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Krieg in NahostIran greift Israel mit Raketen an

Nach dem iranischen Angriff auf Israel gibt das israelische Militär vorerst Entwarnung. Die taz konnte mit Zivilisten aus Tel Aviv sprechen.

Der Schutzschild Israels „Iron Dome“ wehrt Raketen aus Iran ab Foto: Amir Cohen/ rtr

Berlin taz | Diesmal hat es Teheran ernst gemeint: In mehreren Wellen griff der Iran Israel am Dienstagabend mit 180 Raketen an. Anders als beim ersten iranischen Angriff im April lagen zwischen den ersten Meldungen über den Beginn der Attacke und den Explosionen der Abwehrraketen über Jerusalem und Tel Aviv nicht Stunden, sondern Minuten. Um 18:32 Uhr Ortszeit verschwand die Karte der israelischen Luftalarm-App Tzofar fast vollständig hinter roten Warnsymbolen, kurz darauf waren laut Augenzeugen an vielen Orten des Landes heftige Explosionen zu hören. Beinahe zeitgleich eröffneten zwei Bewaffnete an einer Straßenbahnhaltestelle im Süden Tel Avivs das Feuer und töteten laut Polizeiangaben mindestens sieben Passanten.

„Wir sind gerannt, so schnell wir konnten“, sagte die Anwohnerin Avigail Zadik am Telefon aus der Lobby eines Hostels unweit des Anschlagsortes, in dem sie sich am Dienstagabend mit einem Dutzend anderer in Sicherheit gebracht hat. „Wir waren eine Minute von dem Angriff entfernt“, sagt die 34-Jährige. „Von draußen hörten wir die Sirenen der Krankenwagen und von oben die Explosionen der abgefangenen Raketen, viel heftiger und lauter als ich es gewohnt bin.“ Kurz darauf gab die Armee Entwarnung, viele hätten sich aber noch für Stunden nicht wieder auf die Straße getraut, aus Angst vor weiteren Anschlägen oder Raketensalven.

Es war nach einem Beschuss mit rund 300 Drohnen und Raketen im April der zweite direkte iranische Angriff auf Israel in der Geschichte der Islamischen Republik. Den Befehl soll der oberste iranische Führer Ajatollah Ali Chamenei gegeben haben, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf einen hochrangigen iranischen Vertreter. Teheran sei „bereit für jeden Gegenschlag“. Dass der kommen wird, ist äußerst wahrscheinlich. Noch am Abend sagte Israels Armeesprecher Daniel Hagari im Fernsehen, der Angriff werde „Konsequenzen haben“. Auch ein US-Vertreter hatte der iranischen Führung noch Stunden vor dem Angriff mit schwerwiegenden Folgen gedroht.

Das Ausmaß der Schäden durch die 180 Raketen in Israel war zunächst unklar. Im israelisch besetzten Westjordanland soll ein Mensch getötet, in Tel Aviv zwei verletzt worden sein. Laut IDF-Sprecher Hagari hatten israelische und US-Abwehrsysteme „effektiv“ zusammengearbeitet. Auch die jordanische Armee soll laut dem US-Sender CNN Raketen abgefangen haben. US-Sicherheitsberater Jake Sulivan bezeichnete den Angriff am Abend als „vereitelt und unwirksam“. Online kursierten aber auch Videoaufnahmen, die offenbar einzelne direkte Einschläge von Raketen in Israel zeigen.

Angriff auf Israel als Vergeltungsschlag

Die Iranischen Revolutionsgarden bezeichneten den Angriff als eine Vergeltung für die Tötung von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah vergangenen Freitag in Beirut sowie von Hamas-Anführer Ismail Haniyyeh im Juli in Teheran. Seit vergangener Woche hatten israelische Luftangriffe im Libanon sowie die mutmaßlich von Israel ausgelöste Explosion hunderter Pager und Funkgeräte einen Großteil der Führung der Iran-treuen Hisbollah getötet. Zudem hatten israelische Streitkräfte am Dienstag erstmals seit fast zwei Jahrzehnten eine Bodenoffensive im Süden des Libanon begonnen. Die Armee sprach von „begrenzten“ Angriffen gegen Hisbollah-Stellungen in der Nähe der Grenze.

Israel rechtfertigt sein Vorgehen vor allem mit der Rückkehr von mehr als 60.000 seit Beginn des Krieges vor einem Jahr vertriebenen Bewohnern des Grenzgebietes zum Libanon. Seit dem Hamas-Überfall am 7. Oktober beschießen sich die Hisbollah und die israelische Armee entlang der Grenze gegenseitig. Auf libanesischer Seite sind laut UN-Angaben mehr als 210.000 Menschen vertreiben, 120.000 flohen alleine in der vergangenen Woche.

Der Krieg in Nahost erreicht damit kurz vor dem Jahrestag des Hamas-Überfalls auf Israel am 7. Oktober eine neue Stufe. Israel hat in der vergangenen Woche bewiesen, dass es der Hisbollah als Irans stärkstem Vertreter in der Region militärisch und geheimdienstlich haushoch überlegen ist. Das ist für Teheran bedrohlich, auch weil die Schiiten-Miliz im Libanon stets als wichtigste Rückversicherung gegen Angriffe auf das iranische Atomprogramm gesehen wurden. Der Raketenangriff am Dienstag mag ein Versucht gewesen sein, verlorene Abschreckung wiederherzustellen, riskiert jedoch eine weitere Ausweitung des Krieges auf die Region. In einer Videobotschaft hatte sich Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu bereits am Montag an die Menschen im Iran gewandt: Deren Land werde „früher als man denkt frei sein“. Was er damit meinte, ließ er offen.

