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China und Indien versus G7Die wahren Gipfel-Gegner

China und Indien unterlaufen die Sanktionen und kaufen Russland so viel Öl ab wie nie zuvor. Das führt auch zu Streit unter den G7.

In diesem Kreis ist Wladimir Putin kein Außenseiter: Treffen der Brics-Staaten am Donnerstag Foto: Li Tao/Xinhua via AP

Garmisch taz | Was den Krieg in der Ukraine betrifft, sind sich die G7-Regierungschefs in den Grundsätzen einig: Russland ist der Aggressor. Die sieben Regierungschefs der größten Industrieländer wollen Russland wegen seines Angriffskriegs gegen die Ukraine mit noch mehr Sanktionen bestrafen.

Kurz nach seiner Ankunft im bayerischen Elmau zum Treffen der sieben mächtigsten Industrieländer verkündete US-Präsident Joe Biden ein Importverbot für russisches Gold. Damit würden Russland Dutzende Milliarden Dollar Einnahmen aus diesem wichtigen Exportgut wegbrechen, schrieb Biden bei Twitter. Mit einer deutlichen Drosselung von russischen Ölimporten haben die G7 und die meisten westlichen Staaten bereits harte Sanktionen gegen Moskau verhängt.

Doch im Detail ist es komplizierter. Zwei besonders große Player unterlaufen die westlichen Sanktionen und machen sie zumindest aktuell wirkungslos: China und Indien. Beide Staaten nutzen die günstigeren Preise von russischem Öl und importieren davon so viel wie noch nie. Russland ist damit sogar zum größten Öllieferanten der Chinesen aufgestiegen, noch vor Saudi-Arabien. Indien legt dazu auch einen strategischen Spagat hin: Premierminister Narendra Modi ist am Montag Gast beim G7 in Elmau.

Die USA betrachten argwöhnisch, wie China, die westlichen Sanktionen unterläuft und würden auch nicht davor zurück scheuen, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt dafür hart anzugehen. Beide Länder liefern sich ohnehin einen Handelskrieg.

Bundesregierung setzt China auf die Agenda

In Peking wird die Welt zunehmend aus dieser Brille – und der ideologischen Ablehnung des Westens – gesehen.

Mikko Huotari, Direktor des Mercator Instituts für Chinastudien

Die Bundesregierung hingegen hatte vor Beginn des Gipfels zwar angekündigt, China auf die Gipfel-Agenda zu setzen, zugleich aber angedeutet, einen weniger konfrontativen Umgang finden zu wollen. China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner, kein westliches Industrieland pflegt trotz Chinas aggressiver Außenpolitik so enge Wirtschaftsbeziehungen mit dem Riesenreich wie die Deutschen. Die Frage des Umgangs mit China könnte auf dem Gipfel also durchaus an Schärfe gewinnen.

Dazu passt, dass am Donnerstag der chinesische Staatschef Xi Jinping zu einem digitalen Gipfel der Brics-Staaten, aus den fünf aufsteigenden Schwellenländern Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika geladen hatte. Das virtuell gehaltene Treffen ließ sich als Gegengipfel zum G7 verstehen. Xi kritisierte dort erneut die westlichen Sanktionen gegen Russland. „Die Fakten haben wieder einmal bewiesen, dass Sanktionen ein zweischneidiges Schwert sind.“ Und er machte beim Brics-Treffen klar: In diesem Kreis ist Putin kein Paria. Brasilien, Indien, China und Südafrika wollen sich auch weiterhin nicht an den Sanktionen gegen Russland beteiligen.

Multialerale Lösungen

Den Vorstoß der Bundesregierung, beim G7 auf weniger Konfrontation zu China zu setzen, hält der Ostasien-Experte Eberhard Sandschneider „in der Sache für richtig“. Lösungen auf globaler Ebene, insbesondere Probleme wie etwa der Klimaschutz oder Handelsregeln, ließen sich multilateral besser lösen, sagt der Politikwissenschaftler. Das sei kostengünstiger für alle Beteiligten. Im Augenblick zeigten die machtpolitischen Zeichen in eine andere Richtung, erklärt Sandschneider hingegen ernüchtert. „Ich sehe nicht, dass der deutsche Bundeskanzler stark genug ist, diesem Trend im Augenblick etwas entgegenzusetzen.“

Dennis Snower, Präsident der Global Solutions Initiative, eines Netzwerks von Denkfabriken, ist geradezu alarmiert und warnt vor einer tieferen Blockbildung. „Momentan sind diese beiden Blöcke nur politisch zweitgeteilt“, sagt Snower. Sollte es auch wirtschaftlich zu einer Zweiteilung kommen, wachse die Kriegsgefahr enorm. „Der Westen sollte alles dafür tun, es dazu nicht kommen zu lassen.“

Andere Fachleute sehen den Zug bereits abgefahren. „Die Bundesregierung muss den neuen Realitäten kühl ins Auge blicken“, sagt Mikko Huotari, Direktor des Mercator Instituts für Chinastudien (MERICS). Auch wenn Blockbildung nicht im Interesse Europas sei, verstärke sich die Bipolarität der Welt – wirtschaftlich und sicherheitspolitisch – betrieben von chinesischer Seite, so der China-Experte. „In Peking wird die Welt zunehmend aus dieser Brille – und der ideologischen Ablehnung des Westens – gesehen.“

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19 Kommentare

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  • Indien ist allerdings auch Kontrahent von China, wegen Grenzstreitigkeiten die gelegentlich schon in der Nähe einer kriegerischen Eskalation waren. Dass sich die ganze Welt in 2 große Blöcke unterteilt ist eher unwahrscheinlich. Der sogenannte Westen ist von daher langfristig in einer guten Position, da es hier untereinander einen Zusammenhalt gibt, der außerhalb der westlichen Welt so nicht zu finden ist.



    Auch deshalb ist das Agieren von Russland naiv, ein großer Block, wie der kommunistische Block zu Zeiten des kalten Krieges, contra NATo bzw. den Westen ist auf absehbare Zeit nicht möglich. Alleine schon bei den 5 BRICS-Staaten hat man im Prinzip 5x ein anderes politisches System und 5x unterschiedliche Interessen und auch das Verhältnis zum Westen ist nicht immer gleich. Wegen dem Konflikt mit China hat Indien ja in den letzten Jahren vermehrt die Nähe zum Westen gesucht. Und Russland fällt bei seinen öffentlich geäußerten Träumereien über eine wachsende Macht der BRICS-Staaten damit auf, dass es den Konflikt China-Indien mit keiner Silbe erwähnt.

  • Ist doch schön: Nach der Auflösung der UdSSR endlich wieder zwei Imperien, die um die Weltherrschaft konkurrieren.



    Konkurrenz beflügelt Innovation, sorgt für ein besseres Angebot bei sinkenden Preisen und schafft Arbeitsplätze und Wohlstand!

    Bin gespannt wie (bzw. ob) wir reagieren wenn unser enger Partner Erdogan nach seinem Einmarsch in den Irak sich demnächst noch einen größeren Happen Syriens einverleibt. Und wie Von der Leyen die Autokraten in den eigenen Reihen wieder zu Demokraten machen kann.



    Und wie wir mit dem kommenden Trump II umgehen werden - so ganz ohne Kriege und Putsche wird God's own Country den Posten als Leader of the World weder mit China noch mit der EU teilen wollen.

  • Ich verstehe die Aufregung nicht. Es war doch klar, dass Indien und China die Kapazitäten mittelfristig übernehmen wenn Europa aussteigt. Der zu zahlende Preis wird aber wahrscheinlich deutlich niedriger sein da Russland ja keine andere Optionen mehr hat. Das der globale Süden bei den Sanktionen nicht mitmacht war doch sowieso klar. Die sind genausowenig solidarisch wie wir sonst auch. Das ist ja nun wirklich keine Überraschung.

  • Man sollte vielleiht hinzufügen dass nicht nur die Ölimporte Indiens, sonern auch die Exporte von z.B. Diesel nach Europa (via Rotterdam) stark angestiegen sind. Die Inder kaufen also billiges russisches Öl, veerarbeiten es etwas, und verkaufen das Produkt teuer nach Europa. Wie war das nochmal mit den Sabktionen gegen Russland???

  • Dieses Herumlavieren und Buhlen um die Gunst von Indien und China führt doch nur weiter in den Schlamassel.

