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Frauenhass unter ReaktionärenVon Männergewalt umzingelt

Feminismus heißt nicht, Männer zu hassen, sondern für die Freiheit und Sicherheit aller Frauen kämpfen. Der Kampf gegen Männergewalt ist essenziell.

Am internationalen Frauentag wird u.a gegen sexuelle Gewalt an Frauen und patriachale Strukturen protestiert Foto: Stefan Boness/Ipon

A ls Feministin wird mir immer mal wieder unterstellt, ich würde Männer hassen. Das stimmt nicht. Ich interessiere mich einfach nicht sonderlich für sie.

Ich wurde nicht Feministin, um mich gegen Männer zu positionieren, sondern weil ich verstanden habe, dass die Art und Weise, wie ich mein Leben leben will, und alles, was ich für meine Selbstverwirklichung, meine beruflichen Ambitionen und meine Lebensfreude brauche, dass meine Freiheiten und Sicherheit von Fe­mi­nis­t*in­nen erkämpft wurden.

Fast alles, was mich der Mensch sein lässt, der ich bin, habe ich dem Feminismus zu verdanken. Das ist nichts, worüber ich jedes Mal nachdenke, wenn ich hosentragend aus dem Wahllokal komme, auf mein eigenes Bankkonto schaue oder ohne meinen Mann um Erlaubnis zu bitten einen Arbeitsvertrag unterschreibe, aber manchmal ist genau das ein wichtiger Realitycheck: Nichts an Rechten und Freiheiten ist mir zugefallen.

Fe­mi­nis­t*in­nen vor mir und neben mir haben all das erkämpft. Wir kämpfen immer noch: Um ein freies, unabhängiges und selbstbestimmtes Leben für alle Frauen (inklusive trans Frauen – was an „alle Frauen“ ist nicht zu verstehen?), trans, inter und nonbinäre Personen. Und wir kämpfen vor allem um unsere Sicherheit. Sicherheit vor Männern. Ich habe nichts gegen Männer, aber wir brauchen Mittel gegen Männergewalt.

Aktuell sind es zwei Fälle von Männergewalt, die Aufmerksamkeit bekommen: Der Vergewaltigungsprozess in Frankreich um den mutmaßlichen Vergewaltiger Dominique Pélicot, der seine Ehefrau über Jahre gemeinsam mit anderen Männern betäubt und hundertfach vergewaltigt haben soll – bei fünfzig Mitangeklagten können wir wohl von einem Vergewaltigernetzwerk sprechen – und der Femizid an der Marathonläuferin Rebecca Cheptegei. Ihr Lebensgefährte hatte sie mit Benzin übergossen und angezündet.

Wichtiger Fortschritt in der Debatte

Fe­mi­nis­t*in­nen als Män­ner­has­se­r*in­nen zu bezeichnen, während es gleichzeitig ganz offensichtlich ein Problem mit Männern gibt, die Frauen so sehr hassen, dass sie sie unterwerfen, benutzen oder töten wollen, ist Täter-Opfer-Umkehr, durchgespielt.

Dass nun auch viele große Medien den Begriff „Femizid“ benutzen und so auf die strukturelle Komponente an Morden an Frauen aufmerksam machen, ist ein wichtiger Fortschritt in der Debatte und der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Und diese Fortschritte müssen wir genau jetzt machen. Wir müssen jetzt die Rechte und die Sicherheit von FLINTA* stärken.

Denn wir sind umzingelt von Reaktionären mit mindestens einer Gemeinsamkeit: Verachtung von Frauen, Queers und selbstbewusster Femininität. An diesem Punkt gibt es zahlreiche Schnittmengen zwischen Rechtskonservativen und Rechtsextremen, christlichem Fundamentalismus, Islamismus und anderen menschenfeindlichen Ideologien.

Sie wollen Frauen klein halten, über sie verfügen, über ihre Leben und ihre Körper bestimmen. Während sich sogenannte Le­bens­schüt­ze­r*in­nen mit der AfD verbünden, benennt die CDU einen Kanzlerkandidaten, der noch 1997 gegen ein Gesetz zur Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe stimmte.

Dass Frauen einfach ihr Leben leben können und nicht nur auf dem Papier gleiche Rechte haben, sondern in der Realität – dafür müssen wir genau jetzt mehr Feminismus wagen. Selbstverständlich queer. Selbstverständlich intersektional.

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Simone Dede Ayivi
Simone Dede Ayivi ist Autorin und Theatermacherin. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim. Aktuell arbeitet sie zu den Themen Feminismus, Antirassismus, Protest- und Subkultur.
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30 Kommentare

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  • Karlsson , Moderator

    Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen. Die Moderation.

  • Danke, Danke, Danke für diesen wichtigen Artikel / Beitrag, der ganz offensichtlich nötig zu sein scheint, wenn mal ein Blick in die Kommentare geworfen wird. Wo sich Whataboutism sowie Frust darüber, dass das Problem einfach mal benannt werden ablösen.

    Face it: Gewalt hat ein Geschlecht!

    Natürlich kommen auch Männer durch Männer um bzw. erleben Gewalt, aber auch da sicher nicht selten in Form von Bandenkriminalität, Kneipen-Schlägereien also in keinem Fall vergleichbar mit Gewalt gegen Frauen / Femizide. Rein männliche Gewalt ist nicht selten von Tätern wie Opfern gemeinsam initiiert, bei der der Schwächere eben unterliegt. Bei Gewalt gegen Frauen ist IMMER die Frau die Schwächere. Auch dem Fakt kann bitte endlich mal genügend Raum gegeben werden.

    Echte Männer sind Feministen, und zerpflücken nicht die Artikel ebendieser!

  • Danke!

    Ich freue mich sehr darüber, daß es doch junge Frauen gibt, die sehen und verstehen, was u.a. meine Generation erkämpft hat.



    Und ja: es ist leider noch immer nicht Alles erreicht und das Erreicht wird von vielen verschiedenen Seiten bedroht.

    Ich kann auch nicht erkennen, wo die Autorin die "Männer in Sippenhaft" nähme...

  • Super Artikel, danke.

    Und großartiger Honeypot für alle Kommentatoren mit diesem unerklärlichen Wunsch, sich argumentativ zum Stück Brot zu machen.

  • "Männlichkeit" wird in bestimmten Diskursen per se abgewertet.



    Oft bleibt als Identifikationsangebot nur "traditionelle" vs "gar keine" Männlichkeit.



    Es gibt zu wenige (selbstverständlich nicht-patriarchal und nichtsexistische) "positive" Männlichkeitsbilder. Ist natürlich auch (!) die Aufgabe von Männern, solche den künftigen Generationen mitzugeben.

    • @Kai Ayadi:

      Vielleicht braucht man gar kein Bild. Weder von Frau noch von Mann. Dann könnte jeder sich vorrangig als Mensch fühlen und sein Handeln an Moral und nicht an Konstrukten messen.



      Insofern ist es Aufgabe der MENSCHEN ihren Nachkommen solche Bilder erst gar nicht mitzugeben sondern diese als veraltet zu erklären.



      Naja man wird ja noch träumen dürfen und Gedanken sind noch frei.

  • Apropos Realitätscheck...."dass meine Freiheiten und Sicherheit von Fe­mi­nis­t*in­nen erkämpft wurden"



    Und da würde Ihnen nicht auch der eine oder andere Mann einfallen? ich sag mal Polizei?



    Realitycheck II: "Nichts an Rechten und Freiheiten ist mir zugefallen"



    Bezweifle, dass Sie an der Erlangung irgendeines Rechtes mitgewirkt haben.



    Erkennen Sie an, ohne Männer, die einem guten Argument aufgeschlossen gegenüber standen, wäre der Feminismus ungefähr so weit wie im Iran.



    Dies ändert natürlich nichts daran, dass es gewaltige Probleme mit Gewalt zwischen Menschen gibt.

  • Als Mann wird mir immer wieder mal unterstellt, ich würde Frauen hassen (also ganz allgemein). "Das stimmt nicht. Ich interessiere mich einfach nicht sonderlich für sie."



    Darf man das denn so sagen? Also als Antwort zum dem Text oben? Oder ist das schon implizite Gewalt?

  • Gewalt gegen Frauen ist durch michts zu rechtfertigen und kein Mensch, der seine Ansichten auch nur einigermaßen reflektiert, würde sich an einer Rechtfertigung versuchen wollen.



    Dennoch ist allem Anschein nach, sexuell motivierte Gewalt gegen Frauen nicht weniger geworden. Deshalb sollte man zumindest versuchen, nach den Mechanismen zu fragen.



    Nie und nimmer kam und kommt Gewalt dort vor, wo das Sexuelle in all seinen Ausformungen positiv konnotiert ist und auch entsprechend gelebt wird. Auffallend gewaltätig sind Männer in und aus Kulturkreisen und Milieus in denen das Sexuelle besonderen Restriktionen unterliegt. Dies betrifft mittlerweile auch Frankreich. Jeder der sich hierzulande in sexpositiven Kreisen bewegt, weiß z.B. auch, dass der Begriff der Prostitution willkürlich gefasst ist und unter diesem Label, Männer wie Frauen stigmatisiert und unterdrückt werden

  • Was vielen Männern sauer aufstößt ist halt, von manchen Aktivisten undifferenziert mit Gewalttätern in einen Topf geworfen zu werden.



    Ich streite nicht ab, dass es tie verwurzelte gesellschaftliche Probleme gibt, die diese Missstände erst ermöglichen und das darf und sollte auch angesprochen werden.



    Aber: Ich habe kein Verständnis dafür aufgrund meines Geschlechts in "Sippenhaft" genommen zu werden.



    Das Problem liegt nicht bei Männern sondern in bestimmten Männlichkeitsbildern.



    Dies gleichzusetzen ist ungefär genauso differenziert, wie zu behaupten das Muslime allgemein gefährlich wären, weil ein Teil einer gewalttätigen Auslegung des Islam anhängt.



    Kurz: man gewinnt keine Verbündeten, wenn man den Kandidaten erst mal unterstellt per se ein Gewaltproblem zu haben.

    • @Kassenclown:

      Das Problem liegt nicht bei Männern sondern in bestimmten Männlichkeitsbildern.

      Das ist der springende Punkt, ausserdem gibt es auch nicht wenige Frauen, die diese Männlichkeitsbilder anziehend finden.

    • @Kassenclown:

      So sieht's aus ... und ob Desinteresse und Ablehnung dem anderen Geschlecht gegenüber der richtige Weg ist, Probleme zu lösen, darf doch sehr bezweifelt werden. Nein, Feminismus heißt nicht Männer zu hassen, aber oftmals heißt es, dass mit Leidenschaft ein Feindbild gepflegt wird, das kaum Differenzierungen zulässt und dem Verhältnis zwischen den Geschlechtern und dem Image des Feminismus schadet.

      • @EDL:

        Es schädigt oft den Ruf der ganzen "Linken Bubble" (zähle mich durchaus selber dazu).



        Es wirkt auf "Unentschlossene" bisweilen recht heuchlerisch, wenn Differenzierung, Kontextualisierung und Genaugkeit in der Sprache aus dieser Richtung vehement gefordert werden, an anderer Stelle aber dann in höchstem Maße verallgemeinert wird.

  • mir ist der Begriff: Männergewalt zu polarisierend. Mir fällt aber auch kein besserer ein.



    Femizide ist ein gutes Wort, weil es uns Männer nicht unter Generalverdacht stellt. Es leben doch immerhin 40 Millionen Männer in D und der Anteil der Gewalttäter ist im Promillebereich. Es spricht ja auch kein liberal / progressiver Mensch von "Mirgrantengewalt" nur weil da - auch im Promillebereich - schwerste Gewaltverbrechen begangen werden.

  • Das Patriarchat ist ein gesellschaftliches Verhältnis.

  • Ich verachte keine Feministinnen oder Queers, sie sind mir einfach egal. Dann bin ich wohl ein Reaktionär?

  • Ich fürchte die "Rechte" ist längst diverser und Vielfältiger als sie denken.

    Furchtbare Gewalttaten an Frauen haben viele Gründe, aber sie Monokausal einer diffusen Gefahr von Konservativ oder Rechts zuzuordnen wird weder den Opfern noch den Tätern gerecht, sondern vernebelt den Blick auf die wirklichen, oft sehr individuellen Ursachen.

  • Männer müssen vor Allem endlich mal begreifen, dass Sexismus und sexistische Doppelmoral keine Instrumente zur Befreiung sind und ihnen kein Lebensglück bringen.

    • @aujau:

      Richtig wäre: "es gibt Männer, die noch begreifen müssen...". Ich mag diese Pauschalierungen nicht, egal wen oder was es betrifft.

      • @Bommel:

        To whom it may concern.

  • 6G
    611245 (Profil gelöscht)

    Bei um 60% der Opfer von Männergewalt handelt es sich ebenfalls um Männer. Zudem gibt es ein Dunkelfeldproblem, weil deren Scham oft an Anzeigen hindert.



    Da nützt Feminismus und Intersektionalität und queer gar nix.

    Es sollte meiner Meinung nach keine Opfer erster und zweiter Klasse (je nach Geschlecht, was ja schon der Begriff „Femizid“ und sein fehlendes Gegenüber auf Männerseite anzeigt) geben.

    Gewalterfahrung ist für alle Opfer gleich traumatisch.

    • @611245 (Profil gelöscht):

      "Bei um 60% der Opfer von Männergewalt handelt es sich ebenfalls um Männer. Zudem gibt es ein Dunkelfeldproblem, weil deren Scham oft an Anzeigen hindert."

      90% der Körperverletzungen und Tötungsdelikte gegen Frauen werden von Männern begangen. Anders herum sind es ca. 10%. Und das Dunkelfeldproblem trifft auf Frauen als Gewaltopfer mindestens (!) genau so zu, da der Großteil der Taten im häuslichen Bereich stattfindet. Dein Punkt wäre also was genau? Es geht ja nicht um Opfer "erster oder zweiter Klasse" sondern um die Verteilung Täter/Opfer auf die (Cis)Geschlechter.

      • @Systemknecht:

        Prozente hin oder her; der Unterschied besteht schlicht darin, dass Männer nicht wegen ihres Geschlechtes Opfer werden. Frauen schon.



        Glücklicherweise wurde ich als Frau aber auch wegen meines Geschlechts oft in Schutz genommen. Und zwar immer von Männern. (Tut zwar nichts zur Sache, aber eine kleine Lanze will ich dann doch für die Männer brechen.)



        Im Prinzip stimme ich Frau Ayivi voll zu, allerdings bin ich mir nicht so sicher, ob dies ein Phänomen reaktionärer Kreise ist.

        • @Jutta57:

          Auf jeden Fall Danke für den wichtigen Hinweis!

        • @Jutta57:

          "Prozente hin oder her; der Unterschied besteht schlicht darin, dass Männer nicht wegen ihres Geschlechtes Opfer werden. Frauen schon."

          Klar, das steht außer Frage und genau daher gibt es aus traurigen Gründen den Begriff Femizid. Ich wollte konkret nur der sattsam bekannten Zahlenspielerei meines Vorposters entgegnen.

      • @Systemknecht:

        Eben!

  • "während es gleichzeitig ganz offensichtlich ein Problem mit Männern gibt, die Frauen so sehr hassen, dass sie sie unterwerfen, benutzen oder töten wollen," An diesem Punkt bin ich mir nicht ganz sicher. Gewalt von Männern richtet sich auch gegen Frauen, aber am häufigsten gegen heterosexuelle Cis-Männer. Könnte nicht Hass gegen die oder ein Problem mit der konkreten betroffenen Person, verbunden mit einer geringen Frustrationstoletanz, einer Unfähigkeit, Konflikte zu lösen und körperlicher Überlegenheit viel häufiger der Grund sein, warum Männer gewalttätig sind, als ein abstrakter allgemeiner Hass gegen Frauen. Auch wenn das die hinter dem Begriff "Femizid" stehende Idee hinterfragt, erscheint mir das näher an der Realität. Opfer werden Menschen aller Geschlechter. Das Problrm ist, dass unter den Tätern der Anteil der Männer viel höher ist.

  • Wieder ein langer Text über Männer, für die sie sich nicht besonders zu interessieren behauptet.



    Kurzfassung :



    Ich habe nichts gegen Männer. Aber...



    Woher kommt mir das nur so bekannt vor...?



    Ich habe nichts gegen xyz. Aber....

  • Da sich die Autorin nach eigenem Bekunden für Männer "nicht sonderlich interessier[t]", entgehen ihr zwei bedeutsame Nuancen des Themas:



    1. Die meisten Opfer von Männergewalt sind Männer, nicht Frauen.



    2. Die meisten Täter von struktureller Männergewalt sind Ausländer, auch die zwei Beispiele, die die Autorin selbst in ihrem Text nennt.



    Was diese zwei Hinweise ändern? Nun, sie stellen recht deutlich infrage, ob "Femizid" wirklich so eine tragende analytische Kategorie ist, wie die Autorin meint.

    • @Jonas Amazonas:

      Zu 1. 90% der Körperverletzungen und Tötungsdelikte gegen Frauen werden von Männern begangen. Anders herum sind es ca. 10%.

      Zu 2. Nichtdeutsche Männer sind überrepräsentiert bei Gewalttaten gegen Frauen, ebenso wie deutsche Männer aus prekären sozialen Milieus

      Femizide als sinnvolle analytische Kategorie wird vor allem aus bestimmten ideologischen Ecken infrage gestellt. In den Sozialwissenschaften herrscht da weitestgehend Konsens.