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11 Kommentare

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  • Man sollte den Jubel über den Angriff auf propalästinensischen Demonstration in Berlin erwähnen. Auch in Bonn ist es zu entsprechenden Kundgebungen gekommen. Das sind die gleichen Leute, die den 7. Oktober mehr oder minder heimlich bejubelt haben. Wundert das noch irgendjemanden?

  • "In einer Videobotschaft hatte sich Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu bereits am Montag an die Menschen im Iran gewandt: Deren Land werde „früher als man denkt frei sein“. Was er damit meinte, ließ er offen."

    Ich weiß, dass Herr Netanjahu für viele ein "Schurke" ist. Ich sehe ihn nicht so. Wie er einmal in den Geschichtsbüchern beschrieben werden wird, weiß ich selbstverständlich nicht, aber wenn er es schafft, die iranischen Kampftruppen/Söldner Hamas, Hisbollah, Huthi aufzulösen, ist ihm die Wertschätzung eines Teiles der Welt sicher. Und vielleicht können auch Palästinenser, Bürger des Libanon und Bürger des Jemen eines Tages eine andere Sichtweise entwicklen.



    Die meisten Bürger Deutschlands finden es gut, in einer Demokratie leben zu können, was ohne (auch) zivile Tote im 2. WK nicht möglich geworden wäre. Wir denken zu selten an sie.

    Sollte den iranischen Bürgern durch diesen Konflikt die Möglichkeit geboten werden, sich von den Fesseln ihrer Regierung zu lösen, fände ich das gut. Problematisch ist, dass lt. meinem Kenntnisstand 50% der iranischen Bürger:innen ihre Regierung/Revolutionsgarde gut finden bzw. von ihr profitieren und keine Veränderung anstreben.

    • @*Sabine*:

      Wird das da dann so demokratisch wie in Afghanistan oder dem Irak? Da freuen die sich sicher drauf. Oder eher so demokratisch wie im Westjordanland?

      • @Harmo-Nie:

        Ich habe es ja schon mehrfach erwähnt, dass ich keine Vorstellung davon habe, welche Regierungsform und Gesetzgebung sich die Bürger:innen in Afghanistan wünschen. Meine vielleicht falsche, vorurteilshafte Einschätzung beruht auf der Information, dass sie sich nach Abzug der (vom Westen unterstützten) geflüchteten Regierung den Taliban angeblich fast kampflos unterworfen haben. Ob und inwieweit das stimmt, weiß ich nicht, meine Infos stammen aus westlichen Medien.

        Der Irak ist ein heterogenes Land und es scheinen politische, territoriale sowie konfessionelle Auseinandersetzungen stattzufinden. Ob diese Auseinandersetzungen politisch oder mit Waffengewalt ausgetragen werden, obliegt den Bürger:innen (zu denen auch die Regierung und das Militär gehören). Ganz grundsätzlich sehe ich in heterogenen Gesellschaften immer ein hohes Konfliktpotential, das eingehegt werden muss. Ich bin froh, dass wir hier unser Grundgesetz haben.

        Nun zu Gaza und zum Iran. Es besteht die Chance auf eine besseres Leben dort. Ob sie ergriffen wird, entscheiden die Bürger:innen.

        Es bleiben nur zwei Optionen: Sich für ein besseres Leben einsetzen oder sich arrangieren.

  • ... früher als man denkt frei sein...



    Spielt sich Netanjahu jetzt als Befreier des iranischen Volkes vom Mullah Regime auf? Oder will er iranische Oppositionelle zum erneuten Protest, zum Aufstand verleiten, da so etwas ähnliches wie eine zweite Front für das Regime aufmachen?

  • Bilanz des iranischen Raketenangriffs: 0 tote Israelis, 1 toter Palästinenser, der in der Nähe von Jericho von einer herabfallenden Rakete erschlagen wurde, und 5 tote Iraner durch die Explosion einer Rakete beim Abschuss.

    • @Budzylein:

      Schätze wichtiger für die Iraner als Verlust-Statistiken ist die Tatsache, dass sich kein Israeli sicher fühlen kann.



      Die 180 ballistische Raketen waren ein Warnschuss, eine Demonstration der Fähigkeit. Diese gewählte Anzahl ermöglicht es der Luftverteidigung die potentiell gefährlichen Geschosse (z.B. Flugrichtung Innenstadt Tel Aviv) abzufangen, ist aber zu groß als das alle zerstört werden könnten.



      Aber ob diese "Botschaft" Israel von einem Bodenkrieg im Libanon abhalten kann..? Ich habe jedenfalls wenig Hoffnung auf Frieden in nächster Zeit.

  • Israel wird von den Huthi aua Jemen mit Raketen angegriffen, von der Hisbollah aus Libanon, Hamas Gaza, und Mullahs aus Iran

    • @Martin Sauer:

      Und das obwohl Gaza bereits vollständig zerstört ist. Hm. Nochn Korn.