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Hochwasser in SüddeutschlandDas ist der Klimawandel

Manfred Kriener
Kommentar von Manfred Kriener

Nach den Überschwemmungen geht es vor allem um Unterstützung für die Betroffenen. Langfristig hilft aber nur eins: effektiver Klimaschutz.

Bayern bremst bei der Klimapolitik und hat ein Hochwasserproblem, Ministerpräsident Söder am 2. Juni in Günzburg Foto: Matthias Balk/dpa

E s ist das dritte Hochwasser in diesem Jahr nach der Saarland-Flut und dem Dauerregen im Frühjahr im Nordwesten. Es ist das „neue Normal“ in einem um zwei Grad wärmeren Land, in dem man den weltweit sichtbaren Folgen der menschengemachten Klimakrise auch zu Hause schonungslos ausgesetzt ist.

Es kostet Menschenleben, verschlingt ungeheure Summen, bringt Zigtausende um Hab und Gut. Es ist nicht das Wetter. Es sind nicht die Tiefdruckgebiete. Auch nicht die Löcher im Deich. Es ist die Klimakatastrophe, das Versagen beim Klimaschutz. Die Konzentration der Klimagase in der Atmosphäre steigt stärker als jemals zuvor.

Politische Fragen kommen schon deshalb nicht vor, weil der Bayerische Rundfunk panische Angst hat, eine Woche vor der Wahl die falsche Munition zu liefern.

Doch selbst die Grünen zeigen Hemmungen, Klartext zu reden. Die Angst, man könnte ihnen vorwerfen, das Leid der Bevölkerung politisch auszunutzen, führt zu verklemmten Stellungnahmen. Dass gerade Bayern seit Jahren zu den Bremsern der Klimapolitik gehört und etwa beim Ausbau der Windenergie zu den Schlusslichtern, wagt im Katastrophenkontext niemand zu sagen.

Stattdessen geht es um Befindlichkeiten. „Wie sind die Emotionen?“, wird der Einsatzleiter von der Reporterin gefragt. Nicht an die Politik werden Fragen gestellt – versagt sie beim Klimaschutz, bei Anpassung, Vorsorge, Hochwasserschutz? – sondern an die Feuerwehr.

Die Fragestellungen im ARD-Brennpunkt entsprachen eher denen nach Fußballspielen: Wie machtlos fühlen Sie sich? Wie geht es Ihnen? Na super! Politische Fragen kommen schon deshalb nicht vor, weil der Bayerische Rundfunk panische Angst hat, eine Woche vor der Wahl die falsche Munition zu liefern. Wähler, denen das Wasser bis zum Hals steht, könnten ins Grübeln kommen und zur Ansicht neigen, der grüne Umweltzirkus habe womöglich seine Berechtigung, sei sogar überlebenswichtig.

Als zentrale Maßnahme gegen die Flut wird jetzt die Elementarversicherung gefordert. Oder die Starkregen-Gefahrenkarte. Es wimmelt von Ratschlägen an Hausbesitzer. Kurz: Man versucht, die Klimakatastrophe auf eine versicherungsrechtliche, technische, letztlich individuelle Ebene abzuturfen.

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Manfred Kriener
Manfred Kriener, Jahrgang 1953, ist Umweltjournalist und Autor in Berlin. Themenschwerpunkte: Klima, Umwelt, Landwirtschaft sowie Essen & Trinken. Kriener war elf Jahre lang taz-Ökologieredakteur, danach Gründungschefredakteur des Slow-Food-Magazins und des Umweltmagazins zeozwei.. Zuletzt erschienen: "Leckerland ist abgebrannt - Ernährungslügen und der rasante Wandel der Esskultur". Das Buch schaffte es in die Spiegel-Bestsellerliste und wurde von Umweltministerin Svenja Schulze in der taz vorgestellt. Kriener arbeitet im Journalistenbüro www.textetage.com in Kreuzberg.
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28 Kommentare

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  • Die Donau liegt aktuell bei ca. 10 Metern.



    Vielleicht mal als Vergleich die Maximalstände der letzten Jahre bzw. Jahrhunderte:



    2021: 8,24 m



    2013: 12,89 m



    2002: 10,81 m



    1954: 11,17 m



    1920: 10,47 m



    1895: 11,17 m



    und so weiter...



    Höchster Stand war übrigens 1501 mit 13,20 Metern.

