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FFF-Aktivistin über Europawahl„Klimaschutz ist kein Momentum“

Die Klimabewegung steht nach der Europawahl vor einer Sinnkrise. Samira Ghandour von Fridays for Future erklärt, wie es jetzt weitergehen muss.

Samira Ghandour von Fridays for Future Foto: Finnegan Koichi Godenschweger
Interview von Joscha Frahm

wochentaz: Frau Ghandour, bei der Europawahl haben Parteien, die sich für Klimaschutz einsetzen, desas­tröse Ergebnisse erzielt: Die Grünen verloren im Vergleich zu 2019 bei jungen Wähle­r:in­nen 23 Prozentpunkte. Auch die Letzte Generation blieb hinter ihren Erwartungen zurück und schaffte es nicht, einen Sitz im Europaparlament zu erkämpfen. Ist die Klimabewegung tot?

Samira Ghandour: Erst einmal gibt es ja nicht die eine Klimabewegung. Sie besteht aus vielen verschiedenen Akteuren, die unterschiedlich vorgehen, und das ist auch gut so. Dass aktivistische Stimmen für Klimagerechtigkeit auch in Parlamenten repräsentiert sind, ist zwar wichtig. Die Europawahl als Tod der Klima­bewegung zu framen, halte ich aber für falsch, denn zivilgesellschaftliche Bewegungen verfolgen als Ziel nicht, ins Parlament einzuziehen. Fridays for Future hat abseits von parlamentarischer Repräsentation in den vergangenen Jahren viel erreicht: Viele Millionen Menschen sind auf die Straßen gegangen, wir haben es geschafft, Druck auf die Parlamente auszuüben und für mehr Klimaschutz einzutreten.

Im Interview: Samira Ghandour

19, ist seit 2019 bei Fridays for Future aktiv und dort als Pressesprecherin und Mitorganisatorin tätig. Sie hat in diesem Jahr ihr Abitur gemacht und engagiert sich nebenbei bei der AG Klima und Jugend Außenpolitik des Auswärtigen Amts.

Trotzdem kann die Europawahl ja als eine Absage der Bevölkerung an mehr Klimaschutz verstanden werden. Gerade junge Menschen haben im Vergleich zu 2019 deutlich rechter und damit weniger Klimaschutz gewählt. Wie sollte die Klimabewegung damit jetzt ganz konkret umgehen?

Zunächst einmal finde ich es Quatsch, jungen Menschen die Schuld für den Rechtsruck zu geben. Wir wurden in den letzten Jahren von der Politik immer stärker vernachlässigt, fehlende Klimapolitik und der Umgang mit jungen Menschen während der Coronapandemie sind nur einige Beispiele dafür. Die nächsten fünf Jahre werden ein harter Kampf. Dem müssen wir uns aber stellen. Wir werden weiter laut sein, Massenproteste organisieren und mit jungen Menschen sprechen. Um gegen den Rechtsruck anzukommen und gerechten Klimaschutz voranzutreiben, braucht es eine starke Zivilgesellschaft. Wir müssen wieder lernen, miteinander zu reden und in den Austausch zu kommen. Dabei muss auch Dissens ausgehalten werden, das darf anstrengend und emotional sein.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Heißt das, dass die Klimabewegung auch auf die jungen Menschen zugehen muss, die bei den Europawahlen rechte Parteien gewählt haben?

Nein. Mit Rechten darf nicht geredet werden, dadurch wird der Diskurs, den diese Akteure bespielen, normalisiert. Dabei bewegt man sich auf einem schmalen Grat. Es geht eher darum, auf die Menschen zuzugehen, die Angst vor den Veränderungen haben, die ein effektiver Klimaschutz mit sich bringen würde. Es ist nachvollziehbar, dass Menschen Angst davor haben, mehr Steuern zahlen zu müssen, wenn sie gleichzeitig kein vernünftiges Klimageld erhalten.

Dabei ist es wichtig, dass auch wir als soziale Bewegung vermitteln: Durch Klimaschutz wird niemandem etwas weggenommen und langfristig werden wir alle davon profitieren. Dafür müssen Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit mehr zusammengedacht werden. Eine fehlende Sozialpolitik und das Erstarken rechter Parteien bei der Europawahl hängen kausal zusammen.

Viele Menschen lehnen Klimaschutzmaßnahmen gerade aus diesem Grund ab und sagen: Klimaschutz kostet zu viel. Wie kann Fridays for Future, als weitgehend bürgerliche Bewegung, sozial gerechten Klimaschutz stärker in den Diskurs einbinden?

Ich merke vor allem in meinem persönlichen Umfeld, dass weniger privilegierte Menschen keine Kapazität haben, sich an Protesten der Klima­bewegung zu beteiligen. Das kann ich gut verstehen: Wenn Menschen durch den Rechtsruck vermehrt rassistischen Anfeindungen ausgesetzt sind oder sich in finanziell schwierigen Situationen befinden, haben sie keine Lust und Energie, für den Klimaschutz auf die Straße zu gehen.

Das ist kein exklusives Problem der Klimabewegung, sondern ein gesamtgesellschaftliches. Außerdem zeigt es, dass Klimaschutz und Demokratieschutz Hand in Hand gehen müssen. Menschen, die von Marginalisierung betroffen sind, müssen – auch in der Klimabewegung – mehr zu Wort kommen, damit ein sozial gerechter Klimaschutz gelingen kann. So können auch Menschen, die Angst vor Veränderung und den damit einhergehenden finanziellen Belastungen haben, mitgenommen und eingebunden werden.

Im Wahlkampf 2019 spielte die Klimakrise noch eine entscheidende Rolle. Wie kann es weitergehen, jetzt wo das Momentum der Klimabewegung vorbei zu sein scheint?

Klimaschutz ist kein Momentum, sondern muss unabhängig von zivilgesellschaftlicher Mobilisierung betrieben werden. Dass die Grünen keine guten Ergebnisse erzielen, ändert nichts daran, dass wir als Bewegung weiterkämpfen müssen. Um dafür zu mobilisieren, braucht es viel Aufklärung. Ich glaube, dass wir einige Privilegien, die wir zurzeit genießen, aufgeben müssen. Das wird am Anfang zwar hart sein. Im Grund bietet Klimaschutz Menschen langfristig aber eine stärkere Lebensqualität.

Dieser direkte Zusammenhang muss in der Debatte mehr betont werden. Dafür ist auch wichtig, Plattformen wie Tiktok vermehrt positiv zu bespielen, gerade um junge Menschen zu erreichen. Außerdem ist wichtig, die Hoffnung nicht zu verlieren. Auch wenn rechte Parteien erstarken und weniger Menschen für den Klimaschutz protestieren, darf man nicht vergessen, welches zivilgesellschaftliche Engagement es in den letzten Jahren gab.

Was können radikalere Formen des Klimaprotests, wie etwa Hungerstreiks, dazu beitragen?

Ich finde es erschreckend, dass Menschen denken, Hungerstreiks seien das letzte Mittel, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. In einer Demokratie gibt es viele Wege, um das zu tun, Hungerstreiks halte ich für den völlig falschen Weg. Dass solche Proteste der Bewegung schaden, würde ich trotzdem nicht sagen. Radikalere Protestformen gab es in der Umweltbewegung schon immer, etwa als sich An­ti­atom­kraft­ak­ti­vis­t:in­nen an Bahngleise ketten. In der Debatte hat es der Antiatomkraftbewegung nicht unbedingt geschadet. Auch wenn Hungerstreiks nicht das richtige Mittel sind, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen, sind sie nachzuvollziehen und legitim.

Wie können junge Menschen, die Ihre Hoffnung auf eine klimagerechte Zukunft nicht teilen, weitermachen?

Ich kann diese Form der Resignation erst einmal gut verstehen. Aber auch wenn man resigniert ist, kann man auf der Straße stehen und demonstrieren. Denn einfach aufzugeben, verbessert unsere Situation definitiv nicht. Außerdem ist es wichtig, sich bewusst zu machen, was wir junge Menschen durch Klimaproteste schon erreicht haben: Fridays for Future hat den Kohleausstieg signifikant vorangetrieben, wir haben das Klimaschutzgesetz eingeklagt und die Umsetzung des Green Deal auf EU-Ebene mit vorangetrieben. Das ist nicht nichts. Diese Erfolge gehen aber oft unter.

Das hängt auch damit zusammen, dass der Erfolg der Klimabewegung nicht immer sofort messbar ist, wenn politische Entscheidungen nicht vom einen auf den anderen Tag beeinflusst werden. Wir jungen Menschen sollten uns also nicht frustriert in unsere Kämmerchen zurückziehen und uns rechte Propaganda auf Tiktok reinziehen. Es ist wichtig, Demokratie und Klimagerechtigkeit weiter aktiv einzufordern.

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28 Kommentare

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  • Einerseits soll keinem was weggenommen werden, andererseits müssen "wir" (damit ist sicherlich nicht das gutverdienende Bürgertum gemeint, aus dem Frau Gandhour entstammt) Priviligenien aufgeben, was hart sein wird.



    Entweder, oder. Beides geht nicht.

  • Man scheint nicht zur Selbstkritik fähig zu sein in der Klimabewegung.

    • @Rudolf Fissner:

      0,3 % für die Letzte Generation bei der Europawahl.



