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AfD-VerbotLeichtfertiges Abmoderieren

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Ja, es gibt gute Gründe gegen ein AfD-Verbot. Aber angesichts der realen Gefahr für die Demokratie sollte man die Pro-Argumente ernst nehmen.

Aufforderung bei der Demonstration im Februar 2024 Foto: Stefan Boness

N atürlich gibt es Gründe, gegen ein AfD-Verbotsverfahren zu sein. Wenn man aus fundamentaldemokratischer Sicht Parteienverbote generell ablehnt etwa. Oder Politik und Ziele der AfD zwar vielleicht für falsch hält, aber nicht für eine wirkliche Gefahr für die Demokratie.

Die bundesdeutsche Demokratie steht so unter Druck wie noch nie in ihrer Geschichte

Wer diese Gefahr aber sieht, muss die Möglichkeit eines Verbotsverfahrens ernsthafter diskutieren, als dies derzeit geschieht. Es ist erschreckend, mit welch lapidaren Argumenten Spit­zen­po­li­ti­ke­r*in­nen versuchen, den parteiübergreifenden Vorstoß von rund 50 Abgeordneten für ein solches Verfahren vom Tisch zu wischen.

Die Demokratie in der Bundesrepublik steht derzeit so unter Druck wie vielleicht noch nie in ihrer Geschichte. Die AfD – bundesweit als rechtsextremer Verdachtsfall, drei Landesverbände gar als erwiesen rechtsextrem eingestuft – ist dafür der zentrale Akteur.

In Thüringen ist die Partei bei der Landtagswahl stärkste Kraft geworden; in Sachsen und Brandenburg hat sie dieses Ziel nur knapp verfehlt, der Preis dafür war hoch. Wie die Partei den Parlamentarismus ins Chaos stürzen will, hat sie bei der Konstituierung des Erfurter Landtags eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Angesichts dieser Lage sind die derzeit am häufigsten vorgetragenen Argumente gegen ein Verbotsverfahren erschreckend leichtgewichtig. Man muss die AfD politisch bekämpfen, heißt es da. Ein Verfahren werde die AfD nutzen, um sich als Märtyrer zu stilisieren. Und, auch gern genannt: Es werde der Partei bei der Bundestagswahl bei der Mobilisierung nutzen und sich gegen die demokratischen Parteien wenden.

Das trifft alles zu, ist aber wenig überzeugend. Natürlich muss man die AfD politisch bekämpfen; da sind sich alle De­mo­kra­t*in­nen einig. Das aber ist in den vergangenen Jahren nur mäßig gelungen.

Parteitaktik fehl am Platz

Und den juristischen Weg zu beschreiten bedeutet ja nicht, die politische Gegenwehr aufzugeben. Zutreffend ist auch, dass die AfD ein Verbotsverfahren dafür nutzen wird, sich zum Opfer zu stilisieren. Das ist fester Bestandteil ihrer Strategie, macht die Partei also sowieso – ganz egal zu welcher Gegenmaßnahme man greift. Und selbstverständlich würde die AfD ein Verbotsverfahren bei der Bundestagswahl zur Mobilisierung nutzen – möglicherweise auch erfolgreich und auf Kosten der anderen Parteien.

Doch parteitaktische Überlegungen sind hier wirklich fehl am Platz. Das gilt im Übrigen auch für den Versuch der Unionsspitze, den Verbotsvorstoß als linkes Vorhaben darzustellen. Ini­tiator ist immerhin der Christdemokrat Marco Wanderwitz.

Gewichtiger ist das Argument, dass ein Verbotsantrag in Karlsruhe besser nicht scheitern sollte. Aber auch das kann man andersherum sehen, wie die Antragsteller es in ihrem Entwurf tun. Da heißt es sinngemäß: Angesichts des handfesten Verdachts, dass die AfD verfassungswidrig ist, „gebiete“ die Verantwortung des Bundestags, eine Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht zu ermöglichen. Und es stimmt ja: Die Indizien für die Verfassungswidrigkeit der AfD sind massiv. Und das Bundesverfassungsgericht ist die zuständige Instanz.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

13 Kommentare

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  • Den größten Fehler, den Demokraten jemals gemacht haben - nicht nur hier in Deutschland, sondern weltweit - war es, die NSDAP so lange gewähren zu lassen, bis es zu spät war.

    Alle Argumente gegen ein Verbot der AfD lassen sich auf Stichhaltigkeit überprüfen, wenn man sie an der Mutter aller Parteiverbote, nämlich das der NSDAP (nach zig Millionen Toten und einem entehrten, zertrümmerten Deutschland) misst.

    „Man bekommt das ja nicht aus den Köpfen“ - na und? Wen hat das interessiert, als man die NSDAP verbot?

