Wacken-Festival verkauft: Dann kostet die Wurst 8,40 Euro
Das Metal-Festival gehört künftig einem Investor, der an Waffenproduktion beteiligt ist. Fans und Medien befürchten einen Ausverkauf.
Eine Außenseitermusik ist Metal aber auch. Man bekommt den Mythos in Highschool-Komödien immer wieder vorgeführt: Der Metal-Fan ist eine Ein-bisschen-windschief-in-die Welt-Figur, lieb meist, aber notgedrungen immer eine Idee eigensinniger als der Rest.
Das Wacken-Festival ist eins der größten Metal-Festivals der Welt und ein inzwischen mythisch aufgeladener Ort. Menschen, die öfter dort waren, sprechen gerne vom „holy ground“ und meinen das, wie oft im Metal, ironisch und ernst zugleich.
Gegründet wurde das Festival 1990 auf einem Acker in Wacken, gut zehn Kilometer nordwestlich von Itzehoe. Damals waren es gerade mal 800 Besucherinnen und Besucher, und der Eintritt lag bei 12 D-Mark. Seitdem ist Wacken expandiert und seit 2010 restlos ausverkauft. Die 85.000 Tickets für die diesjährige Ausgabe waren innerhalb von vier Stunden weg. Eine Gelddruckmaschine, der immer noch der Glanz des Selbstgemachten und des irgendwie süß Provinziellen anhaftet.
Verkauf ist auf allen Kanälen eine Meldung
Vielleicht ist die Übernahme des britischen Veranstalters Superstruct Entertainment, der das Wacken-Festival seit 2017 ausrichtet, vor allem deswegen auf eigentlich allen Kanälen eine Meldung wert. Würde zum Beispiel Rock am Ring verkauft, würde das jenseits der eigenen Branche wohl kaum jemanden interessieren.
Über den befürchteten Wacken-Sell-out an den Finanzinvestor KKR aber wird kräftig berichtet. Wahrscheinlich auch, weil der Gegensatz immer noch gut funktioniert: ein Festival mit handgemachter Musik und felsenfesten Ritualen vor und auf den Bühnen, das auf einem norddeutschen Acker stattfindet mit knorzigen Dorfbewohnern im Hintergrund, versus ein gesichtsloser Investor, wie es dann gerne heißt, quasi Heuschrecke.
Verbunden waren die Meldungen oft mit der bangen Frage, ob sich durch die Übernahme etwas ändern wird. Was die Veranstalter seit einer Woche routiniert verneinen, auch der taz gegenüber: Der „Eigentümerwechsel von Superstruct Entertainment hat aktuell keine Auswirkungen auf das Wacken Open Air“.
Der Pressemitteilung des „US-Investors“ (Der Spiegel) ist zu entnehmen, dass die Nachfrage nach Live-Unterhaltung im vergangenen Jahrzehnt erheblich gestiegen sei und voraussichtlich weiter steigen werde, da sich die Verbraucherausgaben mehr und mehr von Gütern hin zu Erlebnissen verlagern. Man wolle Superstruct „in seiner nächsten Entwicklungsphase“ unterstützen und gleichzeitig „die kreative und kulturelle DNA des Unternehmens“ bewahren.
Vier-Tages-Ticket zum Preis von rund 52 Bratwürsten
Aber auch wenn das Verbraucherinteresse sich wirklich mehr und mehr von Gütern hin zu Erfahrungen verlagern sollte, muss der Mensch was essen, und die Bratwurst kostete auf dem Wacken-Festival 2023 mal eben 6,40 Euro.
Das Vier-Tages-Ticket wiederum gab es zum Preis von rund 52 Bratwürsten. Auf der Ebene kann es also nicht wesentlich schlimmer werden. Die Wurst könnte auch 8,40 Euro kosten und das Ticket dann 437, aber das ist nicht entscheidend und wäre, wenn es passiert, auch ohne neuen Investor passiert. Das Wacken-Festival hat sich schon vor einigen Jahren branchengängigen Abmelkprozessen am Kunden angeschlossen.
Zeichen des drohenden Verfalls
Als weiteres Zeichen des drohenden Verfalls wird die Beteiligung von KRR am Axel-Springer-Verlag und am Rüstungskonzern Hensoldt gewertet. Außerdem ist KKR einer der weltweit größten Investoren in fossile Projekte. Das alles sind natürlich valide Punkte. Eigentlich nämlich nimmt man von solchen Leuten kein Geld, sondern zeigt ihnen freundlich, aber bestimmt die Tür.
Aber dann natürlich: 1,3 Milliarden Dollar Verkaufspreis für den britischen Veranstalter des Wacken Open Airs, Superstruct Entertainment, der 80 weitere Festivals in Europa und Australien organisiert. Und es ist ja auch schon wieder ganz stimmig, wenn Firmen mit Waffenkonzernverbindung Geld in ein Metal-Festival pumpen. Weil das Genre selbst ja auch recht kriegsaffin ist. Man erinnere sich an „War Ensemble“ von Slayer („When victory’s a massacre / The final swing is not a drill / It’s how many people I can kill“), „One“ von Metallica („Now that the war is through with me / I’m waking up, I cannot see“) und Megadeths „Peace Sells … But Who’s Buying?“. Gute Frage. Eben, niemand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Wegen antisemitischer Postings
Urteil gegen Kurator:in