  • Der Deutschlandfunk zieht den Schluss, dass Rohstoff-Sanktionen gegen Russland gescheitert sind, weil Russland trotz reduzierter Gaslieferungen (40 Prozent) nach Deutschland fast doppelt so viel - die höheren Preise sind der Grund - verdient, wie vor dem Krieg. Im Vergleich zu einer zuvor 100-prozentigen Lieferung von Gas aus Russland nach Deutschland.



    Inflation und weniger Heizen treffen fast alle in Deutschland.



    China, Indien und weitere Länder tragen die Sanktionen nicht mit, was die Einnahmen aus Gas, Öl für Russland noch steigert. Griechenland transportiert mit Tankern Öl von Russland in die Länder, die sich nicht an Sanktionen beteiligen.



    Habeck befürwortet Fracking-Gas aus den USA und mehr Kohleverbrennung, ein No-Go vor dem Krieg. Ganze Landstriche in den USA werden kaputtgefrackt!



    Keine Debatte zu dieser Umweltsauerei bei den Grünen und den Bürgern!



    Der Deutschlandfunk fordert die Öffnung von Nord Stream II und kein F-Gas aus den USA.



    Wäre diese Maßnahme gegen die unbehinderte Belieferung des Globalen Südens mit ukrainischen Weizen nicht ein guter Deal, zumal Deutschland die Milliarden, die es beim erhöhten Gasimport aus Russland sparen könnte, in die militärische Unterstützung der Ukraine stecken könnte?



    Millionen hungernder Menschen in Afrika, dem Nahen Osten und anderen Ländern würden es danken.



    Dass hierzu keine Debatte stattfindet, wird kein Vater oder Mutter eines verhungernden Menschen verstehen. Umgekehrt wird kein Ukrainer eine Wende bei Sanktionen gegen Russland verstehen. Ein Teufelsdilemma.

    Deutschland importiert zurzeit riesige Mengen an Viehfutter aus der Ukraine, um Tiere in Deutschland zu ernähren. Wenn die Sanktionen nicht aufgehoben werden, wäre es eine Pflicht, die Zug-Transportkapazitäten der deutschen Landwirtschaft den Armen dieser Welt zugutekommen zu lassen. Wir würden lediglich teurere Lebensmittel bezahlen.

    www.deutschlandfunk.de

  • Die Brics-Staaten sind Innovationsmuffel. Sie generieren nur wenig eigene Nachfrage nach neuen Konsumgütern, was die Basis für Wirtschaftswachstum ist. So scheint es mir zumindest. Der Westen ist immer noch Konsumvorbild. Ergo ist eine wirtschaftliche Abtrennung vom Westen zweischneidig. Aber wenn sie es so wollen… ich bin überzeugt, wir überleben auch ohne Produktion in den fast allesamt menschenrechtfeindlichen asiatischen Ländern. Und von Brasilien braucht man nur einen intakten Regenwald. Kraftfutter aus Soja für die Schweine, die nach China exportiert werden ohne hier den Bauen zu Wohlstand zu verhelfen, kann man sich auch sparen. Hört mal auf, die ganzen Leute zu füttern und ab Wandel durch Handel und solche Sachen zu glauben. Wir haben zwar das selbe Klimasystem, doch so keiner kann uns zwingen, künftig diesen Staaten bei der Bewältigung sicherlich auftretender Katastrophen zu helfen. Hier haben wir relativ Glück mit dem Klimawandel, so dass ich dies einigermaßen gelassen sehe.



    Es gäbe natürlich eine andere Option, auf eine viel bessere Welt. Diese erfordert allerdings, dass diese hässlichen Staatsführungen Grenzen anderer Länder respektieren.

    • @sachmah:

      "Die Brics-Staaten sind Innovationsmuffel. Sie generieren nur wenig eigene Nachfrage nach neuen Konsumgütern, was die Basis für Wirtschaftswachstum ist."

      Ist ist scheinbar jemanden entgangen, was das C in BRICS bedeutet.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Nein, stand erst neulich im Handelsblatt oder bei Tagesschau, dass eine Entfernung vom Westen China hart treffen würde, da die Binnennachfrage für Schnickschnack äh Hightech-Produkte, sowie der begrenzte Markt in Schwelle- und Entwicklungsländern überhaupt nicht ausreichen würde, die chinesischen Kapazitäten so zu fordern, dass das Wachstum weitergeht. Ob das Wachstum sinnvoll ist oder nicht sei mal dahingestellt.

