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Linkspartei nominiert SpitzenduoHauptsache vor der „asozialen FDP“

Die Linke will mit Heidi Reichinnek und Jan van Aken wieder über fünf Prozent kommen. Zur Not soll der Wiedereinzug mit drei Direktmandaten klappen.

Trotz schlechter Umfragewerte: Heidi Reichinnek und Jan van Aken wollen als Spitzenduo die Linke wieder in den Bundestag bringen Foto: Christophe Gateau/dpa

Berlin taz | Mit Heidi Reichinnek und Jan van Aken als Spitzenduo will die Linke in die vorgezogene Bundestagswahl gehen. Nachdem sich der Parteivorstand am Sonntagmorgen entschieden hatte, präsentierte die Linken-Vorsitzende Ines Schwerdtner die beiden auf einer kurzen Pressekonferenz im Karl-Liebknecht-Haus in Berlin.

Sie freue sich „wirklich sehr, dass wir anders als die anderen Parteien sehr glaubwürdige Kan­di­da­t:in­nen hier ins Rennen schicken“, sagte sie über die Gruppenvorsitzende der Linken im Bundestag und ihren Co-Parteichef. Reichinnek und van Aken stünden „wie kaum andere in unserer Partei für die Kernthemen Frieden und soziale Gerechtigkeit“, so Schwerdtner.

Diese Zeiten bräuchten „eine starke Linke in Deutschland“, sagte van Aken. Es werde in dem anstehenden Wahlkampf „um eines gehen: wir hier unten gegen die da oben“. Er könne zwar gut verstehen, wenn Leute an der Linken zweifeln würden. Aber sie sollten sich fragen, wie der Bundestag und dieses Land aussehen würde, „wenn es keine starke linke Stimme mehr gibt“.

Sein „ganz persönlicher Wunsch“ sei es, „dass wir als Linke bei dieser Bundestagswahl vor dieser asozialen FDP landen“, sagte der 63-jährige Hamburger. In den beiden jüngsten Umfragen kommt die Partei in der Sonntagsfrage auf vier Prozent, bei Insa steht sie damit gleichauf mit der FDP, bei der Forschungsgruppe Wahlen rangiert sie sogar einen Punkt vor der Lindner-Truppe.

Hoffen auf Direktmandate

Auch die 36-jährige Osnabrückerin Reichinnek räumte ein, dass es für ihre Partei „gerade ein wenig kritisch“ aussieht. Aber sie und van Aken würden dafür kämpfen, „dass es den Menschen im Alltag besser geht“. Sie würden die Linke „sicher über die 5 Prozent“ bringen wollen.

Alleine darauf, die Fünfprozenthürde trotz aller schlechten Umfragewerte überwinden zu können, will sich die Linkspartei jedoch nicht verlassen. So hofft sie zudem, wie schon bei der Wahl 2021, mindestens drei Direktmandate zu erringen, was auch für den Wiedereinzug ins Parlament reichen würde.

Konkret ruhen ihre Hoffnungen darauf, dass Gregor Gysi in Treptow-Köpenick in Berlin und Sören Pellmann in Leipzig ihre Wahlkreise verteidigen können. Chancen räumt die Partei zudem dem amtierenden Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow in Erfurt, Ex-Fraktionschef Dietmar Bartsch in Rostock und Ines Schwerdtner in Berlin-Lichtenberg ein. Das wären dann sogar fünf Direktmandate.

„Mission Silberlocke“

Allerdings gibt es da gleich mehrere Unsicherheiten. Zum einen haben Gysi, Bartsch und Ramelow noch nicht mitgeteilt, ob sie überhaupt antreten wollen. „Wir sind im engen Austausch mit der ‚Mission Silberlocke‘, aber die werden sich zu gegebenem Zeitpunkt erklären“, sagte van Aken dazu.

Zum anderen gilt es als sehr unwahrscheinlich, dass Bartsch und Schwerdtner ihre Wahlkreise gewinnen können. Bartsch war bisher stets chancenlos, kam zuletzt weit abgeschlagen auf 18,2 Prozent. Und Schwerdtners populäre Vorgängerin Gesine Lötzsch hatte schon 2021, also noch vor der BSW-Abspaltung, in Lichtenberg erstmalig bangen müssen und kam nur noch auf 25,8 Prozent.

