats:

            Sie sind sehr aufmerksam - oder verfügen über ein zuverlässiges Archiv.

            Ihre Intentionen aufnehmend, sage ich: Sie haben Recht mit den hier genannten Beispielen. Daraus aber eine allgemeingültige Regel ableiten zu wollen, hielte ich für äußert gewagt. Sprich: nicht verifizierbar.

            Für DIE Sozialwissenschaften: Sektion Mittelhessen, der Alterspräsident ... zwischen dementia praecox und Senilität ...

  • Wünschen sich einige Kommentatoren hier 1984's Neusprech? Möglichst stumpf und simpel?

    Bloß nicht das eigene Vokabular wachsen lassen, das böse Bildungsbürgertum könnte sonst ja nicht gewinnen! In Zeiten von Google sind einem unbekannte Wörter nun wirklich keine unüberklimmbaren Mauern mehr. Und wen ein Thema nicht ausreichend interessiert, um seinen dazugehörigen Wortschatz aufzustocken, der solle dazu stehen.

    Mit neuen Entdeckungen/Kenntnissen gehen oftmals Wortneuschöpfungen einher. Das beschriebene trug zuvor schließlich noch keinen Namen. Wer dies möglichst simpel erklärt haben möchte, bediene zu diesem Zweck existierende Medien, wie die hier beschrieben Plattform, Google oder Foren à la "explain it like I'm five."

    Leichte Sprache hat ihre Daseinsberechtigung. Sie ist primär aber nicht für Leute, die zu faul zum Lernen sind, sondern diejenigen, die es aus verschiedenen Gründen nicht (gut) können.

    • @Devil's Advocate:

      Ja, man kann sich wirklich nur wundern mit welcher Vehemenz teils dafür gestritten wird sich nur ja nicht des eigenen Verstandes bedienen zu müssen während der Zugang zu Wissen heute so einfach ist wie noch niemals zuvor.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ah, ja. Ich lese von einer Möglichkeit der Problemannäherung.

    Eine Andere: die der sprachlichen Abrüstung für den Alltagsbereich. Simplify your language.

    Selbst christlich verzogen und verbogen, denke ich mit Grauen an die Babylonische Sprachverwirrung. Die ersten Stufen haben wir bereits erreicht. Logger!

    Meine Frage an dieser Stelle: wann leben eigentlich Menschen, die permanent als Erklärbären unterwegs sind? Zwischen 0 Uhr und Mitternacht?

  • Instagram?!!

    Warum muss man sich erst registrieren? Wissen sollte frei sein und nicht durch solche Hürden von Sammlern blockiert werden.

  • Content-Produzentinnen erklären politscher Begriffe aus ... Perspektive.



    Damit "man" endlich mal mitreden kann, weil "man" vorher die Begriffe nicht kannte.

    Content-Produzent scheint ein modernes Wort zu sein. Waren das in analogen Zeiten Lehrer? Oder ist das eine Bezeichnung für Leute, die ihr Hobby, Welterklären, mit konstruktiven Begriffen, Produzent, verbinden?

    Und wenn ja, wieso werden dann vorgeblich allgemeine Erklärung für Unwissende aus einer Perspektive erstellt? Der Hintergrund spielt immer eine Rolle, aber wenn explizit von migrantischen und queeren Perspektiven die Rede ist, wird eine neutrale Erklärung für die Arbeiterkinder offenbar gar nicht in Erwägung gezogen.

    • @fly:

      Stammen Arbeiterkinder also nicht aus Migrantenfamilien? Sind Arbeiterkinder also nicht queer? Haben Arbeiterkinder keine Perspektive, außer derjenigen von Arbeiterkindern? Und wenn ja, warum sollte dies genau eine Perspektive sein, nicht aber viele unterschiedliche Perspektiven? Und was soll eine "neutrale" Erklärung sein? Wer soll die liefern? Gott? Dann bliebe als letzte Frage: Welcher Gott?

  • Bei Interviews gibt es 2 Kategorien:



    - eine, bei dem kritische (Nach-)Fragen stattfinden und



    - eine, bei dem einfach nur Stichwortvorlagen geliefert werden.



    Dieses "Interview" gehört in die zweite Kategorie. Ein Dreizeiler hier hätte gereicht.

  • Gleich auf Instagram abonniert. Viel Erfolg!

  • Warum gibt es eigentlich nie, wenn es um Internet-Themen geht einen Link, in diesem Fall zum Channel in der TAZ?

  • ganz ehrlich?



    Ich bin begeistert!



    Und zwar davon, dass wenigstens ein paar Leute aus diesem Bereich (Filterblase ...) angefangen haben zu kapieren, dass ihre (wahrscheinlich) guten Ideen, Ansätze und Forderungen allein schon daran sterben, dass keine Sau versteht, wovon da geredet wird.

    Jetzt noch der nächste Schritt: Wenn du willst, dass ich dich verstehe, dann gibst du mir ein Wörterbuch und sagst ˋlerne meine Sprache ´? Ernsthaft?

    Sowas von arrogant und selbstgefällig - hätte ich als Kolonist in Afrika auch nicht anders gemacht. Und nachher gesagt ˋdu hättest ja lernen können, dann hätte ich bestümmt anders gehandelt ´

    Echt mal: Irgendwelche Worte (er)finden, damit niemandes Befindlichkeit *innerhalb* deiner Kreise beeinträchtigt wird, ist ja nett - aber spätestens, wenn du mit mir reden willst (alt, weiß, männlich, politisch aktiv, Wähler ...) damit ich dein Anliegen wenigstens nicht mehr behindere (was ich gerne tun würde, und mehr, verstünde ich es denn), dann REDE MIT MIR - in eine Sprache, die ich verstehen kann.

    Sonst wirst du das bleiben, was du bist: Ignoriert und unverstanden.



    Und, soweit mich das angeht: Völlig zu Recht.

    wenn du geredet hättest ...



    (Zitat aus weißer, cis-männlicher selbsternannter Hochkultur, google das gefälligst!)

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @uli moll:

      Sehe ich genauso. Diese sterile Sprache ist nichts für mich. Das soll auf Abstand halten - wer die Begriffe definiert, hat ie Macht.



      Ich brauch auch keine Übersetzung, ich verstehe die Intention dahinter auch so - sie gefällt mir nur nicht.

    • @uli moll:

      Und können Sie auch ein Beispiel dafür geben wie eines der fraglichen, theoretischen Konzepte sich in einer für Sie/allgemein verständlichen Sprache ausdrücken ließe, ohne dass dabei das eigentlich Gemeinte bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt wird?



      Klar könnte man etwa statt von Intersektionalität etwa von 'Mehrfachdisriminierung' sprechen und viele Leute hätten vermutlich eine zumindest ungefähre Ahnung davon was gemeint ist. Gleichzeitig wird damit unterschlagen, dass auf ein feststehendes Theoriegebäude Bezug genommen wird, dass eben keine diffuse Idee sonder sehr konkret ausformuliert ist und zu dem etliche Regalmeter an Grundlegung, Diskussionen, Kritik, Verfeinerungen und Ergänzungen existieren.



      Wer komplexe Phänomene wirklich verstehen will wird ohne komplexe Theorien nicht auskommen. Die Dinge weitestmöglich zu vereinfachen bis nur noch vulgärmarxistisches Klasenkampfgebrüll, Nazis-aufs-Maul-Antifaschismus oder Geschlechterkampf-Feminismus übrigbleiben hilft am Ende doch auch niemandem weiter.

      • @Ingo Bernable:

        ach Ingo ...

        könnte ich dies, würde das bedeuten, dass ich die Sache verstanden habe - was, wie ich darlegte, eben nicht der Fall ist, da niemand *mir* einen Ansatz zum Verstehen gibt, sondern sich auf irgendwelche Floskeln zurückzieht, wie du sie grade verwendet hast!



        Und wenn es nur darum geht, ˋkomplexe Phänomene zu verstehen ´ - anstatt offenkundige Missstände zu verändern - dann redet halt weiter am Rest der Welt vorbei, durchdacht und unverständlich außerhalb der eigenen Kreise

      • @Ingo Bernable:

        Es war schon immer Masche des Bildungsbürgertums den Markteintritt des Proletariats durch Herrschaftswissen zu verhindern. Da hilft auch keine Beratungsstelle - egal ob analog oder digital, die ist allenfalls das Feigenblatt.

        • @TazTiz:

          Demnach wäre jede Theorie die nicht holzschnittartig sondern hinreichend kleinteilig und ausdifferenziert versucht Ursachen sozialer Ungleichheit zu analysieren ob ihrer Komplexität Herrschaftswissen und beispielsweise der Marxismus, der poststrukturalistische Feminismus oder die Intersektionalitätsdebatte allesamt Bollwerke der Bourgeoisie gegen das Proletariat???



          Sich etwas Bildung draufzuschaffen schadet auch dem gemeinen Proletarier nicht und schafft überhaupt erst die Grundlage für emanzipatorische Politiken, alles andere läuft auf Populismus hinaus.

  • Es gibt bereits eine hervorragende Enzyklopädie zum angesprochenen Themenkomplex (work in progress):

    "Translations from the Wokish.

    A Plain-Language Encyclopedia of Social Justice Terminology"

    in:



    newdiscourses.com/...s-from-the-wokish/

  • "Wir wollen, dass alle mitreden können, auch außerhalb akademischer Räume."



    Habe gerade mal einen Blick auf den Instagram-Kanal geworfen und hatte nicht den Eindruck aus den dortigen Infos ein auch nur halbwegs fundiertes Wissen über Intersektionalität gewinnen zu können. Möglicherweise wäre da mehr Content zugänglich gewesen wenn ich mir einen Account für das Facebook-Portal Instagram angelegt hätte. Fraglich bleibt dennoch ob die Idee hochgradig komplexe Theoriegebäude in locker konsumierbare Informationsschnipselchen zu verpacken den Diskurs am Ende tatsächlich qualitativ besser macht oder nicht doch eher zu einem völlig verkürzten Buzzword-Dropping führt. Es hat schließlich Gründe, dass die jeweiligen Theorien meist in Form dicker Wälzer daherkommen deren Erschließung nicht nur harte Arbeit ist, sondern auch Vorbildung und Kontextwissen erfordert. Um beispielsweise die Theorie der hegemonialen Diskurse von Laclau und Mouffe zu verstehen sollte man auch mal Gramsci gelesen haben (und Lacan, Schmitt, Foucault ...), um Gramsci zu verstehen braucht es Marx (und Croce,...), für Marx Hegel, für Hegel Platon.



    Was für Blüten der - prinzipiell ja nicht falsche - Ansatz Spezialwissen dessen Aneignung normalerweise Jahre und Jahrzehnte braucht allgemein zugänglich zu machen treiben kann lässt sich an den Debatten zum Umgang mit der Corona-Pandemie bestens beobachten. Da tanken jede Menge Leute ein wenig Fast Food-Wissen via Youtube und Instagram und meinen dann es besser zu wissen als jene Experten die sich schon ihr ganzes Berufsleben ausschließlich diesem einen Spezialgebiet widmen.

  • Einerseits kreiert man eine eigene Sprache, die besser sein soll, als die Sprache der anderen, mit der man suggerieren will, man sei besser als die anderen und mit der man sich von den anderen absetzt. Andererseits will man von den anderen auch verstanden werden und meint ihnen dann die eigene, elitäre Sprache erklären zu müssen, statt sich gleich in einer Sprache auszudrücken, die alle vestehen. Letztlich geht es doch darum, seine scheinbare Überlegenheit zum Ausdruck zu bringen und nicht um Gerechtigkeit oder sowas.