  • Wenn Deutschland CO2 frei wäre würde das nichts nutzen. Wenn warnme und kalte luftschichten Zb. ausOst und Süd über Deutschland aufeinander treffen gibt es ggf Starkregen. das ist aber nicht das klima sondern das Wetter. Wenn eine Luftschicht 0 Grad ist und die andere 20 Grad hat das mit Klima nichts zu tun.Läßt sich ua beim Deutscher WETTERdienst nachlesen.

  • Das Paradoxe an solchen Katastrophen ist, dass sie zum Wirtschaftswachstum beitragen. Vielleicht ist deshalb die Motivation der Wirtschaft und der ihr vorrangig verpflichteter Politik so gering, etwas daran zu ändern.

    Wenn die Wirtschaftszahlen für dieses Jahr veröffentlicht werden, werden sich einige Politiker damit auf die Schultern klopfen, dass die Wirtshaft um ein paar Nachkommastellen zugelegt hat.

  • Zitat: "Es ist die Klimakatastrophe, das Versagen beim Klimaschutz. Die Konzentration der Klimagase in der Atmosphäre steigt stärker als jemals zuvor."



    Dazu muss aber die Frage kommen, woher die zunehmende Menge an Klimagasen kommt. Wenn man nämlich die Industrieländer (ohne China) anschaut, dann ist deren Ausstoß an CO2 seit Jahrzehnten stark rückläufig. Aber trotzdem steigen die Emissionen. Die Frage beantwortet sich fast von alleine und steht auch beanwortet im IPCC-Bericht AR6: es sind die ärmeren Länder (zu denen auch China und Indien zählen) die trotz der deutlich wirksamen Anstrengungen der Industrielänger dafür "sorgen", dass die CO2-Emissionen weiter kräftig steigen.



    Das sollte allen Klimarettern doch zu Denken geben, den offensichtlich sitzen wir am deutlich kürzeren Hebel. Doch was tun?

  • Katastrophen im unmittelbaren Umfeld taugen wenig, um dem fehlenden politischen Willen im Kampf gegen den Klimawandel zu verdeutlichen. Denn hier greift tatsächlich das Argument: und wenn Deutschland bei 0 CO2 wäre, hätte es auch nichts gebracht. Das heißt nicht, nichts zu tun. Aber der Vorwurf , hätte man mehr getan, wäre das Hochwasser verhindert worden, ist unzutreffend. Flußbegradigungen u. Ä. Wirken hier unmittelbar.

    • @Strolch:

      Ich habe das gestern im TV gesehen. Wohnbebauung 100 Meter vom Donauufer entfernt.

      Dann noch Rückbau der Auen. (Ausweichflächen) Etwa ein Drittel der überflutbaren Auen heute als Acker- oder Siedlungsflächen genutzt

    • @Strolch:

      "Flußbegradigungen u. Ä. Wirken hier unmittelbar."

      Aber nicht mal diesen physischen Versäumnissen in der Landschaft werden Söder und co konfrontiert.

  • nein, es ist nicht klimawandel sondern klimakatastrophe, wie wir sehr schön in bw + bayern sehen konnten, vor nicht allzulanger zeit: ahrtal.



    und ja, bayern gehört zu den großen bremsern, aber auch die vergangenen bundesregierungen + die jetzige ampel, die regelmäßig vor dem kapitalistenknecht fdp einknickt - aber auch der teil der bevölkerung, der immer noch in saus +braus lebt (z.b.: suv usw.) + die klimakatastrophe nicht zur kenntnis nimmt.



    in meiner nachbarschaft mehren sich die menschen, die froh sind, alt zu sein, um die weitere verschlimmerung nicht mehr erleben zu müssen; wie ich bedauern sie ihre kinder, enkelInnen + die nachfolgenden generationen ...

  • Söder, Merz und auch Scholz sind Populisten und die Frage ist, wann sie aus ihrer derzeitigen Ecke herauskommen (ein erster Ansatz ist ja das Bekenntnis "damit konnte man nicht rechnen") . Ich vergleiche es mit Fukushima. CDU /CSU setzten davor voll auf Kernkraft und hatten den Ausstieg aus dem Ausstieg beschlossen. Nach Fukushima war plötzlich alles anders. Vielleicht hatte aber auch nur Merkel (Physikerin) die Zeichen der Zeit erkannt und dann alle mitgerissen. Heute muss die Angst / Empörung wohl deutlich größer sein, weil unsere Politiker die Sorge haben, dass die Bevölkerung am Ende den Populisten der AfD (und BSW) glaubt, den Quatsch, den CDU/ CSU und FDP selbst hoffähig gemacht haben. Alles in Allem trüber Aussichten

  • Naja, aus einer kurzfristigen Beobachtung des Wetters kann man keine Aussage zum Klima (Faustregel: Klima gleich Wetter über mindestens 30 JAhre) machen - außer man hat eine politische Motivation. Allerdings sind diese Starkregenereignisse natürlich in Übereinstimmung mit den Vorhersagen für Deutschland. Mehr wärme, mehr Regen, mehr CO2. Das hat aber noch lange nichts mit einer Katastrophe oder dem Weltuntergang zu tun, auch wenn es ab +3 Grad dann wirklich langsam ungemütlich wird. Wenn dir das Leben Zitronen gibt, dann mach Limonade daraus. Die Pflanzen in meinem Garten freut es jedenfalls erkennbar. Es ist also an der Zeit über Wasserspeicherung und Drainage verstärkt nachzudenken.

  • Der Klimawandel hat längst auch Deutschland erreicht. Die jüngsten Berichte über steigende Temperaturen, häufigere Extremwetterereignisse und deren Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft sind alarmierend. Die Folgen sind vielfältig und betreffen alle Lebensbereiche: Von der Landwirtschaft, die unter anhaltender Dürre leidet, über die Infrastruktur, die mit Starkregenereignissen nicht mehr zurechtkommt, bis hin zur Gesundheit der Menschen, die unter Hitzeperioden leiden.

  • Physik und Meteorologie erklären die Wirkung von Wasser in unterschiedlichen Aggregatzuständen, Wasserdampf im Kreislauf ist eine entscheidende Größe als Klima-relevantes Gas, das ist unbestritten und im Schadensfall massiv evident.



    /



    www.deutsches-klim...r%20Erw%C3%A4rmung.

  • Hier durchkreuzen politische Dynosaurier wie Söder, Scholz, Wissing, mittlerweile auch Habeck klimapolitisches Handeln und kleben um alles auf der Welt an ihren Ämtern. Wenn die Folgen des Klimawandels uns mit voller Wucht treffen, dann hat man vergessen, wie sinnleer ihre Politik war.

  • Wir verursachen rund 2% der weltweiten Treibhausgasemissionen. Somit sind wir, was die Begrenzung der Erderwärmung angeht - rein rechnerisch/faktisch und ohne Schuldzuweisungen - zu 98% vom Verhalten anderer abhängig. Deren Verhalten können wir vielleicht beeinflussen, aber wir können sie nicht zu einem bestimmten Verhalten zwingen.

    Allein dadurch, dass WIR unseren Eigenbeitrag leisten, schaffen wir das Problem somit nicht aus der Welt. Und wenn wir dafür quasi "alles auf eine Karte setzen", dann gehen wir ein sehr hohes Risiko ein, aufgrund von Überforderung zu scheitern.

    Bezüglich Anpassungs- und Vorsorgemaßnahmen sind wir hingegen sehr viel unabhängiger vom "Rest der Welt". Eine "ideale" Lösung des Problems gibt es nicht (mehr). Emissionen senken, gleichzeitig Anpassung und Vorsorge ausweiten, beides pragmatisch (ohne Überforderung) - mehr ist nicht realistisch.

  • "Nach den Überschwemmungen geht es vor allem um Unterstützung für die Betroffenen. Langfristig hilft aber nur eins: effektiver Klimaschutz."



    Das stimmt so leider nicht. Klimaschutz hilft lediglich (hoffentlich und womöglich), dass es nicht noch schlimmer wird als es bereits ist. Mit den Änderungen, die bereits da sind, werden wir umgehen lernen müssen. Da hilft Klimaschutz erst einmal gar nichts.

  • Da nur deutsches CO2 in Deutsch Hochwasser verursacht, ist es um so dringender, dass wir sofort aus den fossilen Energieträger aussteigen - und zwar um jeden Preis.

  • Hochwasser gab es schon immer. Wir müssen besser darauf vorbereitet sein. Auch wenn Deutschland oder die EU absolut Klumaneutral ist wird sich das Wetter nicht ändern.

  • Nun der Deutsche ist halt von Natur aus verunsichert wenn ihm etwas in die Quere kommt gegen das er sich nicht versichern kann. Aus diesem Blickwinkel ergibt die Diskussion Sinn, auch wenn sie letztendlich nutzlos ist und an der Sache vorbeigeht.

    Wenn die Themen Versicherung und Technik quasi schon die "letzten Rettungsanker" sind, zeugt das von einer gewissen Hilfslosigkeit und ist kein gutes Zeichen.

    Warten wir also die nächste Berichterstattungen in einigen Wochen ab, dann über Dürre oder Waldbrände.

  • Das geht ja vorbei. Dann kommt wieder Hitze, Trockenheit, eine Seuche, noch n Krieg.



    Kann man nix machen. Wir Menschen wissen zwar immer mehr, begreifen aber nicht viel.

  • Da sollten sich so einige mal wieder entschuldigen, dass sie wider besseres Wissen _gegen Klimaschutz Wahlkampf betrieben.



    Ich meine Dich, Söder, Weidel, Lindner, Merz.

    Wo nun selbst mit verbessertem Uferschutz teure Folgen durch Extremwetter entstehen.

  • Der Realpolitiker sagt sich halt, selbst wenn es bewiesen ist, dass unser Verhalten die Welt in den Abgrund stürzt, werden unsere eigenen Klimaschutzmaßnahmen daran wahrscheinlich auch nichts mehr ändern. Bis die Welt untergeht, bleiben wir stur, tun nichts und dreschen auf die Grünen ein, weil uns das Macht beschert.

    Darum machen wir einfach immer weiter unser egoistisches Ding und üben uns in Tatsachenverdrehung.

    Immanuel Kant würde kotzen.

  • Schon Armin Laschet hat zur Ahrflut gesagt, Wegen Hochwasser ändere ich nicht meine Politik. Dieser Satz hat noch immer seine Gültigkeit. Wird sogar immer mehr auch umgesetzt. Je mehr der Klimawandel sichtbar ist, desto mehr wird gegen Klimaschutz Politik gemacht.

  • Weg von den fossilen Energieträgern, weg vom Wachstumswahn, weg von der Überproduktion. Sonst ist Absaufen angesagt, nicht nur in Bayern.



    Die falsche Munition im Wahlkampf ist komplett irrelevant.



    Werden wir noch merken.

    • @aujau:

      Wo ist denn noch Wachstum zu verzeichnen? Allenfalls bei Importen und in der Rüstungsindustrie.

      Wann sind doch gleich fossile Energieträger in Form von Kohle wieder in Mode gekommen? Sollte jedem geläufig sein. Mitte April 2023, richtig?

  • Kurz- und Langfristig brauchen möglich betroffene Gebiete einen sinnvollen Umgang mit Hochwasser und Dürre. Klimawandel hat begonnen und wird auch nicht aufzuhalten sein. Daher mit den Folgen umgehen und aus den Erfahrungen der Länder lernen die schon immer mit bestimmten Extremwetter zu tun haben.



    Tröpfchenbewässerung für die Landwirtschaft und auslaufende Auen für plötzlich auftretendes Wasser.



    Dann kann der Klimawandel kommen, zumindest für uns. Traurig, aber wahr :((

  • Methan auch, natürlich. Dieses Gas beschleunigt den Treibhauseffekt noch weit stärker als CO2.

  • Man braucht das Thema Klimaschutz gar nicht zu nennen.



    Selbst der Söder sieht auf dem Foto nachdenklich aus. Ob er wohl seine Vorliebe fürs Fleischessen hinterfragt?

    Immerhin ist die Rindfleischproduktion inklusive Waldabholzung für den Futteranbau für jede Menge CO2 verantwortlich.

  • Wir werden es nicht schaffen, Maßnahmen gegen den Klimawandel einzuleiten.

    Die Interessen der Mehrheit sind andere. Selbst die jetzt Betroffenen werden nur in äußerst geringem Umfang selbst etwas für Klimaschutz machen.

    Leider wird das neue Normal nicht zu Veränderungen führen, genauso wenig wie die Pandemie etwas verändert hat, außer einen Teil der Bevölkerung zu radikalisieren.

    Und so wird es auch hier sein, die Fakten werden geleugnet, alles, was zu persönlichen Einschnitten führen würde wird verteufelt werden.

    Leider.