Polizeikontrolle in der Türkei: Sturzbesoffen am Steuer
In der Türkei wird ständig irgendwas gefeiert und dabei und dabei auch kräftig getrunken. Das weiß auch die Polizei.
I n der Türkei wird unaufhörlich gefeiert, weil ständig geheiratet wird. Wir haben in diesem Sommer bereits 32 Einladungen bekommen. 13 Einladungen zu Beschneidungsfesten und 19 Einladungen zu Hochzeiten. Ist ja auch normal: Beschnitten wird der Mann nur einmal im Leben, aber heiraten kann er so viel wie er will!
Heute hatten wir wieder volles Programm: zwei Beschneidungen und drei Hochzeiten. Nach der Feier schiebt mich meine Frau auf den Rücksitz und ruft: „Mehmet, mein Sohn, fahr du, dein Vater ist total besoffen!“
Nach nur fünf Minuten landen wir prompt in einer Polizeikontrolle. Die haben die ganze Straße abgesperrt und suchen nach Alkoholsündern. Dadurch ist eine lange Autoschlange entstanden.Ich sehe völlig überrascht, wie Mehmet einfach aussteigt und sich seelenruhig zu uns nach hinten setzt. „Mehmet, was soll das denn werden, wenn’s fertig ist?“, lalle ich böse.
„Vater, ich hab doch mindestens genauso viel getrunken wie du. Denkst du, ich lass mir meinen Lappen wegnehmen?“
„Bei Allah, ich fass es nicht! Bist du heute den ganzen Abend betrunken Auto gefahren, oder was? Als Fahrzeughalter werde ich jetzt bestimmt verknackt“, rufe ich aufgeregt.
„Ach, es passiert schon nichts. Lass mich nur machen, schließlich sind wir doch in der Türkei“, sagt er locker.
„Eminanim, die Polizisten sind gleich da, setzt du dich ans Steuer. Ich bin sicher, Fahren ohne Führerschein ist nicht so schlimm, wie sturzbesoffen am Steuer erwischt zu werden.“
In dem Moment steht auch schon der Kommissar am Fenster:„Guten Abend, Führerschein und Fahrzeugpapiere bitte!“
Wir bleiben mucksmäuschenstill.
„Führerschein und Fahrzeugpapiere bitte, aber schnell!“
Dann merkt er verblüfft, dass kein Mensch am Steuer sitzt.
„Mensch, wo ist denn der Fahrer?“, ruft er verärgert.
„Als der Kerl gesehen hat, dass es eine Verkehrskontrolle gibt, ist er ausgestiegen und verschwunden“, lügt Mehmet wie gedruckt.
„Wieso das denn?“
„Keine Ahnung, vielleicht war er betrunken!“
ist Satiriker in Bremen. Zu hören gibt es seine Kolumnen unter https://wortart.lnk.to/Osman_Coro-na. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).
„Der Wagen muss aber weg, Sie blockieren hier die ganze Straße!“
„Meine Mutter und ich haben keinen Führerschein, wir können nicht fahren.“
„Und was ist mit dem da?“, brüllt der Polizist und zeigt auf mich.
„Mein Vater ist sturzbesoffen“, sagt Mehmet.
„Aber Sie können doch hier nicht den ganzen Verkehr blockieren! Jetzt fahren Sie doch den Wagen endlich weg“, sagt der Polizist zu mir.
„Aber ich bin doch leicht betrunken“, gebe ich zu bedenken.
„Nun fahren Sie schon endlich, diesmal werde ich beide Augen zudrücken.“
Ich steige aus, setze mich torkelnd auf den Fahrersitz und gebe Gas. „Mehmet, so was Gerissenes hab ich ja noch nie gesehen“, rufe ich und mir fallen riesige Pyramiden vom Herzen.
„Vater, das ist doch nichts Neues. Diesen Trick machen alle in der Türkei. Wenn man besoffen angehalten wird, braucht man sich nur blitzschnell nach hinten zu setzen.“
„Und die Verkehrspolizisten kennen diesen Betrug immer noch nicht?“, frage ich verblüfft.
„Schon, aber wenn man zu den Fahrzeugpapieren auch einen fünfzig Euro-Schein reintut, funktioniert dieser Trick immer wieder perfekt!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod