Aufhebung des „Compact“-Verbots: Eine berechtigte Entscheidung
Für Medienverbote muss es besonders hohe Hürden geben, auch bei extremistischen Magazinen wie „Compact“. Die Gerichtsentscheidung ist deshalb richtig.
D as rechtsextremistische Magazin Compact kann vorläufig wieder erscheinen. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) und gab damit einem Eilantrag von Compact statt. Die Leipziger Richter:innen zeigen damit, dass sie für Medienverbote besonders hohe Hürden sehen – und das ist gut.
Die Compact Verlags GmbH war im Juli von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) verboten worden, weil sich das vom Verlag herausgegebene Magazin Compact gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Grundlage hierfür war das Vereinsgesetz. Dass ein Medium auf Grundlage des Vereinsgesetzes verboten wird, fanden damals viele seltsam, auch Bürgerrechtler:innen. Wird hier nicht die Pressefreiheit unterlaufen?, fragten sie.
Diese Kritik hat das Bundesverwaltungsgericht nun aber zurückgewiesen. Der Verlag sei eine Organisation und kann daher nach dem Vereinsgesetz verboten werden. Mit dieser Argumentation war zu rechnen.
Dennoch ist die Leipziger Entscheidung – bei aller Ablehnung der Inhalte von Compact – erfreulich. Denn der Beschluss zeigt, dass die Prüfung der Verhältnismäßigkeit hier ernst genommen und der Pressefreiheit ein großes Gewicht zugemessen wurde. Dreh- und Angelpunkt ist dabei, ob die teilweise menschenverachtenden Äußerungen im Compact-Magazin für die Publikation „prägend“ sind.
Eine Schlappe für Innenministerin Faeser steht bevor
Wenn etwa behauptet wird, die Masseneinwanderung verwandele Deutschland in eine „große Vergewaltigungszone“, dann verletzt diese Pauschalverhetzung die Menschenwürde aller Einwanderer. Aber das Gericht wird in der Hauptverhandlung prüfen, ob solche Formulierungen die Regel oder die Ausnahme sind.
Den Richter:innen hat vermutlich zu denken gegeben, dass in der Verbotsverfügung viel aus Äußerungen von Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer bei Veranstaltungen zitiert wurde. So habe Elsässer gesagt, das Ziel von Compact sei „der Sturz des Regimes“. Das Leipziger Gericht hält daher zum Beispiel konkrete Versammlungsverbote für ein milderes geeignetes Mittel als ein generelles Verbot.
Diese Herangehensweise ist zu begrüßen. Und es spricht manches dafür, dass dieser Gedanke dann auch in der Hauptsache-Entscheidung zum Tragen kommt. Hier deutet sich eine Schlappe von Innenministerin Nancy Faeser an, die nicht zum ersten Mal den Schutz von Grundrechten vernachlässigt.
Allerdings hängt vieles nun auch von Compact selbst ab. Wenn die Extremist:innen nun erst recht hetzen, dann kann am Ende doch auch ein Verbot von Verlag und Magazin stehen. Dann haben sie es aber auch nicht anders verdient.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter