Blaue Linie auf der Uniform: Schmaler Grat zum rechten Rand
Hamburg beschäftigt eine private Security-Firma, deren Mitarbeiter*innen martialisch auftreten und ein bei US-Rechten beliebtes Symbol nutzen.
Obwohl die Restaurantbetreiberin nach einem erfolglosen Rechtsstreit ihren Schlüssel widerstandslos übergab, marschierte der Sicherheitsdienst S. P. U. Solutions GmbH in martialischem Outfit zur Schlüsselübergabe auf. Zahlreiche Beschwerden gingen deswegen bei der städtischen Liegenschaftsverwaltung Sprinkenhof AG ein, die den Dienstleister beauftragt hatte.
Allerdings ist das martialische Auftreten nicht der einzige problematische Aspekt an dem Unternehmen. Der Hamburger Ermittlungsausschuss, der Betroffene von staatlicher Repression berät, wies zuerst darauf hin, dass S. P. U. Solutions sich zur „Thin Blue Line“ bekennt. Diese schmalen blaue Linie steht für die autoritäre Annahme, dass nur eine dünne Linie in Gestalt von Polizist*innen die Gesellschaft vom absoluten Chaos trennt.
Das Symbol ist vor allem in den USA populär, wo es von Trump-Fans und anderen Rechten und White Supremacists genutzt wird. Dort entstand 2014 sogar eine entsprechende Bewegung: „Blue Lives Matter“ für die Interessen von Polizist*innen und als Gegenmodell zu „Black Lives Matter“. Auf seiner Facebook-Seite verschlagwortet S. P. U. Solutions seine Beiträge mit den Hashtags #thinblueline und #privateblueline. Die Mitarbeiter*innen tragen außerdem Patches mit der blauen Linie auf ihrer Uniform.
Das Problem war nicht bekannt
Die Stadt beschäftigt das Unternehmen erst seit Kurzem. Die Sprinkenhof AG habe nicht mal davon gewusst, sagt deren Sprecher Lars Vieten, sondern wie immer den „Security Service Schwarzenbek“ beauftragt, der den Job allerdings weitergab. „Davon waren wir überrascht und fanden den Aufmarsch auch nicht angemessen, sondern total daneben“, sagt Vieten. Man werde zukünftig in vergleichbaren Situationen ein besonderes Augenmerk auf den Dienstleister legen.
Seit Anfang Februar ist S. P. U. auch für die Hamburg Port Authority (HPA) im Dienst und überwacht an Wochenenden die Eingänge des Alten Elbtunnels hinsichtlich zu hohen Besucher*innenaufkommens. Auch dort hatten Passant*innen das Auftreten der Security kritisch kommentiert. HPA-Sprecher Ulrich Kerz gibt auf Nachfrage an, bis vor Kurzem nichts von der möglicherweise problematischen Ausrichtung des Sicherheitsdienstes gewusst zu haben.
Allerdings seien die aktuellen Hinweise zu dünn, um sich von dem Vertragspartner zu trennen. „Wenn das Unternehmen rechte Tendenzen hat, würden wir uns davon verabschieden, aber momentan liegen uns keine solchen Erkenntnisse vor“, sagt Kerz. Die Hafenbehörde sei jetzt aber sensibilisiert und werde den Dienstleister scharf im Auge haben.
Bei der Auswahl, welches Sicherheitsunternehmen die HPA jeweils beauftrage, richte man sich streng nach dem Vergaberecht. „Alles andere bedarf einer politischen Entscheidung“, sagt Kerz in Richtung des Senats. So nutzt die Stadt etwa bei der Vergabe von Bau- oder Nutzungsaufträgen regelhaft eine Ausschlussklausel zum Schutz gegen die Scientology-Sekte. Der Senat ließ eine entsprechende taz-Anfrage dazu am Mittwoch unbeantwortet.
Mit Rechten will die Firma nichts am Hut haben
Das Unternehmen selbst grenzt sich auf Nachfrage von Rechten ab. „Wir nutzen ‚blueline‘ oder ‚privateblueline‘ in der Ursprungsform und verurteilen jegliche Verwendung dieses Symbols durch rechtsradikale Gruppierungen oder die AfD“, sagt S. P. U.-Sprecher Terje van der Leeden. Erstmalig sei die Linie 1952 als Symbol des Vertrauens zwischen Bevölkerung und Einsatzkräften verwendet worden.
Mit dem Patch auf der Uniform erkläre man sich solidarisch mit Mitarbeiter*innen der Polizei (blau) sowie Feuerwehr und Rettungsdienst (rot), die jeden Tag mit Anfeindungen aufgrund ihrer Berufsausübung konfrontiert seien. Eine Vereinnahmung durch Extremisten wie der „Blue Lives Matter“-Bewegung verstehe man als Missbrauch. Davon wolle man sich ebenso distanzieren wie von der Vereinnahmung für politische Zwecke im Sinne einer „rechts- oder linksradikalen Nutzung“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren