Ringen um Termin für Neuwahl: Wann ist denn endlich wieder Wahltag?
Olaf Scholz wird seinen Plan, die Vertrauensfrage erst am 15. Januar zu stellen, wohl nicht durchhalten können. Der Druck wird immer größer.
Eigentlich hatte Scholz bereits einen Termin genannt. Er werde am 15. Januar im Bundestag die Vertrauensfrage stellen, Ende März könnten dann Neuwahlen stattfinden, erklärte er am Mittwoch vergangener Woche, als er die Ampel-Koalition für gescheitert erklärte. Zuvor wolle er aber noch Gesetzentwürfe durch den Bundestag bringen, die keinen Aufschub duldeten, etwa der Ausgleich der kalten Progression, die Stabilisierung der Rente oder Sofortmaßnahmen für die Industrie. Und dafür auf die Union zugehen.
Doch die erteilte ihm umgehend eine Absage. Scholz sollte sich noch ein paar Wochen als Anführer einer Minderheitsregierung beweisen dürfen? Nimmer. Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz forderte Scholz auf, sich schon diese Woche im Bundestag zur Abstimmung zu stellen – und am 19. Januar neu wählen zu lassen.
Auch andere Parteien, darunter die FDP, das Bündnis Sahra Wagenknecht und Politiker:innen der Grünen forderten Scholz auf, rascher für klare Verhältnisse zu sorgen und die Vertrauensfrage vorzuziehen. Der Druck auf den Kanzler wurde zu groß, er kündigte am Freitag am Rande des EU-Ratsgipfels in Budapest an, dass er sich auch einen früheren Zeitpunkt vorstellen könne. Man solle über den Wahltermin „unaufgeregt diskutieren“. Am Sonntag bekräftigte er in der Sendung Caren Miosga: „Dass ich noch vor Weihnachten die Vertrauensfrage stelle, ist für mich überhaupt kein Problem.“ Abhängig machte er es davon, dass sich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich mit Oppositionsführer Friedrich Merz einig werde. „Daran werde ich mich orientieren.“
Union lässt nicht locker
Besonders souverän wirkte das nicht. Zum einen, weil Scholz sich binnen 48 Stunden korrigierte. Und zum zweiten, weil der Kanzler, der das Verfahren zur Auflösung des Bundestags in Gang setzen muss, die Verantwortung aus der Hand gibt. Der Ball liegt jetzt im Bundestag, die Union ist allerdings nicht bereit, den Kanzler schnell aus der Zwickmühle zu entlassen.
Verschiedene Unionspolitiker drängten am Montag weiterhin darauf, dass der Kanzler bei seiner Regierungserklärung am Mittwoch auch die Vertrauensfrage stelle. „Scholz sollte jetzt keine weiteren Nebelkerzen werfen“, sagte etwa Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, der Bild. „Bei diesem Verfahren liegt es allein am Kanzler, das Drama zu beenden und die Tür zum Neuanfang zu öffnen.“ Aus der Fraktion heißt es allerdings auch, die Lage sei dynamisch. Die SPD sei am Zug, mit konkreten Vorschlägen auf die Union zuzukommen. Die CDU/CSU setze sich weiter für eine sehr schnelle Festlegung von Bundeskanzler Scholz für die Abstimmung über die Vertrauensfrage in diesem Jahr ein. Wenn dieses Datum festgelegt wurde, könnten Gespräche über etwaige noch zwingend zu behandelnde Themen im Bundestag beginnen.
Hinter den Kulissen wird nun verhandelt. SPD-Fraktionschef Mützenich führe derzeit vertrauliche Gespräche, bestätigt der Sprecher der Fraktion. „Deswegen wird er sich öffentlich nicht äußern.“ Aha.
Unterdessen hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine vertraulichen Gespräche mit Spitzenpolitikern fortsetzt. Am Montagnachmittag empfing er Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Am Freitag war bereits SPD-Chef Lars Klingbeil bei ihm, am Dienstag wird Mützenich und am Donnerstag CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in Schloss Bellevue erwartet.
Bundeswahlleiterin warnt vor Hektik
Steinmeier kommt eine Schlüsselstellung zu. Nachdem der Kanzler im Bundestag die Vertrauensfrage gestellt und verloren hat, kann der Bundespräsident innerhalb von 21 Tagen den Bundestag auflösen. Binnen 60 Tagen danach muss die vorgezogene Bundestagswahl stattfinden. Würde Scholz also in der nächsten Sitzungswoche am 27. November die Vertrauensfrage erst ankündigen und dann fristgerecht nach 48 Stunden stellen, dann hätte Steinmeier bis zum 20. Dezember Zeit, zu entscheiden, ob der Bundestag aufgelöst wird. Gewählt würde dann am 16. Februar. Auch im Dezember gibt es noch zwei Sitzungswochen, der Wahltermin verschöbe sich nach hinten.
Im Bundeswahlgesetz und in der Bundeswahlordnung gibt es zahlreiche Fristen, die den spätesten Zeitpunkt etwa für die Einreichung von Unterstützungsunterschriften durch kleine Parteien oder die Aufstellung von Wahllisten vor dem Wahltag regeln. Bei einer vorgezogenen Neuwahl kann das Bundesinnenministerium diese Fristen per Verordnung verkürzen.
Bundeswahlleiterin Ruth Brand warnte allerdings vor zu großer Hektik. Nach einem Treffen mit den Landeswahlleitungen erklärte sie am Montag, der Zeitraum von 60 Tagen zwischen der Auflösung des Bundestags und der Neuwahl sollte ausgeschöpft werden, um „Herausforderungen bei der Wahlorganisation bestmöglich zu begegnen.“
In einem Brief an den Bundeskanzler hatte sie am Freitag Alarm geschlagen. Fielen die Fristen in die Weihnachts- und Neujahrszeit, wäre der ohnehin knappe Zeitraum maßgeblich verkürzt und könnte gar zu „unabwägbaren Risiken auf allen Ebenen, insbesondere auf Gemeindeebene, führen“, schrieb Brand. So müssten Wahlhelfende geschult, Wahlräume ausgestattet, Wahlausschüsse berufen und die notwendige IT-Infrastruktur bereitgestellt werden.
Die Union hielt ihr deswegen vor, sich vom Kanzler instrumentalisieren zu lassen, was Sprecher Hebestreit zurückwies: „Die Bundeswahlleiterin agiert unabhängig und ihre Argumente sind zu berücksichtigen.“
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch warnte davor, die demokratischen Institutionen zu beschädigen. Auch er nannte noch Vorhaben, die man im Parlament verabschieden könne – etwa die Kindergelderhöhung und die Deutschlandticket-Fortsetzung. Doch zentral sei jetzt, „dass Neuwahlen ordnungsgemäß stattfinden und sorgfältig vorbereitet werden können.“ Offen bleibt, wann. Und damit zurück an Olaf Scholz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk
Demokratie unter Beschuss
Dialektik des Widerstandes
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück