BSW-Wahlkampf in Brandenburg: Ein Phantom geht um

Die Wagenknecht-Partei dürfte auch bei der Landtagswahl in Brandenburg abräumen. Ihr Spitzenkandidat Robert Crumbach ist fast gänzlich unbekannt.

Das Bild zeigt Sahra Wagenknecht und Spitzenkandidat Robert Crumbach in Brandenburg an der Havel

Winke, winke: Sahra Wagenknecht und ihr Spitzenkandidat Robert Crumbach in Brandenburg an der Havel Foto: Matthias Gränzdörfer/imago

Brandenburg an der Havel taz | Nach Thüringen und Sachsen geht das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auch in Brandenburg davon aus, nach der Landtagswahl am 22. September zum Machtfaktor zu werden. Er wolle „nicht um jeden Preis mitregieren“, sagt Spitzenkandidat Robert Crumbach. Das BSW werde „auch als Opposition sehr wirkmächtig sein“. Ob in der Regierung oder nicht: „Beitragen werden wir in jedem Fall.“

Die Umfragen geben Crumbach recht. Die Wagenknecht-Partei wird in der jüngsten Abfrage von Donnerstag auf 13 Prozent taxiert. Sie rangiert damit zwar weit hinter der nach wie vor führenden rechtsextremen AfD und der Regierungspartei SPD, die auf 27 beziehungsweise 26 Prozent kommen. Aber das BSW liegt eben auch nur unwesentlich hinter der mitregierenden CDU mit ihren 16 Prozent. Und erst recht vor dem dritten Koalitionspartner, den Grünen, die mit inzwischen nur noch 4,5 Prozent schwer um den Wiedereinzug in den Landtag bangen müssen. Auch in Brandenburg kann die Regierungsbildung schwierig werden. Im Zweifelsfall führt kein Weg am BSW und Crumbach vorbei.

Anders als die landes- und kommunalpolitisch seit Langem aktiven BSW-Spitzenkandidatinnen von Thüringen und Sachsen, Katja Wolf und Sabine Zimmermann, ist Robert Crumbach ein komplett unbeschriebenes Blatt. Dementsprechend gering ist sein Bekanntheitsgrad in Brandenburg.

Die Plakatkampagne des im Mai gegründeten Landesverbands mit gerade mal 40 Mitgliedern tut ihr Übriges. Landauf, landab wirbt für das BSW fast nur eine von den Laternenpfählen: Parteieigentümerin Sahra Wagenknecht. Sie sei eben „viel hübscher“ als er, sagt Crumbach.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Der 61-jährige Arbeitsrichter war rund 40 Jahre lang Mitglied der SPD, 2014 wollte er Landrat im niedersächsischen Stade werden. Er scheiterte. Danach habe er sich immer mehr von der SPD entfremdet. Dem in diesem Jahr neu gegründeten BSW schloss er sich an wegen der Friedensfrage und dem Einsatz für Arbeitnehmer:innenrechte, wie er erklärt. Auf dem Gründungsparteitag des Landesverbands wurde er zum Vorsitzenden gewählt, im Juni ohne Diskussionen zum Spitzenkandidaten ausgerufen.

Crumbachs Auftreten unterscheidet sich deutlich von dem Wagenknechts. Der bullige Mann ist nicht ständig auf Krawall gebürstet und wirkt auch nicht so, als müsse er immer recht haben. Er redet ruhiger, fällt seinem Gegenüber nicht ständig ins Wort. Die Kehrseite: Ein mitreißender Redner ist er nicht.

Das zeigt sich auch am Mittwochnachmittag bei einer Kundgebung des BSW auf dem zentralen Marktplatz von Brandenburg an der Havel, rund 60 Kilometer westlich von Berlin. Crumbach ackert sich vor den rund 500 Zu­hö­re­r:in­nen eine halbe Stunde durch überwiegend landespolitische Forderungen: mehr Po­li­zis­t:in­nen, mehr Wohnungsbau, mehr Leh­re­r:in­nen, ein kostenloser ÖPNV für Schüler:innen. Innovativ ist das nicht. Es findet sich auch in anderen Programmen.

Der Spitzenkandidat sagt Sätze wie: „Wir haben die Möglichkeit, ein bisschen was hier in Brandenburg zu verändern, aber auch darüber hinaus ein Signal für den Bund zu setzen.“ Oder: „Wir wollen eine vernünftige Politik, die nicht Einzelinteressen und sogenannte woke Interessen, sondern die gesamte Gesellschaft in den Mittelpunkt stellt.“ Das überwiegend ältere Marktplatzpublikum klatscht artig hier und da. Der Funke springt nicht über.

„Sahra wird jetzt zu Ihnen sprechen“

Zuletzt handelt Crumbach in der Havelstadt noch rasch die Friedensfrage ab, dann hat er sein Manuskript zu Ende vorgelesen und kann den eigentlichen Höhepunkt der Veranstaltung ankündigen: „Sahra ist da, und sie wird jetzt zu Ihnen sprechen.“

Sahra Wagenknecht hält sich auch nicht mit Vorreden auf, sondern spult ihr aus Funk und Fernsehen bekanntes Programm ab. Im Gestus der Dauerempörung geht es gegen die „durch und durch irre“ Energiepolitik der „unsäglichen Ampel“, die „schwachsinnige“ Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und – als Finale – das „wahnsinnige Wettrüsten“ der Bundesregierung.

Brandenburg und Crumbach erwähnt sie nur am Rand. Es geht ums große Ganze und vor allem gegen „die hippe grüne Großstadtblase“ von Berlin-Mitte, die angeblich mit ihrem Tesla beim Bioladen vorfahre. Dem Publikum in Brandenburg an der Havel gefällt das. Es wird immer wieder lange applaudiert und mit „Ja, so ist es“ zugestimmt. Dafür sind die Leute gekommen. Auch in Brandenburg gilt: Wagenknecht ist die Partei, die Partei ist Wagenknecht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.