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Betrunkene Grüne zeigt HitlergrußPegel halten für die Polit-Karriere

Uli Hannemann
Kommentar von Uli Hannemann

Eine Berliner Bezirkspolitikerin fuhr betrunken Auto und zeigte den Hitlergruß. Sie trat daraufhin zurück. Ihr Karriereende muss das nicht bedeuten.

Fahrer anhalten ist ziemlich gemein von der Polizei, vor allem, wenn sie gerade so schön im Flow sind Foto: Frank Hoermann/imago

E in bedauerliches Malheur ist der grünen Berliner Bezirkspolitikerin (Charlottenburg-Wilmersdorf) Jutta Boden unterlaufen. Als sie auf der A 115 vor den Toren Berlins wegen Verdachts auf Trunkenheit von der Polizei angehalten und kontrolliert wurde, wusste sie sich in ihrer Not nicht anders zu helfen, als den rechten Arm zu heben und diese Geste auch noch folgerichtig mit „Heil Hitler“ zu untermalen.

Später gab sie an, sie habe sich von den Beamten „unkorrekt behandelt“ gefühlt, was zwei Fragen aufwirft: Erstens: Was mag sie mit „unkorrekt“ meinen? Hierzu schweigen bislang die Quellen, sodass wir die der Spekulation anzapfen: Die Polizei hat sie gestoppt, obwohl sie in dem Moment gar nicht halten wollte, denn sie war gerade so schön im Flow. Das beschnitt ebenso ihre Freiheit wie die streng gehaltene Bitte, ins Polizeifahrzeug umzusteigen, um zum Autobahnrevier in Michendorf gebracht zu werden. Denn auch da wollte sie gar nicht hin.

Diese Gemengelage kann dann schon mal als faschistischer Akt bewertet werden, insbesondere, wenn einem dabei 1,34 Promille die Sinne und das analytische Vermögen schärfen.

Keine gute Idee: Ein Hitlergruß

Was jedoch direkt zu Frage Nummer zwei führt: Ist der Hitlergruß ein angemessenes Mittel, um eine vermeintliche oder tatsächliche Ungerechtigkeit zu kommentieren? Als ironische Antwort auf so empfundenes nazihaftes Verhalten des Gegners, im Einzelfall theoretisch durchaus denkbar, dürfte Boden damit in diesem Falle eher falschgelegen haben. Ein „Freundys, echt jetze, ich fühle mich von euch unkorrekt behandelt, eins, zwei hopp, und frei heraus die Dienstnümmerchen auf den Tisch“ wäre hier wohl angebrachter gewesen. Das sieht Boden nun offenbar selbst so, indem sie angibt, „unangemessen und inakzeptabel reagiert“ zu haben, und ihr Mandat niederlegt.

Aber das muss längst nicht das Ende der Karriere bedeuten. Denn einen tröstenden Lichtstreif am Horizont bietet in dieser für sie trüben Stunde die so lange wie langmütige Historie im Straßenverkehr einschlägig aufgefallener Politiker. Schneller als gedacht steigt so ein im Suff gefallener Rauschengel wieder auf wie Phönix aus der Flasche.

Bestes Beispiel für die Gnade des Herrn und seiner irdischen Gerichte war Otto Wiesheu: Herausragend in einer ohnehin schon spektakulären Serie der Trunkenheitsfahrten von CSU-Granden, hatte der damalige Generalsekretär der Partei im Jahr 1983 mit 1,99 Promille einen Menschen totgefahren und einen anderen schwer verletzt. Der erzwungene Rücktritt von diesem Amt eröffnete damals nur den Weg zum nächsten, und zwar dem des bayerischen Staatsministers für unter anderem Trunkenheit und Verkehr, wir korrigieren: Technologie und Verkehr. Knast ist doch für Schwarzfahrer, arme Schlucker ohne Auto. Später wurde er Vorstandsmitglied bei der Deutschen Bahn AG.

Einfach weiterbrettern

Das und noch viel mehr (UN-Generalsekretärin, Bundeskanzlerin, Weinkönigin) kann Jutta Boden ebenfalls werden, wenn sie nur den wichtigsten konservativen Grundsatz beherzigt: Freiwillige (!) Rücktritte, Entschuldigungsgelaber, Einsicht und öffentlicher Kniefall, diese verdammte Demut der Schuldigen, eine Krankheit linker Politiker, ist dem Fortkommen bloß hinderlich. Jedes zusätzliche Promille kann eine weitere Stufe auf der politischen Karriereleiter bedeuten.

Auch mindestens Sach-, besser noch Personenschäden infolge der Trunkenheitsfahrt lassen die Täter schneidiger und entschlossener wirken. Das sind Eigenschaften, die bei vielen Wählenden gut ankommen, während am windelweichen Angehaltenwerden ohne Unfall der weibische Ruch von Waldorfschule, Weinschorle und warmen Wannenbädern hängt. Wer bei Gelb bremst, zeigt Wankelmut; Scholzomat, Tempomat, Schwachmat.

Besser lässt sich Frau Boden ihre Aussagen noch mal in aller Ruhe durch den Kopf gehen: Ihre frisch auf- und flugs gleich wieder untergetauchte Zwillingsschwester saß am Steuer; der Bluttest ist bis zur B-Probe vollkommen irrelevant; den rechten Arm hat sie gehoben, um sich am Kopf zu kratzen, also die Schwester, die hat immer so trockene Kopfhaut, und überhaupt war das alles nur ein Missverständnis: Sie hat gar nicht „Heil Hitler“ gesagt, sondern „zwei Liter“. Natürlich Mineralwasser.

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Uli Hannemann
Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.
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21 Kommentare

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  • "Sie hat gar nicht „Heil Hitler“ gesagt, sondern „zwei Liter“. Natürlich Mineralwasser."

    Erinnert sich noch jemand an die Hump-Dump-Affäre in Österreich? de.wikipedia.org/w...p-Dump-Aff%C3%A4re

    Ansonsten ein wenigstens vergnüglich lesbare Form des Whataboutism.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Betrunkene und Kinder sagen die Wahrheit". (Volkes Mund) soll heißen, die sagen schon mal das, was sie wirklich denken. Für eine ordentliche Grüne sind „Bullen" natürlich Faschos. Die werden halt entsprechend gegrüßt. [/Ironie off]



    @RUDOLF FI'SSNER



    „ wenn sie nur den wichtigsten konservativen Grundsatz beherzigt: Freiwillige (!) Rücktritte, Entschuldigungsgelaber, Einsicht und öffentlicher Kniefall, diese verdammte Demut der Schuldigen, eine Krankheit linker Politiker,“...



    „ ist dem Fortkommen bloß hinderlich." - steht da noch.



    Fortkommen im Sinne von Vorwärtskommen in der Karriere; nicht im Sinne von Weg-Kommen.



    (duck und schnell weg) 😊🏍️

  • Die taz hat in diesem Artikel einen gewissen CDU-Drive drin.

    Die BILD ist da parteipolitisch neutraler. :-D

    www.bild.de/region...86939018.bild.html

    Es fehlte ein CDU-Politiker, aber das dürfte daran lieben dass die Fälle auf Berlin begrenzt bleiben und beispielsweise Elmar Pieroth schon lange her ist.

    Er musste damals viel Spott in BILD und BZ hinnehmen.

  • Was mich eigentlich erschreckt, ist diese fatale Akzeptanz des besoffen Autofahrens. Man hat da rechtlich quasi einen Freifahrschein. Geht auch gut und gerne mehrmals. Vor Jahren wurde kurz vor Studienbeginn eine Abiturientin auf dem Bürgersteig totgefahren - Bewährungsstrafe - der Fahrer, ein junger Mann, war schon mehrfach ohne Führerschein und angetrunken unterwegs - Berlin ist eben eine Partystadt und statistisch steht die Stadt gar nicht so schlecht da. Nur an Wochenende muss der Unmotorisierte aufpassen. Freitag und Sonntag ist es wohl besonders gefährlich. Insofern kann man auch die Abgeordnete verstehen. Ist halt alles ein einziger Spaß.

  • Stay dry in der Öffentlichkeit.

  • Interessant ist doch jetzt die Frage, ob Frau Bodens 86a Delikt statistisch der politisch motivierten Kriminalität Rechts einverleibt werden wird. Werden die KämpferInnen gegen Rechts bei der nächsten Veröffentlichung von Fallzahlen an Frau Bodens Beitrag dazu denken?

    • @Klaus Kuckuck:

      Also, ich hatte ja eine wilde Jugend - und im Suff z.B. nächtens einmal Seitenspiegel von parkenden Autos abgerissen, Kein Kavaliersdelikt, nicht dass Sie mich falsch verstehen!



      Aber NIE, unter keinen Umständen - auch nicht im Zustand totaler geistiger Unzurechnungsfähigkeit - wäre es mir eingefallen, den Hitlergruss zu zeigen. Denn ich war seinerzeit zwar ein blöder Hund - und bin es heute möglicherweise auch noch - aber Antifaschist war ich auch immer schon (zumindest in dem Alter, in dem ich Alkohol konsumieren durfte😉).

  • „ wenn sie nur den wichtigsten konservativen Grundsatz beherzigt: Freiwillige (!) Rücktritte, Entschuldigungsgelaber, Einsicht und öffentlicher Kniefall, diese verdammte Demut der Schuldigen, eine Krankheit linker Politiker,“

    Wenn schon ein links-rechts Gedöns daraus gemacht wird, dann sollte doch behandelt werden ob, das Zeigen des Hitlergrußes gerade bei Linken noch einmal extra von Linken härter zu bewerten ist. Und man kann da für alle, die auf Lagerdenken abfahren, eine so richtig harte Kante zeigen.

