BSW in Sachsen und Thüringen: Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
BSW-Chefin Wagenknecht mischt sich in die Regierungsgespräche im Osten ein. Koalitionen gibt es wohl nur, wenn sich ihre Landesverbände emanzipieren.
Die bloße Absichtserklärung, Friedensfragen in Europa in der Präambel eines Koalitionsvertrages zu erwähnen, genügt ihr nicht. Dem Spiegel sagte sie, eine Passage gegen die Stationierung neuer US-Raketen und gegen weitere Waffenhilfe für die Ukraine müsse ins Papier. Außerdem fordert Wagenknecht, die Thüringer CDU solle sich von Bundesparteichef Friedrich Merz und seiner jüngsten „entsetzlichen Rede“ gegen den Aggressor Russland distanzieren.
Die so in Verlegenheit gebrachte Thüringer BSW-Landesvorsitzende Katja Wolf zog sich geschickt aus der Affäre. Es ginge nicht ohne Kompromisse, bei denen „alle in eine saure Zitrone beißen müssen“, sagte sie bei Zeit Online. Eine komplette Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine könne man CDU und SPD nicht abverlangen. „Es gibt in Thüringen keine Alternative zu einer stabilen Landesregierung“, so Wolf weiter. „Frau Wagenknecht weiß, wie ich ticke.“
Der CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende Mario Voigt, der Ministerpräsident werden möchte, zeigte sich demonstrativ gelassen und verwies auf die ohnehin fällige Einigung auf eine Präambel im Koalitionsvertrag. Giftiger äußerte sich SPD-Landeschef und Noch-Innenminister Georg Maier: „Mir ist es wichtig, dass getroffene Absprachen nicht durch Berliner Parteitaktik in Frage gestellt werden.“ Beide stimmen aber Nachverhandlungen zu.
Weit schärfer ging am Montag der noch amtierende Ministerpräsident Bodo Ramelow mit seiner ehemaligen Genossin ins Gericht. „Die Zarin und der Saarländer haben den kommunistischen Kadavergehorsam tief verinnerlicht“, spielte er gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland auf Wagenknecht und ihren Ehemann Oskar Lafontaine an. Und erinnerte indirekt an den Saarländer Erich Honecker, der als DDR-Staatschef auch nur die Befehle aus Moskau exekutiert habe.
Ähnliche Vergleiche kursieren auch in Sachsen unter BSW-Gegnern und Journalisten, die in ihrer Schulzeit noch Lenins Schrift „Was tun?“ studieren mussten. Darin umreißt der russische Revolutionsführer das Modell der „Partei neuen Typus“, einer zentralistisch geführten Kaderpartei. Davor warnt ein offener Brief älterer sächsischer CDU-Amtsträger und bringt offene Gespräche mit der AfD ins Spiel.
„Mit einer vergleichenden Analyse, aus der hervorgeht, was die AfD so viel gefährlicher macht als das BSW, ist die CDU bisher nicht hervorgetreten“, heißt es darin. Unterzeichnet haben unter anderen der frühere CDU-Generalsekretär und Landwirtschaftsminister Frank Kupfer, der frühere Minister und Landtagspräsident Matthias Rößler und der ehemalige Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz.
Ein Affront gegen Ministerpräsident Michael Kretschmer und die bislang ausschließlich mit dem BSW und der SPD verhandelnden Parteispitzen. „Wenn mit der AfD, dann nicht mit mir“, stellte Kretschmer nochmals klar. Die bislang nicht eingebundenen Abgeordneten und die Parteibasis stimmen ihm darin überwiegend zu.
In Sachsen beginnen erst am Dienstag die Sondierungsgespräche. Aber auch hier funkt Wagenknecht hinein. Sie fordert ein Amnestiegesetz für Bußgelder, die wegen Verstößen gegen Coronaschutzmaßnahmen verhängt wurden. Einen entsprechenden Untersuchungsausschuss kann die AfD am kommenden Freitag allein durchsetzen.
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