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Bremer Asta knickt vor FDP einLinksradikale fördern!

Katharina Schipkowski
Kommentar von Katharina Schipkowski

Der Bremer Asta hätte zu Ende Gelände und der Interventionistischen Linken stehen sollen. Warum lässt er sich vom Verfassungsschutz reinquatschen?

Früher wurde an der Universität Bremen noch protestiert. Und heute? Foto: Ingo Wagner/dpa

L ieber Asta der Uni Bremen,

eure Distanzierung von linken Gruppen im Rahmen der „kritischen Orientierungswoche“ auf Druck der FDP wirft Fragen auf. Erstens: Merkt ihr noch was? Es ist doch der Auftrag der Verfassten Studierendenschaft, die Interessen der Stu­den­t*in­nen gegenüber der Hochschule, dem Staat und der Gesellschaft zu vertreten. Diesen Anspruch habt ihr über Bord geworfen.

Die FDP hatte sich beim Bremer Senat beschwert, dass der Asta bei seiner Orientierungswoche für Erstsemester-Studierende auch linke Gruppen wie „Ende Gelände“ und die Interventionistische Linke (IL) eingeladen hat. Die führt der Verfassungsschutz unter dem Kapitel „Linksextremismus“. Na und? Der Verfassungsschutz macht viel, wenn der Tag lang ist. Die Aufklärung der NSU-Morde verhindern, jahrelang einen rechtsextremen Präsidenten an seiner Spitze dulden, rechtsextreme Strukturen mittels V-Männern ausbauen, rechte Attentäter aus den Augen verlieren oder als nicht bedrohlich einschätzen.

Warum sollte man sich von der unseriösesten aller Behörden in sein Programm pfuschen lassen? Dass die FDP das gern hätte, und auch die CDU aufspringt, ist billiger Populismus von der Oppositionsbank. Lasst euch doch nicht so leicht unter Druck setzen!

Die Uni-Leitung hätte den Asta unterstützen müssen

Im Interesse der Studierenden ist es, Erstsemester über die Möglichkeiten politischen Engagements zu informieren. Antifaschistische, postautonome und Klimagruppen gehören selbstverständlich dazu. Die Interventionistische Linke und Ende Gelände sind keine klandestinen Terrorzellen, sondern seriöse, bundesweit etablierte, linksradikale Zusammenschlüsse. Natürlich dürfen sie an Unis ihr Programm vorstellen und um Nachwuchs werben. Die kritisch denkende, emanzipierte Zivilgesellschaft dankt es ihnen hoffentlich.

Auch die Uni-Leitung müsste sich schützend vor den Asta stellen. Es gehört doch fundamental zum Bildungsauftrag der Universitäten, Studierende zum kritischen Denken und Infragestellen der bestehenden Verhältnisse zu animieren. Studierende, die das nicht möchten, können zur Liberalen Hochschulgruppe oder zum Ring Christlich-Demokratischer Studenten gehen, es steht ihnen frei.

Anders als die FDP meint, können auch Erstsemester selbst entscheiden, wohin sie sich orientieren möchten. Das ist doch zentraler Bestandteil der akademischen Ausbildung: herauszufinden, in welche Richtung man gehen möchte, Interessen vertiefen, sich entsprechend organisieren.

Zumal in Bremen! Die Uni Bremen wurde in den 1970er-Jahren als Reformuniversität gegründet. Sie stand für linke Ideen, alternative Lernkonzepte, den Bruch mit elitären Traditionen und Hierarchien. Doch dann kamen Bachelor und Master, Exzellenzinitiativen, Forschungsrankings und Drittmittel-Druck. Die ehemals „rote Kaderschmiede“ hat sich zu einer stinknormalen, neoliberalen Universität entwickelt. Umso wichtiger wäre es, selbstbewusst linksradikales Engagement zu verteidigen, wo es noch welches gibt. Es ist noch nicht zu spät, lieber Asta! Wie wäre es mit einer Veranstaltungsreihe zu „Linksradikalismus für Einsteiger*innen“?

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Katharina Schipkowski
Redakteurin | taz Nord
Jahrgang 1986, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Buenos Aires studiert und wohnt auf St. Pauli. Schreibt meistens über Innenpolitik, soziale Bewegungen und Klimaproteste, Geflüchtete und Asylpolitik, Gender und Gentrification.
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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Warum sollte man sich nicht von einer Gruppe wie der Interventionistischen Linken trennen, die es laut Jutta Dittfurth nicht vermag, sich deutlich von der antisemitischen BDS zu distanzieren. de-de.facebook.com.../1156499087813041/

    Und die IL mischt auch bei Ende Gelände mit. Der Asta hat also alles richtig gemacht.

    Man sollte sich nur fragen, warum die Distanzierung nicht aus eigenem Antrieb erfolgte.

  • Mir stellen sich zwei Fragen: Erstens inwiefern Ende Gelände und die IL dezidiert hochschulpolitische Standpunkte vertreten, und zweitens ob das gleiche auch für rechts gilt.



    Ich bin nicht der Meinung, dass sich die Hochschulvertretungen ausschließlich mit Hochschulpolitik befassen sollten, aber einer der größten Schwerpunkte sollte es schon sein. Hochschulgruppen, denen die Hochschulpolitik völlig egal ist, haben zumindest bei der Orientierungswoche auf Einladung der Asten nichts verloren, dafür gibt es andere Formate bzw. lassen sich andere finden.



    Ich halte den Terror von rechts auch für gefährlicher und Rechte grundsätzlich für gewalttätiger als Linke, aber die Argumentation im Artikel, dass man den Verfassungsschutz halt einfach ignorieren solle, könnte man nach rechts genauso anwenden. Da gibt es auch „bundesweit etablierte rechtsradikale Zusammenschlüsse“ (und zwar meine ich nicht den RCDS).



    Also: Der Asta könnte gut die Geschichte der eigenen Hochschule in das Zentrum von Veranstaltungen rücken und insgesamt die Reformideen aus der Gründungszeit wieder einfordern, das wäre sogar sehr zu begrüßen, aber eine Einladung in der ersten Woche zur Vorstellungsrunde? Eher nicht.

  • Ich stimme dem Kommentar grundsätzlich zu. Frage mich aber, ob dies dann auch für Gruppen, Veranstaltungen gilt, die nicht dem linken Zeitgeist entsprechen?

  • 'tschuldigung, aber der Bremer Asta macht viel, aber höchst selten die Interessen der Studierenden vertreten. Und unter Bremer Studenten war und ist es ständiger Kritikpunkt, warum sie mit Ihren zwangseingetriebenen Gebühren die politischen Aktionen eines teilweise stark radikalisierten Organes finanzieren müssen, das sich zwar allen und jedem (auch gewalttätigem) solidarisch und unterstützend zeigt, solange es weit genug links steht, aber sich im großen und ganzen recht wenig um die Studentenschaft kümmert. O-Ton eines Bremer Mitstudenten (zugegeben. ist schon länger her). "Ich möchte das meine Studiengebühren für die Uni verwendet werden und nicht für die PKK":

    • @Jürgen Meyer:

      Ist halt das Grundlegende Problem, dass die Asta von wenigen legitimiert werden und manchmal den Anschein erweckt, ein Selbstbedienungsladen zu sein. Mittel und Engagement sollte sich auf die Studierenden konzentrieren, dass niederschwellig für alle zur Verfügung steht…