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CDU nach der WahlMerz und die Scheinriesen

Die CDU steht in Sachsen und Thüringen vor schwierigen Koalitionsverhandlungen, die an den Kern ihrer Identität gehen könnten.

Sehen so Sieger aus? CDU Vorsitzender Merz (l-r) gratuliert Sachsens Michael Kretschmer und Thüringens Mario Voigt Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Friedrich Merz macht an diesem Montagmittag in der Berliner Parteizentrale das, was ein CDU-Parteichef nach Landtagswahlen so macht: Er gratuliert den beiden Spitzenkandidaten, Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und dem Thüringer Landeschef Mario Voigt, „sehr herzlich zu diesem Wahlergebnis“ unter schwierigen Bedingungen. Merz betont, das Ergebnis der AfD und die Tatsache, dass eine gesichert rechtsextreme Partei erstmals in einem deutschen Landtag auf Platz eins gewählt wurde, mache nachdenklich.

Doch dann ist er schnell bei der Bundesregierung, die schuld an der Misere sei. Die Ampelregierung: „ein totales Fiasko“. Das zentrale Problem: „der Zuwanderungsdruck“. Notwendig seien Zurückweisung von Geflüchteten an der deutschen Grenze. Auch Kretschmer, der danach spricht, ist fix bei seiner Forderung nach einer Obergrenze von 30.000 Geflüchteten jährlich. Selbstkritisches mit Blick auf die hohen Ergebnisse der AfD? Fehlanzeige.

Doch anders, als Merz suggeriert: Der klassische Wahlsieger ist die CDU nicht, auch wenn sie künftig möglicherweise nicht nur in Sachsen, sondern auch in Thüringen den Ministerpräsidenten stellen wird und in beiden Ländern in etwa ihr Wahlergebnis von vor fünf Jahren halten konnte.

Wahlsieger sind die Populisten. Die rechtsextreme AfD, die in Thüringen deutlich vor und in Sachsen nur knapp hinter der CDU liegt. Und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das aus dem Stand zweistellig – und zum Schlüsselfaktor bei der Koalitionsbildung in beiden Bundesländern geworden ist.

Die CDU ist eher eine Art Scheinriese, der nicht unbedingt aus Überzeugung gewählt worden ist. Sein Erfolg hängt zu einem gehörigen Teil davon ab, dass die Wäh­le­r*in­nen einen zu großen Einfluss der AfD verhindern wollten. Das jedenfalls hat etwas mehr als die Hälfte von ihnen als Grund für die eigene Entscheidung in Nachwahlbefragungen so angegeben.

Weniger Kompetenz zugetraut

Auch die Kompetenzzuschreibungen für die Christ­de­mo­kra­t*in­nen haben im Vergleich zu vor fünf Jahren auch in Schlüsselbereichen wie Wirtschaft und Sicherheit abgenommen; beim Thema Asyl- und Flüchtlingspolitik liegt die AfD laut Infratest dimap sogar deutlich vor der CDU. Was durchaus Anlass für selbstkritisches Nachdenken sein könnte.

Besonders Kretschmer hat im Wahlkampf darauf gesetzt, die Wahl rechts der Mitte zu gewinnen – dazu hat er scharf gegen die Ampel und vor allem die Grünen polemisiert und drastische Verschärfungen in der Migrationspolitik gefordert, die sich im Sound mitunter kaum von der AfD unterschieden. Hinzu kamen seine Forderungen nach Friedensverhandlungen mit Russland und Kürzungen bei den Waffenlieferungen an die Ukraine.

Funktioniert hat das nicht. Die CDU, das zeigen Wählerwanderungen, hat Zehntausende Wäh­le­r*in­nen an AfD und BSW verloren, gerettet haben Kretschmer die Stimmen von ehemaligen Grünen-, SPD- und Linken-Wähler*innen, auch konnte er einen Teil derer mobilisieren, die beim letzten Mal nicht zur Wahl gegangen sind.

