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Christian Lindners SteuerpläneSparen sollen die anderen

Jörg Wimalasena
Kommentar von Jörg Wimalasena

Der FDP-Finanzminister kündigt Steuergeschenke für die Klientel seiner Partei an. Hartz-IV-Empfänger und andere Arme gehen dafür wohl leer aus.

Du kriegst nix, scheint Christian Lindner den Hartz-IV-Empfänger:innen zuzurufen Foto: Tobias Schwarz | dpa

C hristian Lindner will die Fehler seines Vorgängers nicht wiederholen. 2009 hatte der damalige FDP-Parteivorsitzende Guido Westerwelle bei der letzten Regierungsbeteiligung der Freien Demokraten das Außenministerium übernommen und das wichtige Finanzministerium der CDU überlassen. Seine Partei konnte nur wenige Vorhaben durchsetzen. Lindner ist nun klug genug, die Foto­shootings vorm Eiffelturm beim Staatsbesuch in Paris Annalena Baerbock und den Grünen zu überlassen.

Stattdessen ist der FDP-Chef nun Herr über viele Geldtöpfe und kann die Fiskalpolitik nach eigenen Vorstellungen gestalten. Und das heißt Steuersenkungen. Um 30 Milliarden Euro will er Bürger und Unternehmen in der aktuellen Legislaturperiode entlasten, sagte Lindner der Bild am Sonntag. Beispielsweise werde man künftig die Beiträge zur Rentenversicherung voll von der Steuer absetzen können. Auch die EEG-Umlage auf den Strompreis werde abgeschafft.

Doch das ist nicht alles. 40 Milliarden Euro sparen Unternehmen nach Berechnungen des DIW-Wirtschaftsinstituts in den kommenden Jahren zusätzlich – mit der „Superabschreibung“ auf Klimaschutz- und Digitalisierungsinvestionen. Ein großzügiges Geldgeschenk für die eigene Unternehmer-Klientel.

Sparen sollen dagegen die anderen. Die Spielräume seien eng, die anderen Kabinettsmitglieder sollen „ihre Vorhaben priorisieren“. Das heißt vermutlich unter anderem: Höhere Hartz-IV-Sätze und eine auskömmliche Kindergrundsicherung könnten dem Rotstift zum Opfer fallen.

Klassische FDP-Klientelpolitik

Der Koalitionsvertrag enthält, wenig überraschend, bei beiden Projekten weder genaue Angaben zur Leistungshöhe noch zu den Kosten. So kann Lindner je nach Kassenlage mit Verweis auf die gute alte „Verantwortung gegenüber der jungen Generation“ alles abbügeln, was ihm fiskalisch nicht in den Kram passt.

Es ist genau die FDP-Klientelpolitik, für die die Partei seit jeher kritisiert wird. In Sachen Bürgerrechte knickt die vermeintliche Freiheitspartei dagegen ein. Er sei, so Lindner, nicht mehr prinzipiell gegen eine Impfpflicht.

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Jörg Wimalasena
Redakteur Inland
bis Januar 2022
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33 Kommentare

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  • Schön, dass wenigstens ein paar Journalisten dem Lindner die Steuersenkung abnehmen und sei es, um darüber zu schimpfen. Tatsächlich kündigt Lindner nur Dinge an, die lange vorher beschlossen. Gleiche Pseudopolitik erleben wir gerade bei Habecks Zetern über die vermeintliche Nachhaltigkeit von Kernenergie. Beides nur Theaterdonner für die eigenen Wähler, Lindner wird die Steuern in dieser Regierung senken, Habeck wird kein einziges Kernkraftwerk verhindern oder abschalten.

    • @TazTiz:

      Die Regierung ist nen Monat im Amt und schon sind die Dinge schon "lange vorher beschlossen". ROFL

      Ist da sonne Art göttliche Fügung am Werk. Ist unser aller Zukunft bereits beschlossen?

      • @Rudolf Fissner:

        Die Änderung bei der Besteuerung von Rentenbeiträgen geht auf ein Gerichtsurteil zurück und wurde schon von der Vorgängerregierung beschlossen. Herr Lindner ändert nur den Zeitplan geringfügig...

