piwik no script img

Autorität in der ErziehungTanzt mir doch auf der Nase rum

Saskia Hödl
Kolumne
von Saskia Hödl

Viele Erwachsene können sich nicht damit abfinden, dass Kinder so viel wert sind wie sie. Den Machtanspruch loszuwerden ist nicht einfach.

Kinder, heute gibt es „falsche“ Spaghetti! Foto: Celine Marchbank/plainpicture

M anchmal ist man dem Kind unterlegen. Weil Kinder nicht immer kooperativ sind. Weil Kinder nicht verstehen, was es heißt, dass gleich ein Meeting beginnt. Oder dass Eltern auch mal aufs Klo müssen. Weil Kinder an einem Tag Spaghetti lieben und am nächsten einen Nervenzusammenbruch haben, weil die gleichen Nudeln plötzlich „falsch aussehen“.

Mit Argumenten ist da nichts zu machen. Man hat die Wahl, sich entweder nach dem Kind zu richten und zu spät zu kommen, das Kind aufs Klo mitzunehmen und es zu fragen, was es denn lieber essen würde als Spaghetti. Oder man pocht auf seine Autorität, sagt Dinge wie: „Du musst“, „Hör jetzt auf“ oder „Das passiert jetzt so, weil ich es sage“.

Autoritäres Verhalten hat mehr mit einem selbst zu tun, mit den eigenen Gefühlen und Unzulänglichkeiten, als mit dem Gegenüber. Es ist der Versuch, eine andere Person zu kontrollieren. Jeder von uns hat Tage, da läuft es nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Wenn uns dann noch jemand anbrüllt und unter Druck setzt, wird es davon sicher nicht besser.

Aber in unserer Gesellschaft ist tief verankert, dass Kinder weniger wert sind als Erwachsene. Dass ihre Gefühle und Meinungen nicht valide sind. Und dass man „durchgreifen“ muss, sonst tanzen sie einem „auf der Nase herum“.

Missouri hat die Prügelstrafe wieder eingeführt

Als Erwachsene diesen Machtanspruch loszuwerden, den man so in keiner anderen zwischenmenschlichen Beziehung erheben würde, ist viel Arbeit. Manchmal rutscht mir immer noch ein „Weil ich es sage“ raus. Einatmen, ausatmen. Verbindung zum Kind suchen. Sich von anderen Menschen, die einen beobachten, nicht beeinflussen lassen.

In einer Kleinstadt im US-Bundesstaat Missouri wurde gerade die Prügelstrafe in Schulen wieder eingeführt. Mit Einverständnis der Eltern soll mit einem Holzpaddel geprügelt werden, wenn Alternativen ausgeschöpft seien. Das dürfe keine Verletzungen oder körperlichen Schäden verursachen. An die seelischen Verletzungen denkt dort niemand. Leider gibt es immer Erwachsene, die sagen, das habe ihnen selbst ja auch nicht geschadet. Was natürlich nicht stimmt. Irgendwo in ihnen drin sitzt ein kleines, zusammengekauertes Kind, das Rotz und Wasser heult. Doch wenn sie das zugeben würden, müssten sie sich damit auseinandersetzen, wie schlecht jemand, den sie liebten, sie behandelt hat.

Manchmal denke ich daran, wie viele Menschen ich kenne, die über 50 sind und als Kind geschlagen wurden. Kinder, die unter eiskaltes Wasser gestellt wurden, wenn sie geweint haben, die mit Ohrfeigen zum Essen gezwungen oder dem Gürtel verdroschen wurden. Manchmal denke ich daran, wenn meine Kinder nicht tun, was ich gerne hätte, und freue mich über ihre angstfreien, unverwundeten Kinderseelen. Dann komme ich zu spät zum Meeting. Nehme das Kind mit aufs Klo. Oder gehe in die Küche und koche die „richtigen“ Nudeln.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Saskia Hödl
Autorin
Jahrgang 1985, ist freie Autorin in Wien und schreibt über Politik, Medien und Gesellschaft. Ehemalige taz panter Volontärin, taz eins Redakteurin und taz2&Medien Ressortleiterin.
Mehr zum Thema

28 Kommentare

 / 
  • Wenn Eltern eine Entscheidung gegen das Kind durchsetzen müssen (z.B. Arztbesuch), sollte immer erklärt werden, warum und wieso.