    „Es sind so viele, die man damit erst recht reizt“ - Und? Selbst wenn - sollte man gegenüber Rechtsextremen nicht hart durchgreifen? Dann gibt’s halt mal ein paar Straßenschlachten in Sachsen.

    „Es muss nur bessere Politik gemacht werden“ - Es gibt keine Alternative zur Demokratie. Weimar scheiterte nicht daran, dass die Demokratie nicht gut war, sondern daran, dass Demokraten sich nicht trauten, sie unbedingt zu verteidigen und hart gegen ihre Feinde vorzugehen.

  • Menschen bestimmen selbst wie Wehrhaft eine Demokratie ist. Eine Demokratie ist nichts ohne Demokraten. Ich weiß um die schwierigen fragen für das pro und kontra eines Verbotsantrags, nur will man so lange warten bis diese Frage sich nicht mehr stellen kann, das haben wir schon einmal erlebt, was passiert wenn man untätig daneben sitzt und ab wartet, war diese Lektion nicht ausreichend um intelligent und vorausschauend zu agieren, oder hat man wieder nichts daraus gelernt. Wann ist der richtige Moment für den Verbotsantrag, wenn es schon wieder zu spät ist!

    Der erste NPD Verbotsantrag ist gescheitert weil zu viele V Leute involviert waren.

    Der zweite NPD Verbotsantrag ist gescheitert, weil die NPD zu seiner Zeit unbedeutend war, was das auch immer heißen mag.

    Sind jetzt bei der AfD zu viele V Leute involviert, oder ist die jetzige Größe noch zu unbedeutend?

    Ich finde das ist doch genau die Kernaufgabe eines Verfassungsgerichts zu prüfen ob Gesetze oder Parteien Verfassungskonform handeln und sind.

    Glaubt man wirklich das die AfD in einem Jahr oder länger, gefährlicher für unsere Demokratie wird als bereits heute schon.

  • Aus meiner Sicht sind die im Artikel aufgezählten Argumente nicht die Wesentlichen. Demokratiefeindlich sind Äußerungen von AfD-Politikern (wie Richter Meier aus Sachsen), dass man gegen seine Gegner vorgehen werde, wenn man erst an der Macht ist. Demokratiefeindlich sind alle Arten von Einschüchterung anderer Akteure (vielleicht nur auf dem Gang im Bundestag). Demokratiefeindlich wäre es insbesondere, wenn man, einmal an der Macht, die Institutionen und Checks&Balances aushebelt - das kann man aber im Moment schwer sagen, weil die AfD nirgendwo an der Macht ist.

    Unschön aber nicht direkt demokratiefeindlich war der Alterspräsident in Erfurt - er hat sich an den Buchstaben geklammert, was nicht vertrauensbildend ist.

    Insbesondere und da liegt die Hauptgefahr: Nicht demokratiefeindlich wäre es praktisch keine Migranten mehr aufzunehmen, praktisch keine Einbürgerungen, keine Verlängerung von Aufenthaltstiteln. All das wäre sehr unschön, aber in keiner Weise undemokratisch. Die Große Gefahr ist, dass die Mitte sich in einem Verbotsverfahren zerlegt über solche unklaren Punkte, die man sehr verschieden sieht. Vielleicht lernen wir aber auch alle daraus.

  • Welche Gesetze, beabsichtigen zum Wohle der Bürgerlichenmitte, denn AfD respektive die BSW explizit zu ändern ?



    Die anderen, alten Parteien, die schon über Jahrzehnte unsere Demokratie, mit Gesetzen - im Sinne von Industrie & Wirtschaft verabschiedet haben - werden wohl ihre letzten Atemzüge bald gemacht haben.

  • Man muss sie politisch bekämpfen.. Das ist nur mässig gelungen..



    Und deswegen nun verbieten?



    Das es in der Vergangenheit nur mässig gelungen ist mag daran liegen das die Politik nur mässig im Sinne der scheinbaren Mehrheit der Bürger [konservativ] ausgerichtet war.

  • "Die Indizien für die Verfassungswidrigkeit der AfD sind massiv"

    Das mag schon stimmen, die Frage ist nur verfolgt die AfD ihre Absichten auch in "kämpferisch-agressiver" Weise. Dieser Ausdruck, gerade erst auch vom Bundeskanzler als Begründung für seine Ablehnung eines Verbotsantrags vorgebracht, entstammt aus dem Urteil des BVerfG zum KPD Verbot von 1956 und bedeutet nichts anderes als "planvoll".

    Wenn das BVerfG zu den Voraussetzungen eines Parteienverbots also anmerkt ".. genügt alleine die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen hierfür nicht. Hinzukommen müssen eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung, auf deren Abschaffung die Partei abzielt", so ist damit ein systematisches Vorgehen gemeint. Das der Gesamtpartei nachzuweisen dürfte derzeit schwierig sein.

