BSW-Wahlkampf in Brandenburg: Ein Phantom geht um
Die Wagenknecht-Partei dürfte auch bei der Landtagswahl in Brandenburg abräumen. Ihr Spitzenkandidat Robert Crumbach ist fast gänzlich unbekannt.

Die Umfragen geben Crumbach recht. Die Wagenknecht-Partei wird in der jüngsten Abfrage von Donnerstag auf 13 Prozent taxiert. Sie rangiert damit zwar weit hinter der nach wie vor führenden rechtsextremen AfD und der Regierungspartei SPD, die auf 27 beziehungsweise 26 Prozent kommen. Aber das BSW liegt eben auch nur unwesentlich hinter der mitregierenden CDU mit ihren 16 Prozent. Und erst recht vor dem dritten Koalitionspartner, den Grünen, die mit inzwischen nur noch 4,5 Prozent schwer um den Wiedereinzug in den Landtag bangen müssen. Auch in Brandenburg kann die Regierungsbildung schwierig werden. Im Zweifelsfall führt kein Weg am BSW und Crumbach vorbei.
Anders als die landes- und kommunalpolitisch seit Langem aktiven BSW-Spitzenkandidatinnen von Thüringen und Sachsen, Katja Wolf und Sabine Zimmermann, ist Robert Crumbach ein komplett unbeschriebenes Blatt. Dementsprechend gering ist sein Bekanntheitsgrad in Brandenburg.
Die Plakatkampagne des im Mai gegründeten Landesverbands mit gerade mal 40 Mitgliedern tut ihr Übriges. Landauf, landab wirbt für das BSW fast nur eine von den Laternenpfählen: Parteieigentümerin Sahra Wagenknecht. Sie sei eben „viel hübscher“ als er, sagt Crumbach.
Empfohlener externer Inhalt
Der 61-jährige Arbeitsrichter war rund 40 Jahre lang Mitglied der SPD, 2014 wollte er Landrat im niedersächsischen Stade werden. Er scheiterte. Danach habe er sich immer mehr von der SPD entfremdet. Dem in diesem Jahr neu gegründeten BSW schloss er sich an wegen der Friedensfrage und dem Einsatz für Arbeitnehmer:innenrechte, wie er erklärt. Auf dem Gründungsparteitag des Landesverbands wurde er zum Vorsitzenden gewählt, im Juni ohne Diskussionen zum Spitzenkandidaten ausgerufen.
Crumbachs Auftreten unterscheidet sich deutlich von dem Wagenknechts. Der bullige Mann ist nicht ständig auf Krawall gebürstet und wirkt auch nicht so, als müsse er immer recht haben. Er redet ruhiger, fällt seinem Gegenüber nicht ständig ins Wort. Die Kehrseite: Ein mitreißender Redner ist er nicht.
Das zeigt sich auch am Mittwochnachmittag bei einer Kundgebung des BSW auf dem zentralen Marktplatz von Brandenburg an der Havel, rund 60 Kilometer westlich von Berlin. Crumbach ackert sich vor den rund 500 Zuhörer:innen eine halbe Stunde durch überwiegend landespolitische Forderungen: mehr Polizist:innen, mehr Wohnungsbau, mehr Lehrer:innen, ein kostenloser ÖPNV für Schüler:innen. Innovativ ist das nicht. Es findet sich auch in anderen Programmen.
Der Spitzenkandidat sagt Sätze wie: „Wir haben die Möglichkeit, ein bisschen was hier in Brandenburg zu verändern, aber auch darüber hinaus ein Signal für den Bund zu setzen.“ Oder: „Wir wollen eine vernünftige Politik, die nicht Einzelinteressen und sogenannte woke Interessen, sondern die gesamte Gesellschaft in den Mittelpunkt stellt.“ Das überwiegend ältere Marktplatzpublikum klatscht artig hier und da. Der Funke springt nicht über.
„Sahra wird jetzt zu Ihnen sprechen“
Zuletzt handelt Crumbach in der Havelstadt noch rasch die Friedensfrage ab, dann hat er sein Manuskript zu Ende vorgelesen und kann den eigentlichen Höhepunkt der Veranstaltung ankündigen: „Sahra ist da, und sie wird jetzt zu Ihnen sprechen.“
Sahra Wagenknecht hält sich auch nicht mit Vorreden auf, sondern spult ihr aus Funk und Fernsehen bekanntes Programm ab. Im Gestus der Dauerempörung geht es gegen die „durch und durch irre“ Energiepolitik der „unsäglichen Ampel“, die „schwachsinnige“ Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und – als Finale – das „wahnsinnige Wettrüsten“ der Bundesregierung.
Brandenburg und Crumbach erwähnt sie nur am Rand. Es geht ums große Ganze und vor allem gegen „die hippe grüne Großstadtblase“ von Berlin-Mitte, die angeblich mit ihrem Tesla beim Bioladen vorfahre. Dem Publikum in Brandenburg an der Havel gefällt das. Es wird immer wieder lange applaudiert und mit „Ja, so ist es“ zugestimmt. Dafür sind die Leute gekommen. Auch in Brandenburg gilt: Wagenknecht ist die Partei, die Partei ist Wagenknecht.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!