    Das "Warum? - Darum!" finde ich schrecklich.

    • @Gambitus:

      "Wenn Eltern eine Entscheidung gegen das Kind durchsetzen müssen, sollte immer erklärt werden, warum und wieso."



      Entsprechende Einsichtsfähigkeit vorausgesetzt. Es ist relativ sinnlos einer Zweijährigen die Notwendigkeit vieler Dinge zu erklären und ihr Einverständnis zu erwarten...

      • @Encantado:

        May be. Frauman sollte es aber immer wieder versuchen. Schon aus Trainingsgründen. Woll.



        &! Vor allem weil =>



        Weil niemand & selbst Sie Volldurchblicker - wa!



        Nie wissen werden - ab wann genau ihr Kind was genau “versteht“ & nicht abschätzen können - was genau sich in dessen - auch Körper- - Gedächtnis “absintert“! Gellewelle. Get it? Fein.

        kurz - Ihre Vorurteile - Bequemlichkeit - Respektlosigkeit & einer eigenen autoritätsfixierten Hoch-tief-Haltung geschuldeten Sichtweise - sind der Entwicklung ihres Kindes abträglich. Brief&Siegel



        servíce - aber bei einigem Nachdenken -kommens scho selber drauf. Masel tov.



        &



        Nischt for unjut - wa.



        ps (2x2 Runden kids & zZt 4 x Opa;)



        nickname u.a.: “…the man with the dog and the two children;))“



        “…dank dir - daß du mich immer an der langen Leine hast laufen lassen. Anders als meine Kommilitonen krieg ich meinen Scheiß immer locker auf die Kette!“ - grad noch der jüngste.

        Ende des 🎡 der Eitelkeiten & 💤💤💤

        • @Lowandorder:

          "Frauman sollte es aber immer wieder versuchen. Schon aus Trainingsgründen. Woll."



          Yepp. Wie sollte man sonst auch die augenblickliche Einsichtsfähigkeit ermitteln? Binse.



          Aber der Anspruch, Entscheidungen gegen den momentanen Kindeswillen nur mit dessen (Ein-)Verständnis treffen zu können, ist mit Verlaub bereits semantisch Nonsens.



          Das sollte selbst Ihnen auffallen. Aber lehnen Sie sich zurück, vielleicht kommt's Ihnen ja auch ganz von allein.



          "Get it? Fein."



          Genau.



          "servíce"



          Ich erhebe keine Gebühren. Man soll seine Mitmenschen nicht zusätzlich belasten.



          Gerne. Danichfür.

          • @Encantado:

            Hä?



            “Aber der Anspruch, Entscheidungen gegen den momentanen Kindeswillen nur mit dessen (Ein-)Verständnis treffen zu können, ist mit Verlaub bereits semantisch Nonsens.

            Das sollte selbst Ihnen auffallen.…“



            &



            Ehna - daß ich das nirgendwo sage.



            & semantisch¿ blinder Fleck - wa!;)



            “Beispiele:



            [1] Semantisch gesehen ist der Satz "Der Fluss erschießt den Hasen" Unsinn.



            [1] Was Du sagtest, ist zwar syntaktisch korrekt, aber semantisch ergibt es keinen Sinn.



            [1] „Verschiedene linguistische Ansätze haben den Anspruch erhoben, mit einem universellen semantischen Beschreibungsvokabular zu arbeiten (…).“[1]



            [1] „Wir stoßen außer den genannten orthographischen und phonetischen noch auf morphologische, semantische und syntaktische Probleme vielfältigster Art, die einer genauen Wortdefinition entgegenstehen.“[2]



            [1] „…; mit ihm werden unterschiedslos semantische (synonymische wie antonymische, hyponymische wie hyperonymische), wortbildnerische und grammatische Beziehungen hergestellt.“[3]



            [1] „Das Erfassen semantischer Nähe scheint daher in Bezug auf die Untersuchung paronymer Paare/Gruppen geeignet, weil ähnliche Fragen der semantischen Abgrenzung wie bei der Synonymforschung bestehen.“[4]



            [1] „Ich hatte dies immer für eine Art von semantischer Falle gehalten, aber als ich durch mein eigenes Land fuhr, war ich mir dessen nicht mehr so sicher.“

            Always at your servíce & „Vorschnell mit dem Urteil ist die Jugend!“ Newahr.