    Der taz Autor Christian Rath hat daher mit seinem Ansatz auf handfeste Anlässe zu warten bei denen die AfD die Grundordnung nachweisbar beeinträchtigt, wahrscheinlich den richtigen Weg aufgezeigt, zumal dann auch ein Eilverfahren möglich wäre, anstelle einer Verfahrensdauer von 3-4 Jahren bei einem regulären Verfahren mit allen negativen Begleiterscheinungen

    • @Sam Spade:

      "Der taz Autor Christian Rath hat daher mit seinem Ansatz auf handfeste Anlässe zu warten, bei denen die AfD die Grundordnung nachweisbar beeinträchtigt",



      Wie soll das gehen? Sobald die afd die Grundordnung, d.h. wohl das Grundgesetz beeinträchtigt, kann man dann noch auf eine funktionierende Justiz hoffen?



      Diese Hoffnung ist jedenfalls sehr gewagt, im schlimmsten Falle gibt es dann keine unabhängige Justiz mehr...., zumal die Diskussionen um ein Verbot dann genauso geführt werden dürften, wie jetzt auch. Weil vielleicht ist ja alles gar nicht so eindeutig und eigentlich....



      Wenn ein Auto auf eine Wand zufährt, darauf zu warten, bis der Aufprall kommt, nur um genug Beweise zu haben, dass bremsen richtig gewesen wäre, weil vielleicht ... ein bisschen vorausschauende Kombination muß schon sein, um überhaupt auf Gefahren reagieren zu können. Dass das immer auch mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist, lässt sich nicht vermeiden.

    • @Sam Spade:

      Das hieße also, der AfD würde es weiterhin genügen, den Bürgern etwas vorzuspielen, um, sobald entsprechende Mehrheiten vorhanden sind, ihr wahres Gesicht zu zeigen?



      Ich hoffe, dass das Bundesverfassungsgericht auf so etwas nicht hereinfällt, fürchte aber, dass den Juristen - wieder einmal - der Mut fehlt, sich eindeutig als Retter der Demokratie und des Rechtsstaates zu outen. Man kann schließlich als Gericht die Hürden der Beweisführung so hoch hängen, dass es de facto unmöglich ist, etwas zu beweisen.



      Und nur zur Erinnerung: Die KPD war 1956 nicht verfassungsfeindlicher unterwegs als die AfD heute.

      • @Aurego:

        Die kämpferisch-agressive Haltung und die Abschaffung der demokratischen Grundordnung bei der KPD hat das BVerfG in seinem Urteil 1956 u.a. aus der Historie abgeleitet und hat sich dabei sehr weit hinein in die Vergangenheit begeben.

        • @Sam Spade:

          Wenn man das bei der NPD konstatieren kann, dann auch bei der AfD.

          Anders als die AfD hatte die NPD keine Bundestagsabgeordneten, die Leute in den Reichstag schmuggelten und erst recht niemanden, der Deutschland an Russland verraten würde. Und das NPD-Verbot scheiterte nur daran, dass die Partei zu klein und unbedeutend war.

        • @Sam Spade:

          ... was uns zu der Vermutung verleitet, dass das Urteil heute auch anders ausfallen könnte. Würdigt und bewertet man die damaligen Kriterien, könnte ein AfD-Verbot jedoch genauso zwingend sein wie das damalige KPD-Verbot.

  • >Wie die Partei den Parlamentarismus ins Chaos stürzen will, hat sie bei der Konstituierung des Erfurter Landtags eindrucksvoll unter Beweis gestellt.<< p="">

    Juristischer Streit über die Auslegung der Geschäftsordnung. Dass die afd nicht begeistert ist, wenn die bisherigen Regeln zu ihren Lasten geändert werden, dürfte irgendwie nachvollziehbar sein. Davon geht die Demokratie nicht unter.

  • Den Geist aus der Flasche gelassen haben aber auch die Medien und die Parteien. Die antimigrantische Stimmung und den Rassismus haben sie mit angefacht und die AfD zumindest in Teilen quasi legitimiert. Ich bin für ein Verbot, aber das nützt aber nur wenn die Parteien aufhören populistisch für Wählerstimmen Rassismus zu verbreiten. Der Rassismus in unserer Gesellschaft ein ein zerstörerisches Maß angenommen. Ohne Migration können wir einpacken. Diese Erzählung kommt aber bei vielen Parteien nimmer mehr zu kurz. Das ist Verantwortungslos gegenüber dem Land und den Bürgern. Es wird zum Machterhalt gelogen und diffamiert. Konservative, Neoliberale und Rechte sind die Triebfedern. SPD, Grüne und BSW machen mit.