Eine der Folgen: In Sachsen hat die Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen keine Mehrheit mehr. Zwar wollte Kretschmer die Koalition mit den Grünen ohnehin nicht fortsetzen, wie er im Wahlkampf nicht müde wurde zu betonen, aber möglicherweise wird er sie irgendwann vermissen.

Denn stattdessen ist er jetzt – wie auch sein Kollege Voigt in Thüringen – von Sahra Wagenknecht abhängig, die schon vor der Wahl Forderungen für eine Zusammenarbeit formuliert hat, über die zwar nicht in den Landtagen in Dresden oder Erfurt entschieden wird, die aber an den Kern der CDU-Identität gehen: die Westbindung Deutschlands.

Die CDU steht nun in beiden Ländern vor sehr schwierigen Verhandlungen. Dass für sie eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen ist, betonen Kretschmer und Voigt im Konrad-Adenauer-Haus noch einmal.

Beide machen auch klar, dass sie die neuen Regierungen anführen wollen. Aber wie es zu diesen kommen soll – da werden sie schmallippig. „Das wird nicht leicht, das geht nicht schnell“, sagt Kretschmer. „Wir werden ausloten, welche Lösungen unter den schwierigen Rahmenbedingungen möglich sind“, sagt Voigt. Beide wollen „Gespräche führen“, zunächst mit der SPD, dann mit dem BSW.

Eine Stimme fehlt

In Sachsen läuft es – zumindest rein rechnerisch – auf ein Bündnis mit BSW und SPD hinaus. In Thüringen ist die Lage noch komplizierter, dort reicht ein solches Dreierbündnis nicht einmal mehr aus: Einer Koalition aus CDU, BSW und SPD fehlt im neuen Landtag eine Stimme zur Mehrheit.

Die kann eigentlich nur von der Linken kommen. Nur gibt es da diesen Unvereinbarkeitsbeschluss, den die CDU 2018 auf ihrem Bundesparteitag verabschiedet hat – für die AfD, aber eben auch für die Linkspartei. Die Thüringer CDU-Fraktion hat den zweiten Teil allerdings bereits großzügig umgangen, als sie jahrelang die rot-rot-grüne Minderheitskoalition von Ministerpräsident Bodo Ramelow toleriert hat, auch wenn das so nicht heißen durfte. „Der Beschluss gilt“, sagt Merz. Damit umzugehen sei Aufgabe der Landesverbände. Was sich so anhört, als hätte Voigt in Thüringen weiterhin eine gewisse Beinfreiheit.

Aber zunächst müssen der Thüringer und der Sachse sich erst einmal mit dem BSW einig werden. Dabei will Namensgeberin Sahra Wagenknecht vielleicht gar nicht regieren, weil es sich aus der Opposition heraus besser Bundestagswahlkampf machen lässt. Sie hat Forderungen formuliert, die die zentralen Werte der CDU in Frage stellen.

Sie will Friedensverhandlungen mit Russland. Und keine Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland. Auch von der Nato hält Wagenknecht bekanntlich nicht viel. „Eine Zusammenarbeit bedeutet nicht, dass man die eigenen Überzeugungen aufgibt“, sagt Kretschmer dazu auf Nachfrage. Wie diese unterschiedlichen Überzeugungen in einer Koalition ganz praktisch gelöst werden könnten, dazu sagt er nichts. Ohnehin ist ihm und auch Voigt eine gewisse Ratlosigkeit anzumerken.

Für die CDU birgt die Zusammenarbeit mit BSW und Linken eine gewaltige Sprengkraft. Während manche, wie der ehemalige Generalsekretär Mario Czaja, nun fordern, den Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linken aufzuheben, schreibt etwa der frühere Geschäftsführer der Mittelstandvereinigung Thorsten Alsleben, der eng mit Czajas Nachfolger Carsten Linnemann verdrahtet ist, auf X: „Eine Koalition der CDU-Thüringen mit zwei SED-Erben- und Pro-Putin-Parteien wäre absoluter Irrsinn, parteischädigend für die Bundes-CDU. Dieses Opfer ist Thüringen nicht wert.“ Der CDU stehen aufreibende Auseinandersetzungen bevor.

