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Türkische Döner-InitiativeDer Döner bleibt deutsch

Kommentar von Eberhard Seidel

Ein türkischer Verein will den Döner als EU-Kulturgut anerkennen lassen. Allerdings ignoriert er die transkulturelle Entstehungsgeschichte.

Der Döner. Von nationalistischer Seite gibt es Versuche kultureller Appropriation Foto: Martin Möller/Funke Foto Services/imago

D er Antrag der Internationalen Döner-Föderation (Udofed) bei der EU ist ein Generalangriff auf das Lieblingsgericht der Deutschen. Ein Angriff auf die kulturelle Identität dieses Landes.

Die Udofed mit Sitz in Istanbul will den Döner von der EU als „traditionelle Spezialität“ schützen lassen. Mit genauen Vorschriften, welches Fleisch verwendet werden darf (kein Kalbfleisch!), wie dick die Fleischscheiben geschnitten werden dürfen (0,2 bis 0,5 Zentimeter), wie viel Gramm Zwiebeln, Salz, Pfeffer, Thymian in einem Döner sein dürfen und wie lang das Dönermesser aus „speziellem Edelstahl“ sein muss – 55 Zentimeter.

Dieser Antrag ist der Versuch, die Dönerwelt, die seit Jahrzehnten von deutsch-türkischen Dönerproduzenten entwickelt, gestaltet und vermessen wird, neu zu ordnen: autoritär, durch Normsetzungen aus der Türkei von oben, mit nationalistischen Reinheitsvorstellungen und Besitzanspruch.

Das alles ist nicht verwunderlich, denn die Istanbuler Vereinigung wurde 2019 von Mehmet Mercan gegründet, dem ehemaligen Istanbuler Vorsitzenden der Partei der großen Einheit (BBP) – eine rechtsextreme islamistisch-natio­nalistische Partei. Der BBP wird unter anderem vorgeworfen, an dem Mordkomplett gegen den armenischstämmigen Publizisten Hrant Dink beteiligt gewesen zu sein. Zwar ist ­Mecan 2023 gestorben, doch er hat die Ini­tia­tive zu dem Antrag an die EU 2022 auf den Weg gebracht.

Der Antrag der Internationalen Döner-Föderation ignoriert, dass der Döner Kebap keine Erfindung der Türkei ist, sondern ein Produkt des Osmanischen Reiches, in dem Türken, Griechen, Albaner, Juden, Armenier, Kurden und Araber sich gegenseitig in die Töpfe guckten und voneinander klauten und lernten. Das Ergebnis ist die Dreifaltigkeit: Döner-Gyros-Schawarma.

Als türkische Gastarbeiter den Döner Kebap nach Deutschland brachten, führten sie die transkulturelle Toleranz weiter. Sie griffen etwas auf, was sie aus der Türkei kannten, und erschufen etwas völlig Neues – den German Döner! Der German Döner, wie wir ihn heute kennen.

Man muss das nicht mögen, man mag ihn in besserer Qualität wollen, aber eines ist sicher: Der German Döner ist ein demokratisches Produkt. An seiner derzeitigen Form haben Millionen von Menschen in einem partizipativen Prozess mitgewirkt. Der German Döner ist genau so, wie ihn die Menschen wollen. Deshalb ist er Pop, deshalb hat er weltweiten Erfolg, deshalb ist er Exportschlager aus Deutschland und nicht aus der Türkei. Nicht die Dönerproduzenten in der Türkei, sondern die Deutschtürken entwickelten hochkomplexe Produktionsanlagen und -verfahren für Dönerspieße, mit denen sie ganz Europa, Dubai, die USA und Kanada beliefern.

Interessanterweise haben die Initiatoren des Antrags sich im Vorfeld nicht an die Dönerproduzenten in Deutschland gewandt, um sich mit ihnen abzustimmen. Der bereits 1996 in Berlin gegründete Verein türkischer Dönerhersteller in Europa lehnt den Istanbuler Antrag ab.

Übrigens gibt es schon lange so etwas wie ein Reinheitsgebot für den Döner Kebap in Deutschland, das Mindeststandards festlegt, was in einem Döner enthalten sein darf. Die „Berliner Verkehrsauffassung für das Fleischerzeugnis Döner Kebap“ wurde 1989 für Berlin verabschiedet und gilt seit 1991 theoretisch bundesweit. Der Instanbuler Antrag kommt also schlicht zu spät.