            Normal •

            • @Lowandorder:

              Semantische Entwicklung:



              @gambitus-"eine Entscheidung gegen das Kind durchsetzen sollte immer erklärt werden, warum und wieso."

              @encanto-"



              sinnlos einer Zweijährigen die Notwendigkeit vieler Dinge zu erklären und ihr Einverständnis zu erwarten..."

              @lowandorder



              "Frauman sollte es aber immer wieder versuchen."

              @encanto-



              "Entscheidungen gegen den momentanen Kindeswillen nur mit dessen (Ein-)Verständnis treffen zu können, ist mit Verlaub bereits semantisch Nonsens."

              • @Lästige Latte:

                Keine eine eine Frage “Verlaufen?“

                • @Lowandorder:

                  Gesucht u Gefunden.

  • Diese Kolumne vernachlässigt alle Erkenntnisse über Kindesentwicklung seit Remo H. Largo ...

    • @Markus Wendt:

      Genau ... den habe ich auf den unten zitierten Kongressen erlebt.



      Der Name war mir entfallen.

      Zu den verschiedenen Kommentaren zum Thema "Gewalt in der Erziehung der Geburtsjahrgänge 1957 - 1982": Mir ist bewusst, dass es auch noch in den 60er und 70er Jahren Gewalt in der Erziehung gegeben hat, auch die Zustände in der Heimerziehung sind mir bekannt. Ich kritisiere die verallgemeinernde Aussage der Autorin über die "vielen Kinder", die angeblich in dieser Zeit noch mit Gürteln verdroschen, unter Eiswasser gestellt oder mit Ohrfeigen zum Essen gezwungen wurden. Das ist ein Zerrbild von zwei Jahrzehnten, in denen die Gewalt in der Erziehung signifikant gesunken ist!

  • Booey! Nein. Das ich das noch bileben darf. Sojet SELTEN - & in beiderlei Bedeutung* - inne taz Bayernkurier van Immergriins! Gellewelle&Wollnichtwoll!

    Was ich meine? Na - die beiden konterkarierend-verschränkten Beiträge



    @ Plewka Jürgen - wa!



    &



    @Phandersaa - Gelle!



    Damit & vor der Folie des subobtimalen Beitrags der Autorin!



    Wird wie durch ein Brennglas - als ERSTES & geradezu übersichtig & unabweisbar - Newahr! - Überdeutlich:



    - SCHLAND IST EINE KLASSENGESELLSCHAFT • - 🙀🥳😳 -



    Ok Ok - Ach was! © Vagel Bülow



    &



    ZWEITENS - Tritt eines DER Grundübel - Blindfleck - der Grünen plastisch greifbar hervor: “Immer von sich auf andere schließen! In ihrer Karrieregeilheit & ihrem Klassenaufstiegswahn (Kinder Harvard Princton das mindeste!) aber nicht über den eigenen Tellerrand hinaus - das Gegenüberunter(plebs/pröll) nicht die Bohne kennen - gar gelebt anverwandelt!



    zB Eine Grüne wird angepisst - „weil sie als Mädchen Häuptling sein wollte“. Geht’s noch!



    Das ist @Phandersaa & seinen Kumpels “narrativ schlicht nicht zu vermitteln!“ (Sorry - Jürgen Habermas!;))



    & Däh - Womit sich -



    DRITTENS - erklärt: Warum - SOZIAL -



    Den Grünen unbekannt - ein Brief mit sieben Siegeln ist! Newahr.