  • Mit Kanzler Scholz bleibt die SPD also genauso "sozial" wie schon unter Schröder. Während der Kanzlerschaft Gerhard Schröders (1998 bis 2005) setzte Olaf Scholz sich für dessen Reformpolitik ein und wurde dem Kreis der „Schröderianer“ zugerechnet. Weshalb sollte Scholz jetzt also soziale Politik machen, wo er doch die FDP als Sündenbock hat, der man dann alles Unsoziale in die Schuhe schieben kann? Das Problem ist auch gar nicht die FDP, denn die FDP macht die Politik die man von ihr erwartet - 'Politik für reiche Menschen'. Das Problem ist die SPD, die vor dem Wahlkampf auf "sozial" gemacht hat, und sich jetzt an nichts mehr erinnern kann. Wo ist eigentlich Kevin Kühnert abgeblieben? Ach ja, dem hat man ja den Posten des Generalsekretärs der SPD gegeben, und schon ist er ruhig und kann sich anscheinend auch nicht mehr an das "S" in SPD erinnern.

    Die "Hartzer" sollen sich auch mal nicht so aufregen, denn die haben doch jetzt 3 Euro Erhöhung im Monat bekommen. Davon können sie sich dann drei Tafeln Schokolade als Nervennahrung kaufen, und die dann essen, wenn mal wieder ein SPD'ler von sozialer Gerechtigkeit in diesem Land schwadroniert.

  • Dass Christian Lindner €40 Mrd. für Unternehmen locker macht und damit dieser Regierung seinen Stempel aufdrückt, wer hätte das gedacht, ja, freilich, ich hätte es, genauso erwartet.

    Willkommen in einem Mehrparteiensystem: Wenn es keine klaren Mehrheiten mehr geben kann, wenn eine Rot-Grüne oder Rot-Rot-Grüne Regierung keine Chance mehr hat, dann kommt eben genau das dann dabei heraus: Kleine Parteien drücken durch, wofür sonst CDU/CSU und FDP erforderlich gewesen wären. Die FDP benötigt CDU und CSU nicht mehr.

    Dass hier eine angeblich progressive Klimapolitik zu einem Beutesäckel der Superreichen, etwa von fünf oder zehn Prozent der Bevölkerung wird, es ist für mich genau das Zeichen, dass dieses neue Mehrparteiensystem echt Mist ist.

    Diese Regierung verköpert geradezu, dass eine Minderheit die Mehrheit auf der Nase rumtanzt und Politstrategen und Marketing-Fachleute dieses uns als Aufbruch, als neue Politik verkaufen wollen.

    Tatsächlich wäre eine Schwarz-Gelb-Grüne Regierung wohl ganz ähnlich angekommen. Was wäre da eigentlich wirklich anders geworden? Wären es €50 Mrd. geworden? Vielleicht.

    Dass Wählen Sinn macht, dies widerlegt diese Regierung sehr gekonnt. Wer nicht AfD und / oder Links wählt, der erhält wohl immer die gleiche Kost.

    Wo sind die Mrd. EURO für Jugendliche, für Arme, für Rentner, für Flüchtlinge, für die Bildung, für Sport, für die Infrastruktur oder für den Wohnungsbau? Wo bleiben die normalen Leute? Wo bleibt der Durchschnitt? Die Menschen, die täglich 8 Stunden arbeiten, Steuern zahlen und mit ihrem Konsum die Wirtschaft antreiben - wo bleiben sie?

    • @Andreas_2020:

      So funktioniert das System nunmal. Man muss auch mit unliebsamen Parteien vorlieb nehmen, wenn es keine anderen Mehrheiten gibt.



      Bei Grünen- und SPD-Themen wird es genauso. Man kann halt nicht mehr einfach der Union den Stempel aufdrücken, sondern muss eben differieren. Das scheinen die Deutschen aber verlernt zu haben.

    • @Andreas_2020:

      Auf der Strecke.

