Bundestagsdebatte zu Islamfeindlichkeit: Es wäre so einfach gewesen
Jeden Tag gibt es antimuslimische Straftaten in Deutschland. Doch dass es ein Problem mit Islamfeindlichkeit gibt, will der Bundestag nicht erkennen.
Es wäre so einfach gewesen. Der Islam gehört zu Deutschland. Mit diesen fünf Wörtern hätte der Deutsche Bundestag Donnerstag Abend ein überfälliges Signal schicken können: An die Ehefrau des 26-jährigen Imams aus Ebersbach bei Stuttgart, der kurz vor Weihnachten beim Spaziergang zu Tode geprügelt wurde.
An die Frau aus Hamburg, die ein Kopftuch trug und Ende November beleidigt und getreten wurde. An die Angehörigen der Opfer der rassistischen Attentate in Halle und Hanau. An die Hinterbliebenen des NSU und die Bedrohten des NSU 2.0. An alle Menschen in diesem Land, die Jahr um Jahr wegen ihrer Religion ausgegrenzt, beleidigt und angegriffen werden – oder schlicht deshalb, weil sie für Muslim:innen gehalten werden.
Es wäre so einfach gewesen. Und so bitter notwendig. Jeden Tag werden im Schnitt drei antimuslimische Straftaten angezeigt – und die Dunkelziffer wird deutlich höher liegen. Muslimische Menschen werden in diesem Land benachteiligt: In der Schule, bei der Wohnungssuche, auf dem Arbeitsmarkt. Zahlreiche Studien belegen das. Doch der Bundestag wollte den Entschließungsantrag der Linksfraktion nicht annehmen.
Er wollte nicht feststellen: Der Islam gehört zu Deutschland. Und auch nicht: Deutschland hat ein Problem mit Islamfeindlichkeit. Stattdessen lobten die Abgeordneten die Regierung für ihre Bemühungen gegen Diskriminierung (Christoph de Vries, CDU/CSU), sprachen von gewalttätigen Muslimen (Bernd Naumann, AfD), kritisierten den „konstruierten Kampfbegriff“ antimuslimischer Rassismus (beide), wiesen mit dem Finger auf die Vorurteile der Antragsteller gegen Polizeibehörden (Benjamin Strasser, FDP).
Die Grünen enthielten sich. Das ist auch ein Zeichen
Schon klar: Bundestagsdebatten sind Show, Anträge aus den Fraktionen werden im Freund-Feind-Schema unterstützt. Regierung versus Opposition, AfD versus Demokrat:innen. In den 30 Minuten, die für solche „Debatten“ angesetzt sind, bleibt jeder Fraktion gerade mal die Zeit für ein paar knackige Sätze; ein bisschen Zuspruch hier, eine wohlplatzierte Pointe da, dann der Gegenangriff. Klar ist auch: Nicht allem, was die Linksfraktion in dem Antrag fordert, muss man zustimmen. Etwa, dass die Länder den Religionsunterricht zugunsten von Ethik für alle aufgeben.
Und klar ist, ein Anprangern von Islamfeindlichkeit darf nie heißen, islamistische Gewalt zu relativieren. Aber dass es eine unabhängige Beschwerdestelle für Polizeiopfer geben muss. Dass Opfer rassistischer Gewalt mehr Schutz und mehr Beratung bedürfen. Dass Polizeibehörden ihr Racial Profiling-Problem abstellen müssen. Alles überfällig.
Dennoch: Es geht nicht um den Antrag und seine Forderungen. Es ist höchst unrealistisch, dass Absichtserklärungen des Bundestages mehr sind als reine Symbolpolitik. Aber genau deshalb hätte der Bundestag gemeinsam anerkennen sollen: Deutschland hat ein Problem mit Islamfeindlichkeit. Christine Buchholz, die für die Linkspartei sprach, hat völlig recht, wenn sie von den demokratischen Fraktionen einfordert, sich gemeinsam positionieren zu müssen. Auch deshalb, weil nicht allen in der Bundesregierung diese fünf Wörter über die Lippen gehen wollen: Der Islam gehört zu Deutschland.
Manche Redner:innen haben sich positioniert: Helge Lindh (SPD), der Scham für den offenen Rassismus in diesem Land empfindet. Benjamin Strasser (FDP), der anerkennt, dass Rassismus in Deutschland Lebenschancen zerstört. Lars Castellucci (SPD), der die Vielfalt in der deutschen Gesellschaft wertschätzt und verteidigt. Filiz Polat (Grüne), die Solidarität und Anteilnahme für alle einfordert, die von Ausgrenzung, Hass und Rassismus betroffen sind. Auch vom Bundestag.
Er hätte feststellen sollen: die Muslim:innen in Deutschland gehören zu Deutschland. Hat er nicht. CDU/CSU, SPD, FDP und AfD lehnten den Antrag ab. Die Grünen enthielten sich. Das ist auch ein Zeichen.
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