    • @Ruediger:

      Völlig richtig, politisches Hipstertum, versehen mit einem pseudoakademischen Anstrich. War 1968 leider sehr ähnlich. Durch eine völlig sinn- und inhaltslos verkomplizierte Sprache Überlegenheit beanspruchen.

    • @Ruediger:

      Die Kritik daran, dass Fachsprache mitunter auch für Distinktion und Exklusion genutzt wird ist sicher richtig und berechtigt. Die Behauptung "Letztlich geht es doch darum, seine scheinbare Überlegenheit zum Ausdruck zu bringen" überspannt das Argument aber massiv. Fachsprachen gibt es überall wo sich Menschen detaillierter mit einer bestimmten Materie auseinandersetzen, auf dem Bau genauso wie im akademischen Betrieb. Ziel dabei ist eine effiziente und präzise Kommunikation, nicht die Zurschaustellung einer vermeintlichen Überlegenheit.



      Die Idee es ganz einfach möglich "sich gleich in einer Sprache auszudrücken, die alle vestehen" ist absurdes Wunschdenken und der darin enthaltene Gedanke, dass die Dinge eigentlich ja alle ganz einach wären, wenn sie die Akademiker*innen nicht mit hochgestochenem Geschwurbel verbrämen würden ist eigentlich nur noch anti-intellektuelles Ressentiment. Wenn dem so wäre konnte man ja ganz einfach all die Universitäten und Institute schließen, es würde ja vollkommen reichen die Dinge nur einfach genug auszudrücken. Ich würde umgekehrt behaupten, dass sich jeder spezialisierte Diskurs, sei es die Fachtagung einer beliebigen wissenschaftlichen Disziplin oder eben die tiefergehende Auseinandersetzung mit einer politischen Theorie oder Analyse effektiv lahm gelegt wäre, würde man die daran Beteiligten auf allgemeinverständliche Umgangssprache beschränken.

  • Ohne Migrationshintergrund, aus der Arbeiterklasse, mit Abitur, habe ich schon öfter aufgehört, einen Taz-Artikel weiter zu lesen, weil er mit Fremdwörtern gespickt war, die ich hätte nachgucken müssen.



    Hier gleich am Anfang: Content-Produzent = Inhalts-Produzent???



    Da gibt's doch bestimmt ein eindeutigeres Wort ...

    • @claumap:

      Na ja, Ihnen scheint ja auch nichts Eindeutigeres einzufallen.



      Inhalts-Produzenten sind auch die Angestellten einer Konservenfabrik, Content ist aber spezifischer und bezieht sich iA eben auf Inhalte für meist digitale Medien. Wenn man aber anfägt von "Inhaltsherstellern für elektronische Medien" zu schreiben gerät man dann doch in den Bereich des Lächerlichen und ist trotzdem längst noch nicht alle Fremdwörter losgeworden.

      • 1G
        164 (Profil gelöscht)
        @Ingo Bernable:

        Außerdem: kein Mensch spricht von Leuten, die in der Konservenfabrik arbeiten als "Inhalts-Produzenten". Wie wärs mit "Redakteure für digitale Medien"?

        • @164 (Profil gelöscht):

          Content-Marketing (als Ursprung des hier gemeinten, recht eindeutigen "content") wird nicht nur - wenn auch überwiegend - für digitale Medien verwendet. Je nach Zielgruppe kann sich content auch in einer gedruckten Zeitschrift oder einer vor Ort gehaltenen Präsentation wiederfinden.

      • 1G
        164 (Profil gelöscht)
        @Ingo Bernable:

        Nun.. "content" ist auch im Englischen z.B. der Inhalt einer Dose. Also käme das deutsche "Inhalt" wirklich auf's selbe raus. Eigentlich sind die Bedeutungen des englischen Wortes sogar noch vielfältiger sprich uneindeutiger ;-)