Nicht ganz aussichtslos erscheint demgegenüber die Lage in einem Berliner Wahlkreis, den die Linken-Spitze unerwähnt ließ: Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost. Der mit einer für ihre Partei wenig erbaulichen Erklärung verbundene Rückzug der linken Grünen Canan Bayram könnte die Chance für Pascal Meiser sein, den bei den letzten beiden Wahlen Zweitplatzierten, diesmal das Direktmandat zu holen.

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28 Kommentare

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  • Dieses Minimalziel sollte doch einfach erreichbar sein: 0,8% für die Pseudopartei FDP wie in Ostdeutschland sind doch locker zu toppen. Ich wünche dieser LINKEN einen Erfolg von mindestens 7% !!

  • "Diese Zeiten bräuchten „eine starke Linke in Deutschland“"

    Das Problem ist nur, dass Zeiten nicht wählen, sondern Menschen. Und die scheinen das nicht so zu sehen. 4-5% sind keine starke Stimme, sondern eher Gedümpel, zumal es keine Konstellation gibt, in der sie wirklich mitreden.

    Damit es später mal was wird, rausgehen und lokal dagegen kämpfen, dass den Arbeitern ihre Villen im Tessin weggenommen werden sollen.

  • Alte Rezepte ohne ein wirkliches Finanzierungskonzept. Das bedeutet nur wieder mehr Steuern, mehr Schulden, mehr sonstige Abgaben und Erhöhungen in allen Lebensbereichen für den Normalverdiener.

  • Die Linke darf gerne "sozial" sein, aber andere als "asozial" zu brandmarken, steht auch den Linken nicht zu. Und ob Die Linke immer so gute Sozialpolitik macht, sei dahingestellt.

  • taz: *Hauptsache vor der „asozialen FDP“*

    Das kann doch gar nicht sein, dass die FDP "asozial" ist, denn gegenüber der klimaschädlichen Wirtschaft und der reichen High Society ist die Porsche-Partei doch sehr sozial.

  • Mit ihren Ideen aus dem letzten Jahrtausend wird diese Linke aber nicht weit kommen.

  • Grundsätzlich muss keiner die FDP oder deren Programm oder deren Personal gut finden. Aber wer was von "asozialer FDP" verkündet, soll bitte in Zukunft ganz ruhig sein wenn es um das Thema Polarisierung in der Politik, vernünftigen Umgang mit anderen demokratischen Parteien und Populismus in der Politik geht.

    • @Müller Christian:

      Zu ergänzen wäre noch der in der Tradition der Sed fortgeführte antizionismus

  • Die einzige sozialdemokratische Partei in Deutschland. Grundsätzlich gar nicht mal übel, was die Linke da macht, jetzt muss Butter bei die Fische: was will die Linke konkret an Projekten? Mindestlohn? Wohnungsnot? Reform der Rente? Klimaschutz? Verteidigung? Wohin geht's, ihr Linken? Würde ich als Linker gerne wissen oder soll ich doch lieber Volt wählen?

  • Solche Sprüche sind eher Wahlhilfe für die FDP als für die Linke.

  • Frage an das Spitzenduo der Linken: Soll ich euch wählen?

    Mir geht es um Gendergerechtigkeit, unbegrenzte Flüchtlingsaufnahme und eine israelfreundliche Politik.

    Keine Partei erfüllt diese Kriterien. Gebt mir Argumente, warum ich euch wählen soll, liebes Spitzenduo.

  • „Asozial“ ist Sprache der Nazis ! s. Taz-Interview v. 19. 10.24 mit Nonnemacher!



    Das Hufeisen lässt grüßen!

    • @Oriolus:

      Dass es 2024 immernoch Personen gibt die allen ernstes Hufeisen werfen. Gehört aber am Ende wohl doch zum Zeitgeist. Danke für die Verharmlosung von rechten Gefahren

      • @outsourced:

        Spätestens seitdem sich Linke für Antisemitismus und Russlands Kriegsführung engagieren, liegt das Hufeisen doch wieder auf dem Tisch.

    • @Oriolus:

      Die haben z. B. auch "Lebensraum" als Begriff verwendet.



      Muss ich jetzt die Lebensräume, die ich in unserem Garten für Insekten und Kleintiere realisiert habe, wieder beseitigen und zubetonieren?



      "Dumm ist, wer Dummes tut." Forrest Gump



      "Asozial ist, wer asozial handelt." Für "gesellschaftsunverträglich" fehlen manchmal Zeit und Lust.

  • "wir da oben gegen die da unten"- selten so ein spalterisches Motto gelesen. Frage ist ja: wer ist wir bzw. die. Warum nicht "wir alle zusammen"?

