Massenproteste in Israel: „Free Israel from Netanjahu“
Hunderttausende Israelis demonstrierten am Samstag gegen die Regierung von Netanjahu. Dessen Konflikt mit dem Militär könnte ihm zum Verhängnis werden.
E in Foto geht derzeit in den israelischen Medien viral: Eine Reihe von Grenzpolizisten steht schützend um die Villa von Benjamin Netanjahu. Davor steht eine Frau, alleine, mit einem Schild in der Hand: „Free Israel“, steht darauf. Die Anspielung auf den Spruch „Free Gaza“ ist nicht zu überlesen. Das Bild trifft einen Nerv: die Verzweiflung der Protestbewegung darüber, dass auch Israel besetzt gehalten wird – von einer Regierung, die längst hätte abtreten müssen, aber nicht im Traum daran denkt.
Die Demonstrationen am vergangenen Samstag waren die größten seit dem 7. Oktober. Die Protestbewegung scheint ihre Lähmung überwunden zu haben, doch die große Frage ist: Wird der Druck von der Straße ausreichen, um Neuwahlen zu erwirken?
Viele, selbst die, die demonstrieren gehen, versuchen sich derzeit mit dem Verlust ihrer Hoffnung zu arrangieren, dass das Land noch zu retten ist. Doch für andere ist völlig klar, dass Neuwahlen nur eine Frage der Zeit sind.
Wer recht behalten wird, ist offen. Doch tatsächlich könnten einige innenpolitische Entwicklungen der Protestbewegung in die Hände spielen: Netanjahu hat zunehmend Probleme, seine rechtsextremen Koalitionspartner:innen Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich einzuhegen. Deren Forderungen – keine Zugeständnisse gegenüber den Palästinenser:innen, kein Waffenstillstands-Deal – drängen Netanjahu mehr und mehr in einen offenen Konflikt mit der israelischen Armee.
Armeesprecher Daniel Hagari
Streitthemen gibt es zuhauf. Vor einigen Tagen tastete Armeesprecher Daniel Hagari sogar das Kriegsziel Netanjahus an, nämlich die komplette Zerstörung der Hamas: „Jeder, der glaubt, wir könnten die Hamas beseitigen, liegt falsch“, sagte Hagari in einem Fernsehinterview. Hinzu kommt Netanjahus Weigerung, einen Nachkriegsplan zu entwickeln und eine alternative Kraft zur Hamas, etwa die Palästinensische Autonomiebehörde, zur Kontrolle in Gaza zuzulassen. Israel, so das Militär, laufe deswegen Gefahr, die „taktischen Errungenschaften“ der vergangenen Monate in Gaza wieder zu verlieren. Stattdessen kehre die Hamas in bereits geräumte Gebiete zurück.
Dass sich der eigene Ministerpräsident gegen das Militär stellt, das in Israel traditionell großes Vertrauen genoss, dürfte auch für viele Rechte, die bislang noch zu Netanjahu halten, eine rote Linie sein – zumindest für diejenigen, die nicht auf Ben-Gvir-und-Smotrich-Linie sind. Es bleibt zu hoffen, dass auch sie sich bald gegen ihn stellen und begreifen, dass Israel befreit werden muss – von Netanjahu und seinen Bündnispartnern, die das Land gekapert haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Auflösung der Ampel-Regierung
Holpriger Versuch endgültig gescheitert
+++ Ampelkoalition zerbricht +++
Lindner findet sich spitze
Ampelkoalition zerbricht
Scholz will Vertrauensfrage stellen
Scheitern der Ampelkoalition
Ampel aus die Maus
Antisemitismus-Resolution im Bundestag
Kritik an Antisemitismus-Resolution
Auflösung der Ampel-Regierung
Drängel-Merz