  • Wiederholung meines Kommentars von Mittwoch :



    Als es noch genug zu verteilen gab, war es praktisch, den Claim jeweils abzustecken. Aber in Zeiten, wo sich die Kräfte verschieben, Indien, Rußland und insbsondere China erkannt haben, wie sie den einstmals Mächtigen beikommen können, wird die Luft dünner, die westlichen Regierungen sind schwächer innen wie nach außen und so wird Elmau statt einer Übereinkunft eher ein gegenseitiges Belauern, einig eher gegenüber Rußland und ratlos gegenüber China (das aber auch nicht mehr ohne 'westliche' Handelspartner auskommt, weil die Inlandsnachfrage nicht mit dem Angebot harmoniert und in der so durch China geförderte dritten Welt nur noch begrenzte Ressourcen verfügbar sind).

  • "betrieben von chinesischer Seite, so der China-Experte"



    Nun bin ich mir nicht sicher, dass dem Experten auch nicht entgangen ist, dass der Konflikt mit China (und auch der mit Russland) nicht wenig von amerikanischer Seite angeheizt wird; keiner der BRICS-Staaten ist unwillig, die wirtschaftlichen Beziehungen mit Deutschland zu pflegen, der Druck, sich zu distanzieren, kommt aus Washington; vielleicht sollten wir uns daran erinnern, dass Deutschland ein souveränder Staat ist, der auch im Außenhandel seine eigenen Interessen vertreten kann und soll - zur Not auch gegen eine USA, die ihren schwindenden Einfluss auf Kosten der Europäer wieder auszubauen versucht.

    • @O.F.:

      China hat seine imperalistische Politik schon lange vor Trump gestartet.



      Trump war nur der erste, der die Gefahr in seiner ganzen Größe erkannt hatte.

      Das vergisst man leicht.

      • @Sonntagssegler:

        Die USA haben ihre imperialistische Politik schon lange vor China gestartet. Warum sonst haben sie die höchsten Rüstungsausgaben, über 800 Militärbasen über die ganze Welt verstreut sowie etliche völkerrechtswidrige Kriege angezettelt ("und bist du nicht willig...")?

        • @resto:

          "Warum sonst haben sie die höchsten Rüstungsausgaben"



          Weil Sie die stärkste Volkswirtschaft sind. Wer mehr Geld hat kann auch mehr ausgeben.



          Russland hat zuletzt im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung mehr ausgegeben als die USA. Dass es in absoluten Zahlen so viel niedriger ist liegt schlichtweg daran, dass die russische Wirtschaft im Vergleich zur amerikanischen Wirtschaft ein Winzling ist.

      • @Sonntagssegler:

        Helmut Schmidt und andere haben schon lang vorher gewarnt als der orangene. Jeder bei Verstand kannte und kennt die Gefahr. Tibet ist schon lang einkassiert worden. Das massaker vom Platz des himmlischen Friedens kennt jeder, der nicht gerade in China lebt. Doch u.a. der amerikanische Konsument war froh über die chinesische Billigproduktion, die das ganze Blingbling der letzten Jahrzehnte in dem irren Ausmaß erst ermöglichte. Im übrigen hat man gleichzeitig jedoch China wie Russland versucht, möglichst einzudämmen, über Allianzen etc.. Also ein bisschen einpferchen und Wandel durch Handel versuchen. Lang lang vor Trump. Die eigene Gier hat die falschen Leute dann allerdings zu groß werden lassen.

    • @O.F.:

      Durchaus. Im Blick sollte man aber auch behalten, dass der Russe gerade expandiert. Und üble Regime unterstützt, und Zwietracht sät, und Ziele hat, welche so garnichts mit Freiheit und Mitbestimmung beherrschter Völker zu tun haben.

    • @O.F.:

      Druck sich zu distanzieren kommt zwar aus Washington, das heißt aber nicht, dass aus China kein Druck kommt, Deutschlands Wirtschaft nachhaltig zu schädigen.