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33 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Wenn ich denn mal zu einem Imbiss gehe und sage ich will einen "German Döner" dann lacht der mich doch aus und sagt.. ham wer nicht, bei uns gibt´s Turkey Döner" - ja dann bitte komplett.

  • "Etwas scharf?"



    "Ja, aber nur ein bisschen."

    Bitte für diesen Text Antrag stellen als deutsch-türkisches immaterielle Kulturgut bei der UNESCO.

  • Grundsätzlich würde ich es begrüßen, wenn der Döner mehr normiert wird, damit man weiß, welche Qualität er hat.



    Die Döner, die dann nicht mehr so genannt werden dürfen, könnten ja dann zum Beispiel Fleischspieß Dönerart oder so ähnlich heißen.

    • @Piet Petersen:

      Endlich mal einer, der der EU Vorschläge für Regelungen und Normierungen macht, denen wird es sonst langweilig.

  • Vielen Dank für diesen Artikel - ich habe was gelernt und bin hungrig geworden.

  • Und ich dachte immer, der Döner wäre am Kottbusser Damm erfunden worden.



    Auf jeden Fall muss Knoblauchsoße dran und er ist übertrieben teuer.

  • Hauptsache mit ohne Pute.

  • Ein wenig mehr Tradition, gerade in Bezug auf die Handhabung der Messer, würden den deutschen Dönerbuden gut tun.



    Bei meiner traf neulich ein Stromausfall im Strassenzug mit der Abwesenheit der alten Hasen zusammen, nur so knapp 30-jährige da.



    Ich sah kein Problem wegen dem Ausfall, ist doch n Gasofen? Ja, aber das Messer ist elektrisch...



    Für mich als Stammkunden hat er sich dann doch dran gewagt, dicker als sonst, fast noch leckerer. Den nächsten hat er aber vertröstet, Entstörungsdienst war schon vor Ort.

  • Wie jetzt, ohne Kalbfleisch?



    Hähnchendöner ist trocken und Lammdöner habe ich noch nicht gesehen.

    • @Axel Schäfer:

      Es ist auch nicht einfach, immer zu sehen und zu schmecken, worum es sich handelt.

    • @Axel Schäfer:

      Ja, ja, die jüngere Generation … früher gab es bei uns NUR Döner mit Lammfleisch, deshalb habe ich ihn so gerne gemocht. Jetzt finde ich das nirgends mehr - kann jemand einen Tipp geben? - nur noch Kalb und Hähnchen. Eine Notlösung für den Dörner-Enthusiasten der alten Schule.😉



      Fast so inakzeptabel wie so schräge Kreationen wie Döner-Pizza … da hört der Spaß definitiv auf!

  • Das Schöne ist ja, jeder kann selbst entscheiden, ob er es dann so noch essen möchte oder nicht. Oder ob er mal was Anderes ausprobiert oder Döner da essen geht, wo er eben noch nach seinem Geschmack angerichtet wird. Scheint mir wie das alte Tauziehen zwischen dem Ruhrpott und Berlin, was die Currywurst angeht. (Natürlich kommt sie aus Berlin, wissen wir alle.) Hauptsache, sie schmeckt und ist nicht nur ne Bratwurst mit Ketchup...

  • Gut, dass wir gerade aufrüsten, wenn sie uns jetzt noch die Currywurst wegnehmen wollen, müssen wir in den Krieg ziehen!

  • "Der Döner bleibt deutsch"



    Geht's noch? Als ich 1968 in der Türkei war, gab es dort schon Döner., in Deutschland noch nicht. Und jetzt ist er deutsch???



    Wenn das mal keine "kulturelle Aneignung" [1] ist...



    [1] de.wikipedia.org/w...lturelle_Aneignung

    • @sollndas:

      Der Döner ist so deutsch, wie diejenigen, die ihn hier zubereiten. Haben Sie 1968 in der Türkei Ihren Döner wirklich schon im Fladenbrot mit Salat und "Tsatsiki, Cocktail oder Scharf" bekommen?

      • @Volker Scheunert:

        Döner mit Tzatziki? Wollen Sie einen neuen Dodekaneskrieg? ;-)

        Ich finde es immer wieder lustig, wenn mir Menschen erklären, warum ein bestimmtes Gericht "traditionell" in diesem einen bestimmten Land zu Hause ist. Aufgrund der Ausdehnung des Osmanischen Reiches und dem Siedlungsgebiet der Turkvölker dürfte die türkische Küche vom Nordbalkan (lies: Wien) bis zum Altaigebirge verbreitet sein, wo sie zusehends mit der Chinesischen und Mongolischen fusioniert.