    Normal Schonn •



    & mal im Ernst sein Mantel —



    Da können noch so viele Immergriins Apologeten - Mietmäuler - Pro-domo-Karriere-Aspiranten - inne der taz-Fischeinwickelgazetta einen & noch einen & keine eine Frage & Beschützende Werkstätten Fjutscher2 & Co. - vom Pferd erzählen! Gellewelle 🧹



    Das zieht doch - durchsichtig wie nix Gutes - keinen müden Hering mehr vom Teller •

    kurz - “Da könnt ihr eure Fische in einwickeln! Glauben - tut euch all that shit - doch alllang niemand mehr •



    Brief&Siegel

    unterm—-* SELTEN - kl. Erklärung



    “Pasters Söhne - Müllers Vieh! Geraten - selten - oder nie!“ wußte schon immer Volkers 👄 ! Get it? Fein



    & mit Harry Rowohlt - etwas 🎶🎶



    „WORKING CLASS HERO - John Lennon/Plastic Ono Band -



    m.youtube.com/watch?v=iMewtlmkV6c

    Ende des Vorstehenden

  • Beziehung statt Erziehung.



    Man sollte auch mal seine Karten offen legen und zugeben, keine Lust auf richtige Nudeln und kein Verständnis für die Perspektive zu haben, einen Apfel als Ersatz anbieten und guten Appetit wünschen.



    Wenn man keine Gefühle zeigt, können auch Kinder nicht empathisch reagieren.

  • Autorität, Kontrolle und Abwertung sind demnach alles dasselbe?



    Ich vermisse auch die Verantwortung gegenüber dem mir vom Schicksal anvertrauten Menschen, der einfach in seinem Reifeprozess noch nicht weit genug ist, dem ich als (hoffentlich) gereifter Mensch zu seinem Besten unterweisen, ihm helfen, ihn schützen sollte...



    Ja, diese Verantwortung zu tragen ist nicht immer lustig. Aber sich darauf zurückzuziehen, das sei ja nur eine Nicht-Anerkennung des Kindes als gleichwertig, halte ich für billig - und Unsinn. Erwachsene und Kinder sind nicht gleich. Das hat nichts mit Wertigkeit zu tun.

    • @Encantado:

      ... Kinder sind nicht gleichwertig nein sie sind MEHRWERTIG ! Wir sind unserem Nachwuchs immer als vollwertige Menschen , mit Respekt und Wertschätzung begegnet- mit allen Konsequenzen, und es war eine völlig stressfreie Zeit, sowohl für die Kinder



      wie auch für uns Eltern. Der Erfog zeigt , wenn wir heute Umgang haben, ist es noch genauso.

      • @Alex_der_Wunderer:

        Lüge! Wer Kinder hat, hat zwangsläufig auch mal Stress!

      • @Alex_der_Wunderer:

        Klar sind Kinder (insbesondere die eigenen) mehrwertig. Aber das bedeutet nicht, dass sie alles entscheiden können. Wer ist der Bestimmer? - Mama!

  • Zu Erziehung gehört auch Autorität - aber keine körperliche Gewalt. So einfach ist das.

    • @Frank Stippel:

      ... körperliche Gewalt sollte ein absolutes Tabu sein - aber denken Sie einmal an die ganzen Arten von psychischer Gewalt Liebesentzug Nichtbeachtung,



      denunzieren, pp.

  • Vernachlässigen oder prügeln - die Welt ist erfreulicherweise dann doch vielfältiger.



    Keine Erziehung ist auch Misshandlung.



    Es geht darum Respekt vor Anderen zu vermitteln, auch den Eltern. Da werden dann Grenzen nötig, die man als Kind lernt, nicht zu überschreiten.



    Und mit Liebe ist das sowieso alles einfacher

  • Warum ein Kind als weniger wert eingestuft würde, wenn Eltern ihm nicht nachgeben, erschließt sich nicht.



    Seinem Kind keine Erziehung zu schenken, kann auch nachteilig sein.

  • Alice Miller: Am Anfang war Erziehung.

