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Umweltschutz in kleinen SchrittenMilliliter sparen beim Wasserkochen

Unsere Kolumnistin erhält von einer Freundin den Tipp, nur so viel Wasser zu kochen, wie nötig ist. Jetzt spart sie Geld und Energie.

Ab jetzt wird gespart: Wenn ich jetzt Tee aufgieße, stelle ich mir vor, wie mir meine Freundin über die Schulter guckt Foto: Panthermedia/imago

W asser kochen ist unpolitisch. Das dachte ich, bis mich letztens eine Freundin besuchte. Ich stand am Waschbecken und füllte den Kocher bis zur Maximallinie, drückte auf die 100-Grad-Taste, im blauen Licht begann das Wasser zu sprudeln und meine Freundin bekam ein nervöses Zucken. Als ich das Wasser in zwei Tassen goss, platzte es aus ihr heraus: „Das ist so ineffizient!“

Hä? Was hatte ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht? Sie deutete auf den Liter kochendes Wasser, der gerade wieder abkühlte. „Das ist jedes Mal fast eine Waschmaschine, die du da aufkochst.“ Sie ist Ingenieurin, also halb Mensch, halb Taschenrechner. Im Kopf überschlägt sie Kilowattstunden, Kochzeiten und die Jahresrechnung, während ich unbekümmert Teebeutel aufreiße.

Ein Wasserkocher verbraucht bei einem vollen Kochgang ungefähr 0,17 Kilowattstunden. Das ist kaum etwas. Lass mich doch sinnlos Wasser heiß machen! Deutschlands größter Klimakiller RWE schießt allein aus seinem Kohlekraftwerk Neurath jedes Jahr über 20 Millionen Tonnen CO2 in die Luft. Was sind da schon meine Heißwassersünden? Lächerlich!

wochentaz

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So hätte ich kontern können. Und es stimmt, in der Klimakrise wird zu oft das Individuum verantwortlich gemacht. Der Mineralölkonzern BP hat den persönlichen CO2-Fußabdruck überhaupt erst groß gemacht, um von der eigenen Verantwortung abzulenken. Seitdem können die größten Emittenten im Schatten der Debatte über die Wurst auf dem Grill kräftig Treibhausgase ausstoßen.

All das habe ich meiner Freundin aber nicht schnaubend entgegnet. Weil ich nicht unbedingt schlagfertig bin – und weil sie weder gesagt hat, wie verschwenderisch ich bin, noch was für ein Klimaschwein in mir steckt. Stattdessen sollte ich lieber rech­nen:­ Wenn ich statt anderthalb Litern nur einen halben Liter aufkoche, sind das bei 400 Kochgängen im Jahr rund 45 Kilowattstunden Strom, die ich weniger verbrauchen würde. Gleichzeitig gäbe es keinen „Nutzenverlust“, weil heißes Wasser sinnlos abkühlt.

Der Ehrgeiz ist geweckt

Sie argumentiert wie eine App, die einem hilft, mit dem Rauchen aufzuhören: Wenn du jetzt noch sechs Tage durchhältst, sind deine Hände besser durchblutet, du schmeckst mehr und du hast 15 Euro gespart. Diese Rechnerei hat mich schon mal motiviert.

Diese Wasserkocherrechnung ergibt bei einem aktuellen Preis von 25 Cent pro Kilowattstunde Strom um die 11,25 Euro, die ich im Jahr weniger für Strom ausgeben müsste. Keine große Summe. Und trotzdem ist aus mir eine sehr akkurate Wasserkocherin geworden: Den Kocher bis zum dritten Strich aufzufüllen reicht für eine Portion Pasta. 220 Milliliter passen in meine Lieblingstasse.

Mein frisch gewonnener Ehrgeiz, die Stromrechnung zu drücken, ergibt sogar wissenschaftlich Sinn. Lange dachte die Forschung, dass intrinsische Motivation unser Handeln am ehesten beeinflussen kann und länger anhält. Ich müsste also aus eigener Überzeugung die richtige Menge Wasser kochen, sonst ändere ich mich nicht. Aber heute wissen wir: Die Aussicht auf eine Belohnung motiviert uns genauso zum Handeln. In Form von Keksen, einem Dopaminrausch, einer kleineren Stromrechnung oder auch Lob.