        Und natürlich haben die Türken sicherlich auch andere Spezialitäten und Varianten in ihr Repertoire mit aufgenommen.

        Wo es genau herkommt ist mir eigentlich ziemlich wurscht. Hauptsache ist: "'S muss schmegge!"

        • @Metallkopf:

          "Ich finde es immer wieder lustig, wenn mir Menschen erklären, warum ein bestimmtes Gericht "traditionell" in diesem einen bestimmten Land zu Hause ist."



          Genau deshalb erscheint es mir ziemlich übergriffig, ein in vielen Varianten und Ländern weit verbreitetes Gericht als "deutsch" zu reklamieren. Besonders in einer Zeitung, die sich ansonsten so gegen kulturelle Aneignung stark macht.

        • @Metallkopf:

          Es gibt ja auch Menschen, die glauben, in Chinarestaurant gibts chinesisches Essen.

    • @sollndas:

      Die Salat/Gemüsemischung und die Saucen sind beim deutschen Döner anders, deshalb ist er schon als eigenständiges Produkt zu bezeichnen.

  • Was ist der Unterschied zum Gyros?

    • @drafi:

      Leckerer Schweinehals im Gyros.



      Leider heutzutage viel zu selten zu bekommen.

      • @The Calif:

        Ich kenne in Berlin keinen Anbieter mehr, der es im Brot verkauft.

        Traurig.

    • @drafi:

      Döner ist halal, Gyros nicht. Die Einzelheiten googlen Sie bitte...

      • @Volker Scheunert:

        Döner muss nicht halal sein.



        Er kann.



        Um halal zu sein, müssen alle Zutaten und die Zubereitung selbst halal sein. Dazu gehört mehr als "kein Schweinefleisch".



        Ich bezweifle, dass die Dönerbuden, die nicht in Gegenden mit größerem muslimischen Anteil sind, überhaupt ein halal Produkt anbieten.

  • Der traditionelle Staat hat eine Weile nichts auf die Reihe gekriegt und muss sich das Multikulti Produkt als Nationalheiligtum kulturell aneignen. Warum sind die Menschen eigentlich so geil darauf, dass eine Knolle, Frucht oder Getreide aus der neuen Welt identitässtiftend für ihre Altweltnation sind und total "nach Heimat" schmecken? Grüße von der deutschen Kartoffel importiert aus dem Inkareich

    • @Paul Anther:

      Wo genau kommt hier "der Staat" ins Spiel?



      Ich sehe zwei Organisationen- eine rechtsgerichtete religiöse, die versucht, Einfluss auf das zu nehmen, was wir essen "die Udofed", und einen kommerziellen Verein, der dagegen ist.



      Und einen Kommentator, der (historisch korrekt) erläutert, dass der heute in Deutschland verkaufte "Döner Kebap" eben ein deutsches Streetfood ist, dass von nach Deutschland eingewanderten Türken oder deren Nachfahren aus einem originär türkischen Gericht nach Machart, Geschmack und Zutaten für den deutschen Markt und Geschmack geschaffen wurde.



      Ich sehe nicht, dass sich eine deutsche Bundes-, Landes oder Kommunal -Regierung oder -Behörde damit befasst hätte.

    • @Paul Anther:

      Es ist halt identitätsstiftend und gibt einem Gelegenheit, den Erfolg der eigenen Küche in anderen Länder für das eigene Wohlbefinden zu nutzen. Oder im Gegenteil, sich hierdurch von anderen abzugrenzen, etwa durch den Konsum von Schweinefleisch vom Islam und Judentum.

      Als augenzwinkernde Folklore finde ich es noch okay. Als Instrument des Chauvinismus finde ich die "Ausweitung der Fressmeile" blöd.

  • 0,2 bis 0,5 Millimeter dicke Fleischscheiben? Sind die durchsichtig?

    • @Mustardman:

      0,2 bis 0,5 cm steht da.

    • @Mustardman:

      Wer schon mal einen Mikroskopiekurs mitgemacht hat, weiß dass mit einem gut gewartetem Mikrotom Schnitte von 10 Mikrometer Dicke kein Problem sind.

    • @Mustardman:

      Aber immerhin Fleisch.

      Das ist beim in DE weitestverbreiteten "Fleischspieß nach Döner Art" nur noch in mittleren Dosen enthalten.

      So wie in Frikadellen.

    • @Mustardman:

      😹



      👍

  • ¡No pasarán!