  • Ich denke Autorität ist nicht zwangsläufig Zwang und laute Sprache. Autorität kann auch sein eine Sicherheit zu vermitteln, wie Dinge zu werten sind und was in Ordnung ist und was nicht. Kinder stellen das später sowieso in Frage und das ist auch gut so, müssen sie doch den eigenen Weg finden, aber sie brauchen auch ein Gegenüber, von dem sie sich in der Pubertät dann abgrenzen können, das ist essentiell und das schulden Eltern, aus meiner Sicht auch den Kindern. Aber im Kleinkindalter müssen Kinder noch nicht aktiv das gesamte Handeln entscheiden. Rücksichtnahme ja, aber kindgerecht.



    Kindern die komplette Entscheidung über das Essen zu überlassen und alle Alternativen zu diskutieren gehört da aus meiner Sicht nicht dazu.



    Was Essen angeht beobachte ich oft, dass Kinder gefragt werden, was sie essen möchten. Ist nett gemeint und ich verstehe die Intention, es endet aber oft in einer Nudeldiät Und die Frage provoziert geradezu erst eine Diskussion. Irgendwann geht es dann gar nicht mehr ohne Diskussion. Oft ist es auch eine selbsterfüllende Prophezeiung, Kinder essen sowieso nur Nudeln oder Überforderung der Kinder zwischen den unbekannten Kategorien zu entscheiden. Woher soll auch ein Kind wissen, wie ein Essen, ein Gemüse schmeckt und wie soll es das bewerten, wenn es das Essen gar nicht kennt?



    Bei unseren Kindern mußte immer eine Gabel von jedem probiert werden, wenn`s dann nicht geschmeckt hat, dann gab`s was anderes. Hauptsache es wird einmal probiert. Gewertet haben wir das Kindervotum nicht, außer der Bemerkung dass es uns schmeckt.



    Eine Tochter mag heute noch nicht so recht Gemüse, aber manches schon und das besonders gerne, die anderen essen sehr gerne Gemüse, aber auch Pommes und Nudeln.



    Wichtig ist das sie Spaß am Essen haben und nicht gelernt haben, was man alles nicht essen mag, sondern auch mal ausprobiert.

    • @nutzer:

      ... kann Ihnem nur beipflichten. Vorleben ist das ganze Geheimnis. Schließlich spiegeln viele Kinder oft in ihrem Verhalten nur Verhaltensweisen ihrer Eltern wieder.

  • Als Reaktion auf den "Pisa Schock" initiierte der Bildungsjournalist Reinhard Kahl in den 0er Jahren das "Archiv der Zukunft" und organisierte u.a. eine Reihe von spektakurären Kongressen mit vielen hundert Teilnehmern und der Creme de la Creme der deutschsprachigen ReformpädagogInnen. Ich erinnere mich gut, wie mir dort ein Psychologe die Bedeutung und den Wert des Begriffs "Schützling" reformpädagogisch erläuterte und für mich als Lehrer sozusagen rehabilitierte.

    Dieser Artikel hier ist so meilenweit weg vom reformpädagogischem (oder sonstigem) Diskussionsstand zum Thema "Autorität" in der Beziehung. Und selbstverständlich bedeutet ein unterschiedliches Machtgefälle in der Familie (oder der Schule, dem Sportverein, etc.) nicht, dass damit impliziert wäre, dass das Kind/ die Schülerin/ der Tennisanfänger weniger wert wäre als das Elternteil/ die Lehrerin/ der Trainer. In vielen Situationen brauchen Kinder "einfach" Schutz ... und von wem sollen sie den bekommen, wenn nicht vom erfahreneren Elternteil, das diesen Schutz aus Liebe liefert ... mit dem Ziel, irgendwann überflüssig zu werden.

    Den Kopf geschüttelt habe ich auch bei "Manchmal denke ich daran, wie viele Menschen ich kenne, die über 50 sind und als Kind geschlagen wurden. Kinder, die unter eiskaltes Wasser gestellt wurden, wenn sie geweint haben, die mit Ohrfeigen zum Essen gezwungen oder dem Gürtel verdroschen wurden."

    Ich bin Jahrgang 1957, Mittelschichtkind und Gymnasiast. Ich kann versichern, dass in meiner Generation kaum noch jemand in der Familie und so gut wie nie in der Schule geschlagen wurde und ich kenne auch keine empirische Untersuchung über Erziehungspraktiken der Geburtsjahrgänge 1957 - 1982, die die Aussage der Autorin auch nur annähernd bestätigen würde.

    Schade, dass solch "dünne" Artikel in der taz erscheinen können.

    • @Plewka Jürgen:

      Wir Jahrgang 1962 und 1963 können auch nur von unserer völlig gewaltfreien Kinder - und Jugendzeit berichten. Auch in unserem Umfeld , sowohl damals wie heute ist Gewalt ein totales No go !

    • @Plewka Jürgen:

      Ich denke da an meine Mutter, Jahrgang 1958, die aufgrund ihrer Lungenprobleme auf eine Insel geschickt wurde (ich glaube, sie war 5 Jahre alt).

      Sie erzählte mir, wie sie jeden Morgen mit eiskaltem Wasser abgespritzt wurde, sie dauernd angebrüllt wurde und noch andere schlimme Dinge erleben musste. Ihr ging es furchtbar dort. Die Postkarte, die ihre Eltern erhielten wurde von den Angestellten Vorort geschrieben und erzählte nur, wie schön alles sei.

      Vor wenigen Jahren erfuhr ich, dass all dies später als Kindesmisshandlung in Heilanstalten bezeichnet wurde.

      Hier ein Bericht darüber:



      www.swr.de/report/.../6q0wyx/index.html

      Ihre Eltern waren zum Glück wesentlich liebevoller zu ihr.

      • @sk_:

        Im Artikel wie bei @Plewka Jürgen geht es aber um den Erziehungsstil der Eltern.

        Und da passt, was Ihre Mutter bei ihren Eltern erlebt hat, voll ins Bild.

        Der Erziehungsstill der Eltern ändert sich schneller, weil Eltern immer nur ein relativ kurzes Zeitfenster haben.

        In solchen Anstalten arbeiten die Beschäftigten ggf. 40 Jahre.

        Den Erziehungsstil wird man als Angestellte kaum noch ändern.

        Wenn Ihre Mutter also etwa 1963 in der Anstalt war, dürfte sie auf eine Reihe von Erzieherinnen getroffen sein, die den Beruf bereits zur Nazi-Zeit ausübten.

        Was kann man da erwarten?

    • @Plewka Jürgen:

      Werter Plewka Jürgen, da hatten Sie aber Glück in Ihrem Teil der Mittelschicht!

      Ich bin Jahrgang 1962, Arbeiterkind, unter Arbeiterkindern aufgewachsen. Manchmal arbeiteten auch die Mütter. Dresche gab`s von Vätern wie Müttern mit allem, was greifbar war: Mit der Hand, dem Kochlöffel, Teppichklopfern, Kleiderbürsten und den erwähnten Gürteln. Wer mit seinen Eltern Glück hatte, "fing" nur alle par Wochen eine Backpfeife, wer Pech hatte, wurde täglich verdroschen. Die, die völlig ohne körperliche "Züchtigung" davon kam, waren Ausnahmen wie Glückspilse gleichermaßen.

      In der (Grund- und Haupt)Schule wurde seltener geschlagen, aber bei meiner Einschulung 1968 lag noch auf jedem Pult ein Rohr- oder Weidenstock, mit dem im "Bedarfsfall" auf die Hand geschlagen wurde. In der fünften Klasse schlug mir meine Klassenlehrerin mit ihrem Diamantring die Lippe blutig und mit zwölf musste ich erleben, wie der Konrektor einen lerngehinderten Mitschüler derart verprügelte, dass er mitsamt der Schulbank hinstürzte.

      Wenn ich davon ausgehe, dass Lehrer zur Mittelschicht gehör(t)en und die eigenen Kinder ebenfalls schlugen, wüsste ich nicht, warum in anderen „bessergestellten“ Haushalten Erziehung gewaltfrei gewesen sein sollte.