      Verheerende Ergebnisse bei Umfragen

      FFF hat bis vor den Auftreten der Letzten Generation gute Arbeit gemacht und konnte Koalitionen bis tief ins bürgerliche Lager gestalten, ja selbst mit den Bauern.

      Von dieser Strategie ist nichts mehr übrig geblieben. Man jenen Aktivisten das Feld überlassen, die mit verantwortlich snd für die Bedeutungslosigkeit der Klimabewegung.

  • "…Durch Klimaschutz wird niemandem etwas weggenommen und langfristig werden wir alle davon profitieren…"

    Bei einem konsequenten Klimaschutz, der wirklich CO2 einspart, müßten alle Menschen verzichten: auf Wohnfläche, auf Fleischkonsum, auf Flüge, auf das Privatauto und Wegwerfmode.

    Und das wissen oder ahnen auch die Menschen, das konsequenter Klimaschutz auch konsequente Massnahmen erfordert, und das es mit ein der Solarpanele und Wärmepumpen nicht getan ist.

    Und deshalb vermuten sie auch, das die Grünen Ihnen nicht die Wahrheit sagen um die Wähler nicht zu verschrecken.

    Die Grünen trauen sich auch nicht die Systemfrage zu stellen, ob konsequenter Klimaschutz im Kapitalismus überhaupt möglich ist?



    Ich denke nicht, die Triebkräfte des Kapitalismus stehen gegen vernünftigen Verzicht: die Wirtschaft braucht stetiges Wachstum, die Politiker Steuereinnahmen und die Menschen definieren sich über Konsum.

    Das ist ein unlösbares Dilemma - und das getraut sich kein Politiker auszusprechen, aber dieser Elefant steht im Raum.

    Der Klimawandel wird unaufhaltbar mit 2,5 -3 Grad kommen, Zeit sich darauf vorzubereiten und die Frage noch mal neu zu stellen, ob man eigene Kinder will.

    • @Paul Schuh:

      Ich wollte noch hinzufügen: Jeder umsetzbare Klimaschutz, jedes Windrad, jedes Solarfeld, jede Wärmepumpe ist wichtig!!



      Dadurch erst können wir die Erderwärmung von 4 Grad auf 2,5 - 3 Grad reduzieren und das wird schlimm genug.



      Die Autorin Gaia Vince beschreibt in dem Buch "Das nomadische Jahrhundert: Wie die Klima-Migration unsere Welt verändern wird"



      das jedes Grad Erderwärmung zu einer Milliarde Geflüchteten führen wird, also 2-3 Mrd Klimaflüchtlinge? Viele werden im eigenen Land oder eigenen Kontinent "umziehen", viele aber auch in den globalen Norden kommen. Eine gigantische Herausforderung! Über 50 Grad in Indien, in Mekka und auf den griechischen Inseln sind schon ein Vorgeschmack, auf das, was uns erwartet.

      • @Paul Schuh:

        Die Menschen, die große Wohnungen haben, Auto fahren, fliegen, Wegwerfmode kaufen und Fleisch essen, werden über kurz oder lang darauf verzichten müssen, wenn Umweltschutz praktiziert wird. Aber das sind bei weitem nicht alle, schon gar nicht weltweit. Das globale Problem Klimakatastrophe ist nur global zu lösen und im Kapitalismus gar nicht, wie Sie ganz richtig analysieren. Wirtschaftswachstum und Energie sparen vertragen sich nicht. Und Energie sparen ist die billigste Methode, die Klimakatastrophe zu lindern. Die größten Verursacher kämpfen mit harten Bandagen gegen das unabwendbare Ende ihres Geschäftsmodells. Immer hysterischere Werbung trifft auf immer mehr konsumunfähige, sprich arme, Konsumenten, und das Wirtschaftssystem wird das nicht überleben. Bis dahin wird es aber noch viele komplett überflüssige Emissionen verursachen.

        • @Patricia Winter:

          "Die Menschen, die große Wohnungen haben, Auto fahren, fliegen, Wegwerfmode kaufen und Fleisch essen, werden über kurz oder lang darauf verzichten müssen, wenn Umweltschutz praktiziert wird. Aber das sind bei weitem nicht alle, schon gar nicht weltweit. "

          Nein, aber halt diejenigen, die in den mächtigen Industrienationen des globalen Nordens leben. Warum also sollte gerade von diesen Menschen der Wunsch nach einem Systemwechsel zu erwarten sein?

      • @Paul Schuh:

        Ihnen ist aber schon klar, dass "jedes Windrad, jedes Solarfeld, jede Wärmepumpe" zum Wirtschaftswachstum beiträgt, welches Sie nicht wollen.

