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Aufbau antiwestlicher StaatenallianzAnnäherung an die Taliban

Russland und China bewegen sich Schritt für Schritt in Richtung einer vollen diplomatischen Anerkennung des afghanischen Taliban-Regimes.

Kabul, 25. April: Der stellvertretende Wirtschaftsminister der Taliban, Mullah Abdul Ghani Baradar, besucht eine Messe Foto: Samiullah Popal/epa

Berlin taz | Dank der russischen Regierung kommen Afghanistans Taliban der ersehnten diplomatischen Anerkennung einen Schritt näher. Am Dienstag verbreitete Russlands offizielle Nachrichtenagentur Tass ein Video, in dem Präsident Wladimir Putin lässig mit der Hand in der Hosentasche erklärt: „Afghanistan hat Probleme, fraglos, das ist allen bekannt.“ Aber die Taliban seien „die Leute, die die Macht haben im heutigen Afghanistan.“ Beziehungen mit ihnen seien „notwendig“. Man studiere dazu auch die Meinungen von Russlands „Partnern und Freunden in Zentralasien“.

Dort unterhalten viele Länder bereits intensive Beziehungen mit den Taliban, ohne deren Regime allerdings bisher offiziell anzuerkennen. Wie westliche Länder sind sie daran interessiert, dass die national-islamistischen Taliban am Hindukusch weiter die weltweit agierende Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) bekämpfen.

Bereits am Montag teilten Russlands Außen- und das Justizministerium Putin mit, er könne die Taliban von der Liste der terroristischen Organisationen streichen. Außenminister Sergej Lawrow wies darauf hin, dass Kasachstan dies bereits getan habe. Man warte nun auf eine Entscheidung, so Russlands Afghanistan-Sonderbotschafter Samir Kabulow.

Er hatte den Vorschlag am Montag im Fernsehen begründet: Moskau sei an einer Kooperation interessiert, „nicht nur in verschiedenen Wirtschaftssektoren, sondern auch zwischen unseren Strafverfolgungsbehörden“, angesichts „des effektiven Potenzials“ der Taliban, „den ‚Islamischen Staat‘ zu unterdrücken und zu eliminieren“.

Trotzdem sei es aber laut Kabulow „voreilig, von Anerkennung zu sprechen“. An diesem Thema werde „weiter gearbeitet“.

Moskaus Handelsvolumen mit Kabul hat sich verfünffacht

Bereits zwei Wochen zuvor hatte er erklärt: „Ich will nicht sagen, dass die Taliban unsere Freunde Nummer eins sind, aber sie sind offensichtlich keine Feinde.“ Russlands Handelsvolumen mit Afghanistan verfünffachte sich seit 2021, als die Taliban wieder die Macht übernahmen, liegt aber noch deutlich hinter Pakistan und Iran.

Bisher erkennt kein Land das Taliban-Regime vollumfänglich diplomatisch an. Russland, China und weitere Staaten haben jedoch Botschafter in Kabul. China akkreditierte als erstes Land im Weltsicherheitsrat einen von den Taliban ernannten Botschafter. Präsident Xi Jinping höchstpersönlich nahm im Januar in Peking dessen Beglaubigungsschreiben entgegen.

Das ist Teil der russischen und chinesischen Außenpolitik, eine antiwestliche Staatenallianz zu schmieden, wie dies auch bereits in Afrika und Teilen des Balkans sichtbar ist. Russland und China halten sich bisher aber an den Konsens, den Taliban nicht Afghanistans UN-Sitz zu übertragen.

Die meisten Staaten Zentralasiens, einige am Golf und auch etwa die Türkei, akkreditierten bereits niederrangigere Taliban-Diplomaten. Auch westliche Länder haben Botschafter für Afghanistan, die aber in Nachbarländern residieren. Die der Schweiz, Japans, Norwegens und Großbritanniens etwa reisen regelmäßig nach Afghanistan.

Andere Länder wie die USA oder Deutschland vermeiden das. Sie treffen aber Taliban-Vertreter, meist in Katar. Dort gab es auch wiederholt US-Taliban-Kontakte zum Thema Bekämpfung des IS.

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6 Kommentare

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  • Das ist in der Tat ein Phänomen und Paradox in einem: Einerseits unterstützt man das Taliban Regime, also quasi das Mittelalter, was wir schon durchgemacht haben (uff) und stellt sich gleichzeitig demonstrativ gegen den Westen. Anderseits genießen alle, nicht Taliban ausgenommen, alle Vorzüge und Luxusgüter des Westens - geschweige vom Geschäft, was der Handel mit denen ermöglicht, auf dessen keiner (auch Taliban nicht) verzichten möchte - Was für eine verlogene Welt!

    • @Tomphson:

      Das ist kein Widerspruch: dass man den aus westlichen Staaten bekannten materiellen Wohlstand anstrebt, impliziert keine Vorlieben für das westliche Gesellschaftsmodell (was wir übrigens auch aus unserer eigenen Geschichte kennen: die Gegner der parlamentarischen Demokratie wollten ja nicht unbedingt zurück zum Agrarstaat, sondern haben durchaus für autoritäre Entwicklungsmodelle plädiert).

  • Verbrecherregime dieser Welt vereinigen sich, um gegen den bösen Westen zu agieren.

  • Die 3 Terrorstaaten passen ja auch menschenrechtlich bestens zusammen.

  • Derweil verübt China einen Genozid an den Uighuren.

    Und selbst die Taliban, und mit ihnen die gesamte islamische Welt, schweigen und zucken mit den Achseln.

  • "Russland und China bewegen sich Schritt für Schritt in Richtung einer vollen diplomatischen Anerkennung des afghanischen Taliban-Regimes"

    Oder einfach nur: Da kommt zusammen, was zusammen gehört!