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28 Kommentare

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  • Schuld am Debakel ist nicht die Regierung sondern die Union besonders in Person von Herrn Merz selbst. Ließ es doch keine Keine noch so miese Gelegenheit aus Stimmung zu schüren. Ich denke der Spitznahme Flüchtlingsmädchen mit Zahn(Hirn) -Ersatz beschreibt sein Dilemma hervorragend. Intelligent ist er ja, aber leider damit eben auch brandgefährlich-saupopulistisch. Ein Zauberlehrling halt, der die Geister die er rief, mehr los wird. Möge die Union nochmal den Mut finden „Meister“ Ministerpräsident Wüst zu holen. Sein Name wird hoffentlich Programm, um ihn dorthin zu schicken wo er und Söder hingehören!

  • "die aber an den Kern der CDU-Identität gehen: die Westbindung Deutschlands"

    Für die Westbindung Deutschlands sind aber gewiss keine Waffenlieferungen nach Osten nötig, und auch keine diskussionslose Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen.

    Und was Friedensverhandlungen mit Russland betrifft, so ist sicherlich jedem und jeder im BSW klar, dass das keine bilateralen deutsch-russischen Verhandlungen sein werden, sondern dass z.B. Frankreich eingebunden sein muss, und dann natürlich auch die neue US-Administration (egal ob unter Harris oder Trump).

    Diese Verhandlungen des Westens mit Russland werden so oder so kommen, und es wäre für Deutschland gewiss besser, da eine mitgestaltende und konstruktive Rolle zu spielen.

    • @Kohlrabi:

      Molotov-Ribbetropppakt lässt grüßen...

    • @Kohlrabi:

      "dass das keine bilateralen deutsch-russischen Verhandlungen sein werden, sondern dass z.B. Frankreich eingebunden sein muss, und dann natürlich auch die neue US-Administration... Diese Verhandlungen des Westens mit Russland werden so oder so kommen..."



      Faszinierend, wie Sie die Ukraine hier völlig unerwähnt lassen. Wie kommt's?

      • @Encantado:

        Die Ukraine lasse ich nur deshalb unerwähnt, weil hier "die Westbindung Deutschlands" das Thema war.

  • "Wahlsieger sind die Populisten. Die rechtsextreme AfD, die in Thüringen deutlich vor und in Sachsen nur knapp hinter der CDU liegt."

    Bei den Populisten geh ich mit. Und in Thüringen ist die AfD auch Wahlsieger.



    In Sachsen aber ist sie bei genauer Betrachtung Wahlverlierer.



    Sie hat die in Umfragen ihren Vorsprung auf die Union verloren und die Sperminorität im Landtag haben sie auch nicht mehr. Damit haben sie weniger politisches Gewicht als in den letzten 5 Jahren.



    Da ist jetzt kein Grund zum Feiern, aber "Scheinriesen" muss man auch nicht größer machen als sie sind.

  • "Merz betont, das Ergebnis der AfD und die Tatsache, dass eine gesichert rechtsextreme Partei erstmals in einem deutschen Landtag auf Platz eins gewählt wurde, mache nachdenklich." - ja, nur ihn nicht.

  • Damit war ja zu rechnen.

    Anstatt mal die eigene Politik zu hinterfragen geht das große Koalitionsgekober los ...

    • @Bolzkopf:

      Ok ich bin auch kein CDU Wähler, Fan, aber wenn eine Partei die Politik der Merkel Jahre hinterfragt ist auch die CDU.



      Ob es allerdings für Sie in die richtige Richtung geht, kann ich nicht beurteilen.

  • Die AfD ist kein Problem, sie ist ein Symptom. Der Rechtsruck der Gesellschaft kommt aus der Mitte der Gesellschaft und ist in der Breite der Gesellschaft etabliert. Das geht auch nicht wieder weg, wie ein Erkältung. Man vergleiche dazu das reichsweites Verbot gegen die NSDAP (23.11.1923 – 27.11.1925). Adolf Hitler schrieb in der Zeit seinen 'Bestseller' und bei den Reichstagswahlen 1928 war die NSDAP nur eine von mehreren antisemitischen und völkischen Parteien.

    Solange all die anderen Parteien, die Medien, der Kulturbetrieb und der Großteil der Gesellschaft sich dem Wettbewerb als Ordnungsprinzip verschreiben, wird sich an der dem die Menschenwürde verachtenden Sozialdarwinismus nichts ändern. Der ist auch Wesensbestandteil des liberalen Gesellschaftsbildes und der unreflektierten Ideen von 'unserer freiheitlichen Art zu leben'.

    • @Stoersender:

      Vielleicht ist es auch einfach ein Wesensbestandteil des Menschen an sich. Sich zu vergleichen und im Wettbewerb mit anderen zu stehen ist schon Kindern zu eigen.

      Und in den sozialistischen Ländern, in denen es angeblich keinen Sozialdarwinismus gab und die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen nicht stattfand, war es um die Menschenwürde und -rechte auch nicht besonders gut gestellt.

      • @Tom Tailor:

        Da ist sie, die vermeintliche 'Natur des Menschen'. Schön, wenn man sich ein Menschenbild machen kann, dass zu den eigenen und/oder gängigen Irrtümern passt.

        Und wer hat behauptet, der real-existierende Sozialismus hätte den Sozialdarwinismus überwunden? Ich nicht. Der real-existierende Sozialismus hat nach Innen die Herrschaft einer Funktionärselite etabliert und nach Außen am Wettbewerb der Systeme teilgenommen.

        • @Stoersender:

          Ich mache mir generell keine Menschenbilder schon gar nicht nach eigenen Wünschen,sondern beobachte und stehe fest.

          Und eine dieser Feststellungen ist, dass schon Kinder sich gerne mit anderen vergleichen und zu spielerischen Wettkämpfen neigen. Offenbar gehört es also zum Menschsein, dass der Ego sich schon von klein auf an meldet und je nach Charakter eine nützliche bis schädliche Rolle spielt.

          Ich bin daher ein großer Freund von Chancengleichheit, lehne aber vorgeschriebene Ergebnisgleichheit ab. Es wird aus meiner Sicht immer Menschen geben, die auch ganz ohne Förderung in der einen oder anderen Disziplin besser sind als andere.

    • @Stoersender:

      "Solange all die anderen Parteien..."

      Genau solche theoretischen Absonderungen, treiben die Menschen zu vermeidlich "einfachen" Lösungen.

      • @Whatever1984:

        Es ist wohl eher der Verzicht auf theoretische und empirische Überprüfung herkömmlicher Auffassungen, der die vermeintlichen richtigen und einfachen Lösungen nährt. Das lächerlichste Argument der großen Vereinfacher, dass seit Luhmanns Zeiten gepflegt wird, ist der Hinweis auf die Komplexität: Zu Komplex, dass einfache BürgerInnen die intellektuelle Herausforderung nur im Ansatz verstehen, geschweige denn, eine Lösung finden könnten.

        PS: Ich habe bei u.a. Luhmann studiert.

  • Ich bin froh, dass es wenigstens noch die CDU gibt, in deren Arme man sich im Notfall retten kann.



    Die Ampel ist verbrannt. Ohne eine personelle Erneuerung in allen drei Koalitionsparteien wird es nur noch weiter bergab gehen. Niemals zuvor wäre es für mich als ehemaligen Wähler der Grünen denkbar gewesen, einen Friedrich Merz zu wählen. Aber wenn Personen wie Saskia Esken oder Ricarda Lang auch nur den Mund aufmachen, helfen auch ein Klingbeil oder ein Habeck nicht mehr weiter. Von Scholz, Kühnert und Lindner ganz zu schweigen!