Wenn ich jetzt Tee aufgieße, stelle ich mir vor, wie mir meine Freundin über die Schulter guckt und keine Schnappatmung mehr bekommen muss. Vielleicht grinst sie stattdessen ein bisschen.

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Sophie Fichtner
Redakteurin
Ist Redakteurin im Zukunftsteil der wochentaz. Sie hat die Deutsche Journalistenschule in München besucht und Politikwissenschaften in Berlin und Lissabon mit Schwerpunkt auf Menschenrechten studiert.
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16 Kommentare

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  • Wie man Pasta zubereitet:



    1. Den größten Topf nehmen, den man zur Verfügung hat



    2. Den Topf zur Gänze mit Wasser füllen



    3. Ordentlich Salz hinzugeben. Das Wasser darf gesättigt sein.



    4. Das Wasser zum Kochen bringen.



    5. Die Pasta hineingeben und exakt so lange wie angegeben in sprudelndem Wasser kochen.

    Das ist ohne Zweifel ineffizient, aber Voraussetzung für den Genuss.

  • Wie man so gedankenlos sein kann mehr Wasser zu kochen als man braucht erschließt sich mir nicht.



    Der Zusammenhang aus Kochzeit und Wassermenge sollte sich wohl jedem auch ohne Hinweis erschließen.



    6x so viel Wasser braucht auch 6x so lange bis es heiß ist...



    Da ist die verlorene Zeit bis zur Befriedigung des Bedürfnisses noch das schlimmere.



    Ich stelle mir vor jemand trinkt morgens keine Tee wie er eigentlich gern möchte trinkt weil er keine Zeit hätte weil er die 6x Kochzeit hat

  • Der Artikel hätte hier enden sollen:

    Und es stimmt, in der Klimakrise wird zu oft das Individuum verantwortlich gemacht.

    alles andere ist wirklich Energieverschwendung ;-)

  • "Den Kocher bis zum dritten Strich aufzufüllen reicht für eine Portion Pasta"

    Was sind das für Pasta, welche nur mit heißem Wasser aufgebrüht werden müssen? Aber bitte nicht diese unsäglichen Asia-Nudeln? Die sind nämlich klimaschädlich hoch zehn. In der Produktion werden die nicht nur vorgekocht sondern auch fritiert.

    • @Mopsfidel:

      Das ist nicht ernst gemeint, oder?

      Da bin ich mit 15 drauf gekommen, weil es sonst schlicht viel länger dauert als nötig.

      • @Thomas Schnitzer:

        man kann auch die pasta direkt in den wasserkocher schmeissen.

    • @Mopsfidel:

      Was genau macht da die Klimaschädlichkeit aus? Wenn die zu Hause fünf Minuten gekocht werden müssen, anstatt nur mit heißem Wasser übergossen zu werden kostet das auch Energie.

      • @Thomas Schnitzer:

        Meine Hartweizennudeln sind nicht zuvor in Öl fritiert worden.

        Der Raps oder die Sonnenblumen müssen extra angepflanzt, bewässert und bewirtschaftet werden, zu Öl verarbeitet, gelagert, transportiert, erhitzt und danach wieder aufwendig entsorgt werden. Sie haben recht, in Summe kostet dies nicht sonderlich viel mehr Ressourcen als 5 Liter erhitztes Wasser.

  • Ja völlig richtig. Und jetzt mal weiterrechnen: was kosten andere Verbraucher wie Licht, Unterhaltungselektronik und Waschmaschine, Trockner usw.

    Wenn all dem mal nachgeht, kann man noch viel mehr sparen. Ich habe innerhalb der letzten Jahre meinen Verbrauch von 2300 kwH auf 1300 kwH pro Jahr gesenkt.

  • Die 0,25€/kWh sind aber günstig - welcher Versorger das wohl sein mag? Aktuell liegt der durchschnittliche Preis bei ca. 0,41 €/kWh, da wären dann 18,45 € im Jahr.

    Da sind die 11,25 € im Jahr erschreckend wenig im Vergleich zu 15 € in der Woche bei Zigaretten.



    Damit verfügt jeder Raucher über ein Effizienzpotential von ca. 52 x 15 € = 780 € im Jahr. Davon lässt sich eine Balkon-PV-Anlage kaufen und im darauf folgendem Jahr 780 € und 315 € sparen.



    Stromeinsparungen sollten dann aber nur noch in den Nachtstunden wirksam werden. Doch könnte mit den im zweiten Jahr gewonnen 1.095 € ein Batteriespeicher anschaffen, der wiederum zusätzliche Ersparnisse erbringt, abhängig vom Verbrauchsprofil.

    Bei fortgesetzten Einsparmaßnahmen (Dämmung, Wärmepumpe, etc.) finanzieren sich diese laufend ohne weitere Einschränkung, mal abgesehen davon, dass die Zigaretten weggefallen sind und etwas mehr Disziplin abgefordert wird. Letzteres festigt zudem die Persönlichkeit und die ganze Einsparerei macht zudem Unabhängiger.

  • Alles richtig. Aber warum kommt man nicht selbst darauf, dass mehr Wasser kochen als nötig, Energie und Geldverschwendung ist?

    In der Schule nicht aufgepasst?

  • Es ist nicht nur weniger Strom den man verbraucht, man verbraucht auch weniger Wasser, denn oft genug wird der Rest aus dem Kocher dann in den Abfluss gekippt.....und es geht übrigens auch schneller einen halben Liter zu kochen anstatt eines ganzen Liters, spart also auch noch Zeit.....einfach mal alle alltäglichen Dinge die man so aus Gewohnheit macht auf Sinnhaftigkeit überprüfen und man stellt fest, dass man an vielen Ecken und Enden sparen kann und das meist mit wenig bis garkeinem zusätzlichen Aufwand

    • @PartyChampignons:

      Wer kippt denn Wassers aus dem Wasserkocher weg? Das mache ich pers. nur, wenn ich ihn einige Tage nicht benutzt habe und noch ein kleiner Rest darin ist ...

      • @EDL:

        Nunja ich führe jetzt keine Statistik :D aber ich habs oft genug beobachtet um zumindest vermuten zu können, dass soetwas öfter passiert

  • "Deutschlands größter Klimakiller RWE schießt allein aus seinem Kohlekraftewerk Neurath jedes Jahr über 20 Millionen Tonnen CO2 in die Luft. Was sind da schon meine Heißwassersünden? "

    Nu, die böse Industrie hat vielleicht die individuelle Klimaschuld erfunden, aber ohne die ganzen unnützen Energieverschwender in den einzelnen Haushalten (und Gewerben), würde der obrige größte Klimakiller auch weniger Energie produzieren müssen und würde vielleicht nur 19 Mio CO2 ausstossen. Egal ob Strom oder Öl, der Verbrauch der Energien wird von den Industrie nicht aufgezwungen. Selbst der Trend alles Mögliche motorisch antrieben zu lassen (Rolläden, Fensterheber, Vibratoren) oder, schlimmer, per App zu steuern und vernetzen wird nicht wirklich aufgezwungen. Allerdings ist der manuelle Weg oft mühsamer (zu finden). Beim Wasserkochen scheidet der aus. Aber schon Pfannkuchenteig kann man manuell anrühren.

    • @fly:

      Seltsam, dass RWE keine BHKW-Modelle für uns Kunden anbietet. Das würde den CO2-Ausstoß knapp halbieren und die Kunden um die Hälfte entlasten...



      Nun, vll ist RWE doch nicht so altruistisch wie gehofft und freut sich über jeden Liter kochendes Wasser, dass von Kohle erhitzt Turbinen für unseren Strom erzeugt, OHNE die gigantischen Mengen an Abwärme zu verteilen - außer in die Atmosphäre :p



      Gruß Krischan