  • Ist doch prima für Olaf Scholz, da braucht er sich gar nicht erst um die Einhaltung seines Versprechens für sozial gerechte Politik zu bemühen, und: er schweigt sich aus dazu. Der eigentliche Kanzler ist ja nun der mit dem Daumen auf dem Geldhahn. Sozialdemoktrat = Sozialverräter, das ist ja nicht einmal neu, aber manche WählerInnen lassen sich eben immer noch ganz gerne täuschen.

  • Zukünftige Rentner (also heutige Rentenbeitragspunktekäufer) sind also "FDP-Klientel". Als Boomer habe ich dabei das Alterseinkünftegesetz von Gerhard Schröder (SPD) im Hinterkopf. Und DER hat Klientel-Politik gemacht und von Jung (kein Wahlrecht/keine SPD-Wählende) nach Alt umgeschichtet. Das hat jetzt das BVerfG beendet und die steuerliche Absetzbarkeit der vollen Rentenbeiträge gefordert.

    Davon profitiert jeder Sozialversicherungsbeitragszahlende.

  • Änderungen im EEG und in der Rentenbesteuerung sind beide von der GroKo begonnen/beschlossen worden und zumindest bei der Renten-Sache ist da auch ein BVerfG-Urteil der Hintergrund. Und daß Klimaschutz- und Digitalisierungsinvestitionen begünstigt werden sollen (wie es auch im Koalitionsvertrag stand) ist jetzt überraschend und schlecht?

    Vorschlag zur Güte: macht einfach bis zur nächsten Wahl einen Laufschrift-Banner auf die Webseite"nicht vergessen: FDP schlecht, Lindner doof!", damit wäre die Essenz solcher Artikel eingefangen.

    • 0G
      05989 (Profil gelöscht)
      @Wurstprofessor:

      EEG und Rente hat die Groko noch beschlossen, weil die SPD sich Wahlkampf-Credibility erhoffte und die CDU hat mitgemacht, weil ihnen ihre Klientel von der Fahne ging...

      Da sie ein wenig spät mit Erkenntnis und Umsetzung dran waren, realisierten sich die damit verbundenen Hoffnungen nicht. Dennoch sind beides unausgegorene Verzweiflungstaten.

      Was die FDP hingegen macht, ist Programm. Und man kann nicht oft genug betonen und erneut begründen, dass unter dem libertären Deckmäntelchen ein marktradikaler Teufel sein Unwesen treibt.

      Die permanente Warnung vor der FDP ist ein Dienst an Demokratie und Vaterland!

  • Was findet denn die FDP und die FDP-Wähler:innen eigentlich so toll daran, dass Reiche und sehr Wohlhabenden s.g. Leistungsträger:innen und ihre Erb:innen von Verantwortung für soziale und ökologische Stabilität und Nachhaltigkeit befreit werden sollen?!



    Ich verstehe es einfach nicht.

    • @Nilsson Samuelsson:

      Ist doch ganz einfach. Viele FDP Wähler zählen sich zur Gruppe der Begünstigten.

      Und da sind noch die ideologisch Verblendeten. Die haben zwar selbst Schaden, glauben aber fest daran, dass Steuern eine Erfindung des Teufels sind.

      • 0G
        05989 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        Nein - sie hoffen in naher Zukunft zu den Begünstigten zu gehören. Sie sind leider nicht klug genug, um zu erkennen, dass ebenjene Maßnahmen ersonnen wurden, um den Aufstieg in diese Sphären des Wohlstandes zu unterbinden.

        • @05989 (Profil gelöscht):

          Da ist was dran :-)

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Stimmt. Einer meiner früheren Studiumsfreunde: kommt aus armen Verhältnissen, nutzt die öffentliche Bildungsinfrastruktur, wird "Steueranwalt" für Vermögende (Auslandssachen) und macht's heute auf eigene Rechnung (Selbständigkeit) 🤦

  • Seit wann wird Hartz IV denn besteuert? Da würden Steuersenkungen nichts bringen.

    • @Frank Stippel:

      Mehrwertsteuersenkungen insbesondere auf Obst und Gemüse schon. Oder haben Sie schon mal ein Jahr lang versucht von 5,09 € Frühstück, Mittagessen und Abendbrot nach den Regeln der DGE mit 5,09 € umzusetzen?

      • @Jonas Goldstein:

        Das Kilo Äpfel kostet z.Z. ungefähr 2,99€. Wenn jetzt die Steuer von 7% auf 5% gesenkt wird, führt das zu einer spürbaren Entlastung? Eher nicht.

        • 0G
          05989 (Profil gelöscht)
          @warum_denkt_keiner_nach?:

          Na klar - mit der Begründung, dass das kleine Geschenk den Kohl nicht fett macht, gibt es seit Jahrzehnten vorsichtshalber gar nichts mehr...

          Und dann wundert sich sich die Mittelschicht, wieso sie die Mieten nicht mehr bezahlen kann... aber natürlich lohnen sich 2% auf Obst und Gemüse nicht..

          Auch 2% auf Heizkosten lohnen sich ja nicht, so hoch wie die sind...

          2% auf Lehrmittel lohnen sich nicht... 2% auf ÖPNV-Tickets lohnen sich nicht...

          Warum werden die Löhne denn überhaupt um 2% erhöht, wenn sich das doch gar nicht lohnt?

          Wenn's nicht mindestens die Ackermann'schen 25% sind, rühren wir keinen Finger... für niemanden.

          • @05989 (Profil gelöscht):

            Ich wollte nur deutlich machen, dass über die Mehrwertsteuer für Nahrungsmittel wenig geht. Richtig wären ordentliche Regelsätze. Dann kommt das Geld auch direkt dort an, wo es gebraucht wird.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Richtig. Das ist Augenwischerei und Feigenblatt-Politik, d.h. die Armen werden gleich einmal mitschuldig an der Senkung des Gesamtsteueraufkommens gemacht.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Auf Obst und Gemüse sollte die Mehrwertsteuer ganz entfallen. Und 7% sind spürbar bei Leuten, die jeden Cent umdrehen müssen!

          • @Jonas Goldstein:

            Statt mit Steuern rumzuspielen, muss man das Geld gezielt dorthin geben, wo es gebraucht wird. Also Regelsätze und Mindestlohn hoch.

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              Stimmt, das sollte noch zusätzlich bzw. zuerst geshehen. Das wird aber die FDP nicht mitmachen. Bleiben also nur die Steuersätze. Und wenn schon Steuersätze dann so, das wenisgtens auch die unteren (Transfer-)Einkommensschichten etwas profitieren.

              • @Jonas Goldstein:

                So an den Steuersätzen zu schrauben, wird aber die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnen.

  • Wenn die Rente versteuert wird, müssen die Beiträge von der Steuer befreit werden. Das ist nicht mehr als gerecht und keine Klientelpolitik. Hier ist der Artikel etwas politisch eingefärbt, vorsichtig formuliert. Klimaschutz und Digitalisierung zu fördern sind staatspolitisch sinnvolle Ziele. Die einen (Linken) bevorzugen Verbote, Gängelung und Zwang, weil das in der DDR so toll funktioniert hat, und die anderen finanzielle Anreize, weil es die DDR ja trotz grandioser wirtschaftlicher Erfolge überraschenderweise nicht mehr gibt.

    • @Fünfpluseins:

      Was hat die DDR mit dem Artikel zu tun? Ach ja. Nichts.

    • @Fünfpluseins:

      Wo tut denn Herr Lindner steuerpolitisch etwas für den Klimaschutz? Die Superabschreibung ist doch eher eine Luftnummer und wird zukünftige Generationen doppelt belasten. Zum einen wird in keiner Weise ausreichend klimapolitisch gehandelt und gleichzeitig wird noch die Staatsverschuldung von der FDP mit dieser Klientelpolitik vorangetrieben.

      • @Jonas Goldstein:

        Kann Ihnen nur zustimmen.

    • @Fünfpluseins:

      Wußten Sie eigentlich, daß Christian Linder als Unternehmer grandios gescheitert ist - unter Mitnahme eines Porsche und zu Lasten der Allgemeinheit natürlich?

    • @Fünfpluseins:

      Vor allem ist es eine Vorgabe des



      Bundesfinanzgerichtshof und



      wurde bereits durch den alten



      Finanzminister vorbereitet.

  • Quelle surprise.