  • "Die CDU ist eher eine Art Scheinriese, der nicht unbedingt aus Überzeugung gewählt worden ist."

    Lieber Scheinriese als 5% Zwerg, oder #SPD und #Grüne ?

  • Man kann das auch so sehen,dass der rechte Kurs von Kretschmer verhindert hat, dass noch mehr Leute von der CDU zur AfD abwandern oder Wähler von SPD und Grüne direkt zur AfD oder BSW. Deshalb ist die Aussage, genutzt habe der rechte Diskurs nichts, nur eine Vermutung. Man kann auch sagen,dass sehr migrationskritische Parteien 80% der Stimmen geholt haben. Das ist ziemlich eindeutig.

    • @Missverstehen Sie mich richtig:

      Richtig. Die Argumentation hinkt gewaltig. Wenn es richtig wäre, hätte die CDU nur an die AfD verlieren aber sonst keine Stimmen (Linkspartei!!) gewinnen können.

      Wenn eine liberale Migrationspolitik so offensichtlich gut und richtig ist, warum sieht das die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung das nicht ein?

      • @Chris McZott:

        "Wenn eine liberale Migrationspolitik so offensichtlich gut und richtig ist, warum sieht das die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung das nicht ein?"



        Weil's eben nicht offensichtlich ist, sondern eine einfache Abschottungspolitik wesentlich griffiger.



        Längerfristige Konsequenzen, sonstige Nebenwirkungen sind halt kompliziert.

  • "Zwar wollte Kretschmer die Koalition mit den Grünen ohnehin nicht fortsetzen, wie er im Wahlkampf nicht müde wurde zu betonen, aber möglicherweise wird er sie irgendwann vermissen."



    Das ist pures Wunschdenken. Die Haltung der Bundes-CDU ist Kretschmer erstens herzlich egal, im Wahlkampf konnte man seine Forderungen bezüglich Ukraine und Russland von denen des BSW maximal an der Farbe des Wahlkampfzettels unterscheiden. Kretschmer und Wagenknecht liegen in vielem auf einer Linie.



    Und zweitens wird Merz sagen 'Land ist nicht gleich Bund' und dann noch etwas von 'staatspolitischer Verantwortung' und dann ist die Kuh vom Eis.



    Die Sachsen-CDU und das BSW passen besser zusammen als viele denken, die SPD wirds dazwischen wahrscheinlich endgültig zermahlen - das ist für mich noch die spannendere Komponente, ob sich die SPD dafür hergibt und ob sie daran final zerbricht.

  • Wieviel Anteil hat die Union an der Destabilisierung unserer Demokratie, und warum ist das Betrachten der Entwicklungen innerhalb Deutschlands (Heute so ziemlich ein Schrottplatz) in den letzten mind. 50 Jahren dazu wichtig. Das kam nicht alles von heute auf morgen.

    • @Thorsten Sippel:

      In Einwanderungsfragen ist die Union die parteigewordene erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Und Sie hat in dieser Hinsicht quasi ein Muskelgedächtnis: Roland "kommen Sie mal ran und unterschreiben hier gegen Ausländer" Koch ist sicher eine inspirierenden Gestalt für Carsten "Migration ist die Mutter aller Probleme in Deutschland" Linnemann. Gegen Ausländer geht immer! Da muss man in der ansonsten ja völlig ideenlosen Union nicht nachdenken. Aber der (früher sagte man "ausländerfeindliche") CDU-Sound alleine reicht nicht als Erklärung: die rot-grünen Schröderjahre haben die Abstiegsangst der deutschen Mittelschicht ins Mark geschrieben. Dann noch sechzehn Jahre Merkel, die keines der entscheidenden Zukunftsfelder (von Rente über Digitalisierung und Bildung bis Klima) auch nur angeschaut hat, was jetzt die Bevölkerung potenziell überfordernde politische Maßnahmen nötig macht. Dazu die investitionshemmende Schwarze Null. Kein Wunder also, dass sich Deutschland wie ein rassistischer Failed State anfühlt.

    • @Thorsten Sippel:

      Fast interessanter als der Weg der CDU vom Ahlener Programm bis Merz: Die Wandlung der SPD.

    • @Thorsten Sippel:

      Der Anteil der Union an der Destabilisierung unserer Demokratie ist nicht wegzudiskutieren - ohne ihr dabei die Hauptschuld zuweisen zu wollen.

      Der Artikel oben bringt es schön zum Ausdruck: In den Grünen den Hauptgegner ausmachen, sinnvolle grüne Projekte wie das GEG gegen die ökologischen und ökonomischen Interessen der Bürger (Klimaerwärmung, CO2-Preis!) diffamieren, gleichzeitig die große außen- und sicherheitspolitische Erdung der Grünen nicht wohlwollend zu Kenntnis nehmen, und dann in einen Überbietungswettbewerb mit der AFD hinsichtlich Migration einsteigen - all das sind fatale Fehlentscheidungen der CDU gewesen - aber es ist der CDU erkennbar lieber, mit der bräsigen und durch den politischen Niedergang gefügig gemachten Dilettantentruppe SPD zu koalieren und den Status quo möglichst lange zu verwalten, anstatt mit den Grünen Alternativen durchdenken zu müssen. Und dann mit BSW in den Ländern, das wird lustig. Mal sehen, welche Verrenkungen die CDU bereit ist zu machen, nur um mit BSW das Thema Migration beackern zu dürfen... für die Ukrainer tut es mir jetzt schon leid - Putin reibt sich seit Sonntag Abend 18 Uhr die Hände.

    • @Thorsten Sippel:

      Im Grunde nahm alles seinen Anfang mit der deutschen Wiedervereinigung unter Kohl. Doch der gesamte Prozess verlief viel zu schnell und unüberlegt.

      Eine nachhaltige deutsche Zweistaatenlösung mit offenen Grenzen wäre eine wesentlich bessere Alternative gewesen. Gelegentlich hätte man Geld in den Osten transferieren können, und die Wiedervereinigung hätte immer noch irgendwann stattfinden können, vielleicht in ferner Zukunft.

      • @Ice-T:

        In der Theorie und im Nachhinein gut zu behaupten.

        Eine nachhaltige Zweistaatenlösung war damals reine Utopie.

        "Kommt die DM nicht zu uns, kommen wir zur DM".

        Und warum hätte der "Westen" den Aufbau eines anderen Landes bezahlen sollen?

        By the way, Kohl war nicht der einzige der die Wiedervereinigung wollte.



        Da war die SPD, ganz zu schweigen von der Mehrheit der DDR-Bürger, ganz vorne mit dabei.

        • @Whatever1984:

          Deine Perspektive ist nachvollziehbar, und es stimmt, dass die Ereignisse damals stark von den Umständen und dem Druck der Bevölkerung geprägt waren. Der Wunsch der Menschen in der DDR nach Freiheit und Wohlstand, symbolisiert durch die D-Mark, hat sicherlich vieles beschleunigt.

          Dennoch könnte man argumentieren, dass eine langsame Integration, wie in meinem Vorschlag angedeutet, vielleicht einige der sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen gemildert hätte, mit denen das wiedervereinigte Deutschland später konfrontiert war. Natürlich ist es im Rückblick einfacher, alternative Szenarien zu entwerfen, und vieles davon bleibt spekulativ.

          Was den Punkt betrifft, warum der "Westen" den Aufbau des Ostens hätte finanzieren sollen: Man könnte sagen, dass eine langfristige Investition in Stabilität und Wohlstand in Ostdeutschland auch im Interesse des Westens gewesen wäre, um letztlich ein starkes und vereintes Deutschland zu schaffen. Das ist jedoch, wie du richtig anmerkst, eine komplexe und vielschichtige Diskussion, die damals sicherlich viele Meinungen und Überlegungen umfasst hat.