    • @Emsch:

      Ja, das ist eine linke Idee, nennt sich Klassenkampf - die da oben wären dann die 'Besitzenden'. Sinnvolle Grenze? Klar, darüber muss man reden. Aber die soziale Schere geht auseinander und einig sollte man sich als Linker schon sein, dass es keine Milliardäre und Multimillionäre (ALS milliardäre und Multimillionäre, deren Menschlichkeit ist nicht abgesprochen) braucht.

  • Ewiggestrige und Sozialromantiker die sich selbst im Weg stehen und nicht wissen oder ignorieren was die dringendsten Themen sind braucht kein Mensch im Bundestag.

    • @Lars B.:

      Sozialromantiker, was soll denn das eigentlich sein?

      Sind nicht die Nazis die Ewiggestrigen? Na klar, DDR 2.0 will keiner, aber das will ja eigentlich auch kein vernünftiger Linker.

  • "Asoziale" FDP? Dass die Linke die Sprache der Nationalsozialisten zur Markierung politischer Gegner verwendet, ist allerhand.

  • schwerdtner + van aken als neuen parteivorsitzenden der linken wünsche ich viel erfolg, auch im vorwahlkampf. reichinnek ist anerkanntermaßen in den sog. neuen medien unterwegs und kann das auch.



    der partei wäre zu wünschen, wegzukommen von den alten querellen. auf die silberlocken kann ich gut verzichten. neue gesichter + neue hirne vor allem tun der linken gut.

    bei all der rechtsentwicklung weltweit + hier bei uns ist ganz dringend ein linkes gegengewicht nötig.

    der fdp wünsche ich den rausflug aus dem bundestag - und ihre mitglieder sollten sich am HHer vorsitzenden der liberalen jugend ein beispiel nehmen, + ebenfalls austreten. gerne statt in die cdu ein treten eine echte liberale partei gründen. 3 rechte parteien (afd, bsw + fdp) braucht kein mensch.

    die spd kann sich ruhig mal auf zeiten vor godesberg erinnern.



    die christsozialen waren nach wk2 auch noch weniger rechtslastig.



    erinnert euch, geht in euch, überlegt, ob ihr speichellecker der milliardäre bleiben wollt. ihr selbst kriegt ja doch nur krumen von deren tisch ab für euer katzbuckeln vor den reichen.

  • Die Reichinnek ist meine letzte parlamentarische Hoffnung.

  • Obwohl die Bedeutung des Direktmandates bei der letzten Wahlrechtsreform deutlich gestutzt wurde, ist für mich unerklärlich, warum die Regelung, dass 3 Direktmandate eine Aushebelung der 5 % Hürde bewirken können. Diese Regelung könnte bedeuten, dass



    Eine Partei mit 2% durch 3 Direktmandate im Bundestag besser gestellt wird, wie eine Partei , die mit 4,99% den Einzug ins Parlament



    verpasst. Für mich nicht nachvollziehbar.

  • 3 Direktmandate werden es wohl nicht. Aber 5% scheinen wieder realistisch. Da Habeck sich gleich als Aufrüstungskanzlerkandidat präsentiert, und da das BSW den Zauber des Anfangs verpasst hat und zu einem zentralistisch geführten Verein herabsinkt, scheint die Linke plötzlich wieder Perspektiven zu haben.

  • Vielleicht wäre es konstruktiver, statt "asozial" die FDP als marktradikal oder marktfundamentalistisch zu bezeichnen, wobei der Begriff "Markt-Taliban" natürlich übertrieben & aggressiv wäre.

  • Wenn die Linke allen Ernstes das vorrangige Ziel „vor der assozialen FDP zu landen“ als Wahlkampfziel formuliert, dann ist dieser Partei einfach nicht mehr zu helfen. Auch schon zu Beginn sich selbst zu bescheinigen, dass es höchstwahrscheinlich nicht für die 5%-Hürde reichen wird und man deswegen jetzt schon die Direktmandate so offensiv kommuniziert, kommt für mich einem Offenbarungseid gleich. Wer auch immer bei der Linken den Wahlkampf managen mag: Man sollte vielleicht über eine Neubesetzung nachdenken…

  • Strategisch die Linke ins Parlament zu wählen ist nach dem Abgang der Saarsirene ja durchaus eine Überlegung.

    Das Ziel "vor der FDP" ist dabei zu bescheiden.

    • @Janix:

      True