piwik no script img

Bauern in Baden-WürttembergGrünen-Aschermittwoch abgesagt

Wegen aggressiver Bauern und Sicherheitsbedenken sagen die Grünen die traditionelle Veranstaltung ab. Mehrere Po­li­zis­t*in­nen wurden verletzt.

Abgesagt: Rednerpult ist beim politischen Aschermittwoch der Grünen in Biberach an der Riß am 14. Februar Foto: Silas Stein/dpa

Biberach rtr | Die Grünen haben ihre traditionelle Veranstaltung zum Politischen Aschermittwoch im baden-württembergischen Biberach wegen Sicherheitsbedenken kurzfristig abgesagt. Dies sei in enger Absprache mit den Sicherheitsbehörden geschehen, „da die ordnungsgemäße Durchführung gefährdet ist“, teilte eine Sprecherin der Landespartei mit. Ein Polizeisprecher begründete dies mit Angriffen von demonstrierenden Bauern auf Polizisten und Polizeifahrzeuge. Die Polizei habe Pfefferspray und Schlagstöcke einsetzen müssen. Mehrere Beamte seien leicht verletzt worden. Es habe eine Festnahme gegeben.

Als Hauptrednerin des Aschermittwochs war Co-Parteichefin Ricarda Lang vorgesehen. Im bayerischen Landshut hatte zuvor Co-Parteichef Omid Nouripour beim Aschermittwoch der bayerischen Grünen gesprochen. Die Absage in Biberach erfolgte erst später.

Der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz sprach auf der Mitteilungsplattform X von „gewaltvollen Aktionen“, mit denen der Boden des demokratischen Gemeinwesens verlassen werde. „Eine politische Veranstaltung einer Partei, die den Ministerpräsidenten und einen Bundesminister stellt, kann nicht stattfinden, weil die Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist“, erklärte der Grünen-Politiker. „Wo soll das eigentlich enden?“

Vor dem Veranstaltungsort, der Stadthalle in Biberach, und bei einer Protestveranstaltung von Bauern vor einer anderen Halle in der Stadt hatten sich zahlreiche Demonstranten versammelt. Angemeldet waren laut Polizei eine Sternfahrt von Bauern sowie eine Protestkundgebung. Zu den Organisatoren konnte die Polizei keine Angaben machen.

Özdemir suchte vorab Dialog

Die Anfahrtswege in und um Biberach seien blockiert gewesen, sagte der Ulmer Polizeisprecher Sven Francken in Biberach: „Also es war sehr schwierig, hier vor Ort zu kommen.“ Es sei am Morgen und am Vormittag zu „aggressiven Protestaktionen, auch zu aggressivem Verhalten gegen Polizeibeamte“ gekommen. „Es wurden Gegenstände auf Polizeibeamte und auf Polizeifahrzeuge geworfen“, sagte der Sprecher. Ein Polizeifahrzeug sei beschädigt worden.

Mit dem Veranstalter des Aschermittwochs kam die Polizei demnach überein, dass es Bedenken gebe, dass die Veranstaltung gefahrlos vonstattengehen könne. „Man hat damit gerechnet, wenn Protestteilnehmer in die Halle kommen würden, entsprechende Redebeiträge oder Ähnliches durch Zurufe oder irgendwas anderes stören würden“, sagte der Sprecher. „Und dadurch hat man sich entschlossen, die Veranstaltung abzusagen.“

Eine Sprecherin der Grünen-Landespartei erklärte, der aus Baden-Württemberg stammende Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) habe vor der Biberacher Gigelberghalle bei der angemeldeten Demonstration von Bauern gesprochen und den Dialog gesucht. „Für das Interesse der Demonstrierenden bedanken wir uns“, sagte die Parteisprecherin. „Wir haben bereits im Vorfeld der Veranstaltung Gesprächsangebote unterbreitet und werden den Austausch in kleiner Runde fortführen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

24 Kommentare

 / 
  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Dass Land und Leute so sind, will mensch gar nicht glauben. Schließlich gibt es Belege, Wieland und Leute wirklich sind, im schönen Biberach:



    de.wikipedia.org/w...r_Ri%C3%9F#Politik



    de.wikipedia.org/w...oph_Martin_Wieland



    de.wikipedia.org/w...and_Elternhaus.jpg

  • Klare Kante gegen Terroristen. Dss muss auch gegen solche gelten, die sich als Bauern verkleiden, Traktoren missbrauchen und behaupten, diese Erpressungen wären vom Demonstrationsrecht gedeckt. Einfangen und in Ausnüchterungszellen stecken. Die Arbeitsgeräte dürfen nur noch am Arbeitsplatz genutzt und auf den direkten Arbeitswegen auf öffentlichen Straßen bewegt werden.



    Trecker auf Autobahnen? Ein Unding. Wo bleibt der Aufschrei des ADAC und der Freiheitsfreunde von der FDP? Aus wahltaktischen Gründen springt man wohl lieber auf den Traktor auf. Die Grünen auch, aber zu spät, sie werden trotzdem gemobbt. Man glaubt ihnen nicht mehr. Zuviel faule Kompromisse schaden der Glaubwürdigkeit.

    • @Matt Gekachelt:

      "Trecker auf Autobahnen? Ein Unding."

      Muss man sich dran gewöhnen. Sie sollen ja nun auch Agrardieselsteuer zahlen. Da will man auch den Asphalt sehen, der daraus gegossen wird.

  • Man kann es auch genauer beschreiben: Die Rechte will die Proteste der Bauern kapern und für ihre eigenen Zwecke instrumentalisieren. Jürgen Trittin hat dies treffend beschrieben: taz.de/Juergen-Tri...Biberach/!5992495/

  • Das ist die Saat derjenigen, die statt konkreter Politik Anfeindungen und Ausgrenzungen betreiben und sonst kaum etwas anbieten können. Gemeint sind Merz, Söder und eine CDU von anno dunnemal mit den Unterschied, dass die Spaltung in der Bevölkerung schon weiter fortgeschritten ist und Sprüche kaum noch verfangen. Wer von Deutschland als einem der 'reichsten' Länder spricht, aber bei einem zunehmenden Teil der Bevölkerung davon nichts (mehr) ankommt. Unsere Staatsform, das Demokraten predigen wie früher der Kardinal in der Kirche für viele relativieren in diesem Land einer freien, aber immer mehr kränkelnden Wirtschaft, die letztlich das Politikgeschehen bestimmt, kennt zumindest in den Vermögensverhältnissen keine gleichen Voraussetzungen. Es fehlt ein festgeschriebenes Recht auf auskömmliche und selbstbestimmte Arbeit, das z.B. auch den Landwirten nicht zugestanden wird. 'Markt'



    bedeutet Abhängigkeit der Einen und...

  • Oh nein, es hätte störende "Zurufe" geben können... dann lieber die ganze Veranstaltung absagen als Bubble-Outsider in der Halle zu riskieren!

  • Traurig, dass die Grünen so angefeindet werden.

    • @casio:

      Nein! Die Grünen sagen die Wahrheit, wenn auch nur noch ganz leise: Mit dem Kapitalismus und der Illusion vom ewigen Wachstum geht es in den Abgrund. Wir fallen schon, wissen aber nicht, wann wir aufschlagen.



      Wie Kinder an der Quengelkasse schreien wir rum und haten die Mutter dafür, wenn sie uns die Süßigkeiten nicht kauft und was von "ungesund und kein Geld" labert.



      Die Menschheit ist noch eine sehr junge Spezies. Es wird höchste Zeit, das sie Erwachsen wird. Kindheit und Pubertät sind immer gefährliche Zeiten für Lebewesen.



      Schon im Altertum waren die Überbringer von schlechten Nachrichten unbeliebt und wurden manchmal auch hingerichtet (was aber nichts nützte)

      • @Matt Gekachelt:

        Sie überbringen aber nicht nur die Nachricht, sondern sind halt auch sehr Klientelpolitisch unterwegs. Manche Entscheidungen ergeben halt keinen Sinn und sind Doppelmoralistisch, weil sie bei dem eigen Standpunkt nicht Konsequent sind.

        Bsp. Atomkraft, welche Klimapolitisch zweifelsfrei eine gute Alternative...



        Ich bin aus Umweltaspekten zwar dagegen, aber wenn ich Klimawandel bekämpfen will, dann müssen auch die Grünen der eigenen Klientel Zumutungen abverlangen



        Und diese Zumutungen gehen die Grünen nicht ein.

  • Klimakleber werden weggesperrt und als "Terroristen" bezeichnet, randalierende Bauern (?) lässt man gewähren und kommt ihren Forderungen teilweise nach. Geht's noch?

    • @Felis:

      Haben die randaliert? Habe ich gar nicht gelesen. Die Grünen hätten es stattfinden lassen sollen und gut wäre es gewesen. Vor AFD Veranstaltungsorten gibt es regelmäßig große Demos dagegen. Das juckt die überhaupt nicht, im Gegenteil sie haben Spaß daran.



      Die Grünen hätten ein Zeichen setzen können, indem sie ihren Aschermittwoch hätten stattfinden lassen. Egal wer draußen dagegen protestiert

      • @Ahnungsloser:

        "Haben die randaliert? Habe ich gar nicht gelesen."

        Steht im 1. Absatz.

        "Die Grünen hätten ein Zeichen setzen können, indem sie ihren Aschermittwoch hätten stattfinden lassen."

        Der Zugang zum Veranstaltungsort war blockiert.

      • @Ahnungsloser:

        Steht doch im Artikel.

        • @Garum:

          Angriffe auf die Polizei, nicht auf die Grünen Politiker.