  • Betrunken Auto zu fahren ist die eine Sache (verantwortungslos, jede schaue mal auf sich selber ob es da nicht „Jugendsünden“ gibt,) aber diese Nazivergleiche, wie wichtig muss Frau sich da selbst finden, umsolche hirnrissigen Vergleiche im besoffenen Kopf abzusondern, irgendwie immer Opfer.irgendwie ist es zum fremdschämen.Die fraFrau hat die Konsequenzen daraus gezogen, hat sich aus politischen Ämtern zurückgezogen,jetzt auch mal gut, sie hat Glück gehabt, das nichts passiert ist und muss die strafrechtlichen Konsequenzen tragen, jetzt kann die Öffentlichkeit in Form der Presse sie auc mal in Anonymität entlassen.

  • "Ein bedauerliches Malheur"



    Betrunken Auto fahren ist kein "bedauerliches" Malheur, sondern eine Gefahr für Leib und Leben aller Verkehrsteilnehmer.



    Den Hitlergruß kann ich mit nur durch ihre Trunkenheit erklären, keine Grüne käme nüchtern wohl jemals auf eine so bescheuerte Idee.

  • Ich habe als Rechtsreferendar mal an einer Verhandlung teilgenommen, wo ein Roma verurteilt wurde, weil er den Hitlergruß zeigte und die gleichen Worte verwendete wie die o.g. Politikerin, in seinem Fall ggü einem Security-Mann (ebenfalls migrantischer Herkunft). Natürlich war er kein Nazi, aber der Straftatbestand unterscheidet da wohl nicht (damals jedenfalls) und eine Beleidigung wäre es allemal).

  • In einer ganz ähnlichen Situation hatte Margot Käßmann zwei Fäuste für ein Lalleluhja gen Himmel gereckt. Führerschein und Job waren ebenfalls weg, aber sie war trotz Allem noch kontrolliert genug, keine NS- oder H-Wort-Diskussionen aufkommen zu lassen. Ganz im Gegensatz zu Frau Boden oder Herrn Aiwanger. Und der Kommentator hat Recht, ein Karriereende bedeutet das noch lange nicht, siehe Aiwanger (Minister) oder Käßmann (Publizistin und Buchautorin).

    • @Magic Theo:

      Frau Käßmann hatte es aber gar nicht erst mit komischen Sprüchen gegen die Beamten versucht, noch fühlte sie sich »unkorrekt behandelt«, sondern räumte einen »schlimmen Fehler« ein, den sie selbst »gefährlich und unverantwortlich« nannte. Sie trat folgerichtig und konsequent zurück. Das ist dann doch schon ein großer Unterschied zu diesem Fall hier.

      Dass von Herrn Aiwanger wusste ich dato gar nicht. Ist denn auch schon sicher festgestellt worden, dass es nicht vielleicht doch sein Bruder war?



      Im übrigen hat er als ja als Landesminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie hoffentlich die notwendige persönliche Energie, sich im Interesse des gesamten Landes weiterzuentwickeln um nicht in der Wirtschaft seinen Feierabend begießen zu müssen.

  • Sehr schön geschrieben und ich freue mich über den Inhalt.



    Mir hat gar nicht gefallen, dass niemand die billige Ausrede für den Hitlergruß ins Visier nimmt, und ich hoffe, dass der grundsätzlich verboten ist und die Dame dafür entsprechend bestraft wird.

    Dass einer Grünen die Tore aufstehen, die einem CSU-Mann offenstehen, wage ich allerdings zu bezweifeln. Dafür sind die viel zu schwach organisiert in Seil- und Burschenschaften.

    • @Tripler Tobias:

      Absolut. Bester Autor der taz!

  • Dumm gelaufen.

    Wenn sie allerdings Finanzministerin werden will, dann muss sie sich schon mit schwarzen Koffern voller Geldscheine an der schweizer Grenze erwischen lassen.

  • Weinkönigin im Bundesland Berlin? Tja, da gibt's wohl in der Tat viel zu beweinen.



    Vielleicht ein Grund für die »beschwingte« Fahr im Straßenverkehr.

  • Wow. Das kannste vielleicht lustig verpacken, mit Ironie um dich werfen bis der Arzt kommt, irgendwelche abartigen Ausreden von Dritten rauskramen oder den Alkohol vorschieben. Und auch peinliche Geschichten aus den 80ern kannste erzählen. Aber all das ist völlig deplaziert, um einen Hitlergruß samt zugehöriger Parole auch nur ansatzweise zu rechtfertigen.



    Wenn die Frau ein anderes Parteibuch hätte, würdet ihr hier ganz selbstverständlich ohne wenn und aber die politischer Dekapitation einfordern.



    Aber ja, ich weiß. Die Anderen machens ja auch, war doch nur Spaß...

    • @Deep South:

      Abwarten!



      Die Trunkenheitsfahrt an sich ist schon eine (gemein)gefährliche Eselei.



      Das dämliche Jammern mit dem »unkorrekt behandelt« haben - danach wohlgemerkt - ist soetwas von unterirdisch.



      Aber die Nummer mit dem Hitlergruß dürfte ihr politisch das Genick brechen.

  • Malheur? Der "deutsche Gruß" geht nie i.O..

  • Manfred Kanther! Der konnte was an der Tasse! War aber nicht blöd: er hatte Fahrer und Personenschützer und Internet gab's auch noch nicht.