Bewegungstermine in Berlin: Sozialarbeit gegen Antisemitismus
Statt sich an Verbalradikalismus zu ergötzen sollten Linke konkrete Kämpfen unterstützen – und die Beschäftigten in der sozialen Arbeit unterstützen.
V iele Linke gehen dieser Tage mal wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung nach: Sie zerfleischen sich selbst. Seit die Bilder von den abscheulichen Massakern der Hamas um die Welt gehen, ist der alte Streit über den Nahostkonflikt neu entflammt. Oftmals wird dabei offenbar versucht, die anderen mit Verbalradikalismus zu übertrumpfen, bis nur noch Menschenverachtung übrig bleibt.
Da dichten die einen schon mal die Kriegsverbrechen einer Horde islamistischer Terroristen in einen angeblichen „Befreiungskampf“ um – und offenbaren damit die eigene völlige moralische Verwahrlosung. Andere reagieren allerdings mit einer bedingungslosen Solidarisierung mit Israels rechtsextremer Regierung, deren Bomben schon jetzt Tausende Unschuldige getötet und Hunderttausende vertrieben haben. Den humanistischen Minimalkonsens, dass das Töten von Zivilist:innen nie okay ist, haben beide Extreme dieser Debatte aus dem Fenster geworfen.
Diese Positionen sind zudem ein Hohn auf die Kämpfe progressiver Menschen vor Ort, die seit Jahren versuchen, die Gewaltspirale zu durchbrechen. Um über diese Perspektiven zu informieren, hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung ein Gespräch mit den Leiter:innen der Stiftungsbüros in Tel Aviv (Israel), Ramallah (Palästina) und Beirut (Libanon) organisiert. Unter dem Titel „Gegen die Logik der Gewalt“ sollen differenzierte Standpunkte verständlich werden. Eine vorherige Anmeldung ist erforderlich (Donnerstag, 19. Oktober, 18 Uhr, Straße der Pariser Kommune 8a).
Antisemitismus in der Linken
Die blind pro-palästinensichen Reaktionen einiger Linker zeugen von der dringenden Notwendigkeit, sich mit dem Antisemitismus im eigenen Denken auseinander zu setzen – und diesen überhaupt erst zu erkennen. Am Dienstag (17. Oktober) informiert ein Vortrag von Tom David Uhlig im Rahmen der Kritischen Einführungswoche an der Humboldt Universität darüber, warum auch linkes Denken nicht vor Ressentiments gegen Jüd:innen geschützt ist (Ziegelstraße 4, 18 Uhr).
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Anstatt in diesem Krieg einer der zwei bewaffneten Seiten zuzujubeln, wären Linke besser damit beraten, sich in Deutschland auf eine Bekämpfung der hässlichen Begleiterscheinung dieses Krieges zu fokussieren. Heißt konkret: Sich schützend vor jüdische und muslimische Menschen stellen, die nun verstärkt von antisemitischen bzw. rassistischen Übergriffen betroffen sind.
Das heißt aber auch, die soziale Infrastruktur zu unterstützen, die die Auswirkungen des Krieges auffängt. Denn natürlich macht es mehr Sinn, in sozialer Jugendarbeit Neuköllner Kids mit Verbindungen nach Palästina Perspektive zu verschaffen und mit ihnen über Antisemitismus und den Nahostkonflikt zu sprechen, als – wie Bildungssenatorin Busse – Kufyia-Tücher und den Spruch „Free Palestine“ an Schulen verbieten zu wollen und damit die palästinensische Identität zu kriminalisieren. Wie immer wird Law-and-Order-Logik soziale Probleme auch hier nur verschärfen, nie nachhaltig lösen.
„We fight because we care“
Doch die Beschäftigten der sozialen Arbeit brauchen Unterstützung. Schlechte Bezahlung, befristete Beschäftigungsverhältnisse, Überlastung und eine mangelhafte sowie unsichere Finanzierung der Projekte gehören zum Alltag. Das liegt auch daran, dass Arbeitskampf in der sozialen Arbeit keine Tradition hat. Lange konnten Arbeitgeber:innen die Beschäftigten mit der Abhängigkeit ihrer Klient:innen von ihrer Arbeit erpressen. Dabei ist soziale Arbeit Care- und Reproduktionsarbeit, die das Rückgrat dieser Gesellschaft bildet: In Nachbarschafts- in Jugendzentren, der Obdachlosen- und Suchthilfe, in Schulen oder in Familienplanungszentren.
Nun sind die Missstände jedoch so groß geworden, dass sich Widerstand regt. Auch im Vorfeld der im Herbst stattfindenden Verhandlungen über den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) mehren sich unter den Beschäftigten die Stimmen, die in die Offensive gehen wollen. Den Erpressungsversuchen ihrer Arbeitgeber schleudern sie entgegen: „We fight because we care!“ – und treten damit in die Fußstapfen der Berliner Krankenhausbewegung. Gleich zwei Demonstrationen machen kommende Woche auf die Situation in der sozialen Arbeit aufmerksam.
Den Auftakt macht am Donnerstag (19. Oktober) ein Bündnis von weit über 30 sozialen Trägern. Unter dem Motto „Vallah, es reicht!“, wollen sich die betroffenen Jugendlichen und Beschäftigten am Anhalter Bahnhof treffen, um von dort zum Abgeordnetenhaus zu ziehen. Am Samstag (21. Oktober) zieht dann das Solidaritätsbündnis Soziale Arbeit - ein Zusammenschluss aus Gewerkschaften, Solitreffs von Beschäftigten und linken Initiativen – zum Roten Rathaus. Startpunkt hier ist um 14 Uhr am Rosenthaler Platz, Brunnenstraße Ecke Veteranenstraße.
Antifa heißt Gegenwehr
Am Samstagabend können Antifaschist:innen dann noch einen Abstecher ins Berliner Umland machen, nach Teltow, wo sich Nazistrukturen breitmachen. Im Aufruf einer örtlichen Antifa-Gruppe heißt es, in Teltow hätten sich Szene-Treffs etabliert, außerdem würden die AfD und die verschwörungsideologischen „Freiheitsboten“ in der Region ihr Unwesen treiben. Drei Neonazis hätten zudem im September versucht, einen Antifaschisten am Bahnhof Teltow mit einem Teleskopschlagstock zu überfallen.
Am Sonntag (22. Oktober) ruft die Antifa Falkensee schließlich dazu auf, einen Vortrag von Daniele Ganser, „Einstiegstheoretiker des Verschwörungs- und Querdenkerspektrums“, in der Stadthalle Falkensee zu stören. Ganser mische berechtigte Kritik an Kapitalismus und Militarismus mit Verschwörungserzählungen, heißt es im Aufruf – sodass zum Vortrag die übliche „Melange aus Verschwöhrungsideolog*innen, BASIS und rechten Friedensfreunden aus dem AfD-Spektrum“ erwartet wird. Die Organisator:innen rufen dazu auf, sich bunt zu kleiden (S-Bahnhof Falkensee, 17 Uhr).
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