      • @Ahnungsloser:

        Eine eingeworfe Scheibe an Özdemirs Begleitfahrzeug, verletzte PolizistInnen, Zufahrten blockieren, Gegenstände werfen nennen Sie dann wie?



        Schwach allerdings, dass die Grünen nicht geblieben sind.

    • @Felis:

      Nuja, man muss halt Prioritäten setzen. Der jeweils eigene Geldbeutel der jedes Jahr mit zig Milliarden subventionierten Bauern ist halt wesentlich relevanter, als die - wissenschaftlich gut begründete - Sorge junger Leute um die Zukunft der Menschheit.

  • Biberach ist insofern ein bobachtenswertes Territorium, als dort die CDU in der Vergangenheit über 70 % erzielen konnte und die Nazis in den 70ern ihre besten Ergebnisse. Dabei gehört der Kreis mit jahrzehntelanger Vollbeschäftigung und Pharma-Riesen und Maschinenbau zu den reichsten des Landes.

    Die Brut der Rechten haust in den umliegenden Dörfern, wo die Republikaner in den 90ern ihren Spitzenergebnisse erzielten. Anschlussfähigkeit des rechten Milieus zu den Bauern ist allerdings schon immer vorhanden wie auch dass die Innenstadt von Biberach grün geprägt ist und sich in Jahrzehnten einen besuchenswerten Kiez geschaffen hat mit Konzerten und vielen kulturellen Veranstaltungen und schnuckeligen Cafés, die die Stadt bereichern.

    Bei den Protesten jetzt bricht sich auch dieser Kulturkampf Bahn.

    • @rakader:

      So politisch grün geprägt ist die Stadt Biberach jetzt aber auch nicht. Sogar Gentrifizierung spielt kaum eine Rolle.

      Da ist Laupheim schon weitaus grüner... beziehungsweise linker. Wobei manche Rückzugsorte, wie die alte Brauerei leider den Erdboden plattgemacht wurden.

      Doch sicherlich ist Biberach als Landkreis ein sehr schwarzblaues Milieu. Noch erbärmlicher wird es nur in Richtung Landkreis Reutlingen.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Das hat auch niemand behauptet. Drehen Sie bitte die Aussage nicht um und kosntruieren einen Gegensatz, wo es keinen gibt.



        Biberach ist eine CDU-Hochburg. Es hat sich aber ein grünes Milieu entwickelt, das besonders in seiner Mitte sichtbar ist und sich aus den Akademikern und ihren Kindern speist, die bei Boehringer-Ingelheim Biberach und Liebherr Biberach speist. Dieses Milieu hat Biberach toleranter gegenüber früher gemacht wie es selbst gelernt hat Traiditonen zu respektieren. Der Politikertypus Winfried Kretschmann ist die Verkörperung dieser Entwicklung.



        Ich selbst komme aus diesem Umfeld und habe einen entsprechenden Freundeskreis in Biberach.

        • @rakader:

          Ehm doch. Ich konstruiere einen Gegensatz, wenn ich Wörter wie "Kiez" oder "hippe Cafes" lesen muss.







          Wenn ich Leute sehe, die in Biberach zwischen Rewe und Bahnhof herumlungern, auf die zulaufe und die dann frage: "Seid ihr Antifa?", dann muss konsequenterweise Jubel ausbrechen. Stattdessen schaut man mich blöd an.

          In Laupheim dagegen, 40km von meinem jetzigen Wohnort entfernt war das ein Traum. Richtige linke, grüne Szenen, wenn auch nur 6 oder 7 Häuse nahe der Mittelstraße und Radstraße. Kein Greenwashing wie in Biberach, egal wie viel Böhringer-Ingelheim oder Liebherr da involviert ist. Weil das ist es, was du beschreibst. Simples Greenwashing.

    • @rakader:

      Wobei der Begriff Kultur vielleicht nicht so symmetrisch verwendet werden sollte, wie es der Modeausdruck "Kulturkampf" impliziert.

      • @T 1000:

        Ich verstehe nicht, was Sie damit sagen wollen? Ich stamme aus der Gegend und kann die Gegenkultur, die in den 80ern dort gegen den schwarzen Sumpf entwickelt wurde, nicht anders beschreiben. Soziologisch wäre vielleicht Alltagskultur passender.

  • Die Verrohung schreitet leidet voran.



    Jeder Protest sollte friedlich bleiben

  • Als eine Person, die im Landkreis Biberach wohnt, wusste ich, dass die Bauern so reagieren werden. Bauern im politisch blauschwärzesten Landkreis der alten Bundesländer sind nunmal so. Aber entweder wurde ich nicht ernst genommen, oder es wurde verharmlost.

    Werden Leute mich endlich ernst nehmen, wenn ich erzähle, wie psychisch belastend und verletzend Fasching in Baden-Württemberg ist? Vielleicht in einem anderen Kommentar.