Belarus, Russland und Ukraine: Nur eine Drohgebärde?
Belarus stationiert Truppen an der Grenze zur Ukraine. Machthaber Lukaschenko sagt, das Land habe mit dem Krieg nichts zu tun. Aber es ist mittendrin.
M ehrere zusätzliche Einheiten belarussischer Soldaten (Genaues weiß man nicht) sollen im Gebiet Gomel an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen worden sein – angeblich zu Übungszwecken. Klingelt da etwas? Eben. Mehrere gemeinsame russisch-belarussische Manöver hatte es auch vor dem 24. Februar 2022 gegeben. Was folgte, wissen wir: Der Aufmarsch, den viele damals als Bluff und militärisches Muskelspiel abgetan hatten, entpuppte sich als Vorbote des russischen Angriffskrieges gegen den Nachbarn. Dieser Wahnsinn hat bislang zigtausende Tote gefordert.
Genau aus diesem Grund sollten die jüngsten Entwicklungen ernst genommen werden. Doch ob sie mehr als eine Drohgebärde sind, muss bezweifelt werden. Wahrscheinlicher ist, dass es sich um eine weitere Facette des Informationskrieges zwischen den Kriegsparteien handelt.
Das gilt vor allem für die belarussische Seite – will heißen den autokratischen Dauerherrscher Alexander Lukaschenko. Der ergeht sich in vollkommen abwegigen Verschwörungsfantasien. Eine lautet, dass Belarus zum Opfer eines Angriffs der Nato-Staaten (zum Beispiel Polens) oder der Ukraine werden könnte. Letztere, so das gängige Narrativ, ist ein willfähriger Erfüllungsgehilfe des aggressiven Westens.
Mit der vermeintlichen personellen Aufrüstung an der Grenze kann sich Lukaschenko gegenüber der eigenen Bevölkerung (eine große Mehrheit lehnt den Krieg ab) wieder als „Leader“ präsentieren, der sein Land schützt und alles tut, um eine Beteiligung von Belarus an diesem Krieg zu verhindern. Dabei ist Minsk längst mittendrin. Immer wieder erfolgen russische Angriffe auch von Belarus aus, bei der Logistik ist Putins Verbündeter Lukaschenko ebenfalls zu Diensten.
Dabei muss es nicht bleiben: Sollte Putin einen Marschbefehl geben, müsste Lukaschenko dem Folge leisten. Der Rest wäre sein Problem. Das sind keine schönen Aussichten. Auch wenn man bedenkt, dass der Kremlchef (siehe den ukrainischen Vormarsch auf Kursk) nicht einmal in der Lage ist, Russland zu schützen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Steinmeiers Griechenland-Reise
Deutscher Starrsinn
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln
Serpil Temiz-Unvar
„Seine Angriffe werden weitergehen“
Rechtsruck in den Niederlanden
„Wilders drückt der Regierung spürbar seinen Stempel auf“
Koalitionsverhandlungen in Potsdam
Bündnis fossiles Brandenburg
VW in der Krise
Schlicht nicht wettbewerbsfähig