  • Im Kapitalismus wird es keinen angemessenen Klimaschutz, um die nahende Katastrophe zu verhindern, geben, da dieser den systemischen Vorraussetzungen des Kapitalismus widerspricht. Leider sind diese Erkenntnis und die daraus folgenden Notwendigkeiten der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung nicht bewusst, und die Politik hat kein Interesse daran dies zu ändern und faselt daher etwas von grünem Wachstum oder Technologieoffenheit auf der einen, und einem zurück zu einer fiktiven besseren Vergangenheit auf der anderen Seite. Demos mit paar hundert Menschen werden das nicht ändern

    • @Okti:

      Ich teile Ihre Ansicht! Mich hat darin auch das Buch von Jens Beckert vom Max Planck Institut in Köln „Verkaufte Zukunft“ bestätigt.



      Er benennt die drei Faktoren, die im Kapitalismus konsequenten Klimaschutz verhindern:



      Die Wirschaft die stetiges Wachstum braucht, die Politik die auf Steuereinnahmen angewiesen ist, um die Infrastruktur



      und den Sozialstaat am Laufen zu halten und die Menschen, die sich über Konsum definieren.



      Alle drei Faktoren gehen da eine „unheilige" Allianz ein.

    • @Okti:

      Nein umgekehrt ist es, der Klimaschutz ist jetzt schon einer der Hauptstützen des Kapitalismus. Der Klimaschutz hat dem Kapital ein wahres Füllhorn an Möglichkeiten eröffnet, alternative Stromerzeugung, Gebäudesanierung, Heizungen, PKW/LKW Antriebe, CO2 Handel, Ernährung, usw. Noch dazu haben Investitionen in Klimaschutz nie das Problem das sie kritisiert werden weil sie notwendig sind.

  • Bevor 'wir' uns in einer Sinnkrise verfangen, wäre es sinnvoller, die Realitäten 'unseres' -demokratischen- Systems wahrzunehmen. Schließlich dürfen wir doch diejenigen Politiker und Parteien, die vorgeben, alle Maßnahmen zum Wohle des Volkes treffen zu müssen, nicht aus ihrer Verantwortung befreien! Und dazu gehört, dass mindestens die Altparteien und danach die entsprechend angepaßten 'Grünen' eben die Wahrnehmung der Realitäten verweigern und eben nicht die sich permanent bereichernden Investoren kontrollieren, wie es die Politik -zumindest nach dem Geundgesetz- tun sollte und dabei sich den Warnungen der Wissenschaft verweigern. Zuerst mag es Naivität und Glauben an das Gute im System gewesen sein, das 'grüne' dazu gebracht haben, mit den Altparteien zu koalieren. Aber spätestens seit dem Auftreten der FDP zusammen mit Springer, wären Habeck, Kretschmann & Co besser beraten gewesen, diese vorwiegend männliche Sippe zusammen mit der DUH und den Klimaaktivisten aus ihren Ämtern zu jagen und zur Not ein Verbot dieser nicht zum Wohle des Volkes handelnden Parteien einzuklagen, zumal es sich herausstellt, dass ihre Politik auch andere Spalter wie die AfD oder BSW hervorbringt.

  • Ganz im Gegenteil: die Wahl zeigt, dass junge Menschen sehr am Klimaschutz interessiert sind. Sie sind enttäuscht von den mageren Ergebnissen, die die Grünen erzielen konnten, weil sie sich von der FDP haben sabotieren lassen. Würden sie den gleichen Druck auf die Regierung ausüben wie die FDP, sähe es anders aus. Aber dazu scheinen sie nicht fähig zu sein.

    Um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu schaffen, muss die unsägliche Ungleichheit hier endlich bekämpft werden: sichere statt prekäre befristete Jobs, Renten von denen man leben kann, echte Vermögens- und Erbschafts- und Kapitalerstragssteuer, dazu: Mietwucher endlich abschaffen! Letzteres ist auch ein Teil der Lösung der anderen Probleme.

    Wenn man auf diese Art endlich wieder ein Wir Gefühl hergestellt hat, sind die Leute auch bereit, etwas Großes wie die Klimakatastrophe anzugehen.

  • "... der Erfolg der Klimabewegung nicht immer sofort messbar ist, wenn politische Entscheidungen nicht vom einen auf den anderen Tag beeinflusst werden."



    Und besonders dann wenn die Politik das zugesagte Klimageld zur Entlastung der Bevölkerung einfach nicht auszahlt.

  • Ziemlich viel Vernünftiges, was Frau Ghandour an- und ausspricht. Einige Kommentare hier kommen recht durchblickermäßig-arrogant rüber. Motto: „Komm du erschd emol in mey Alda!“ (Das war Schwäbisch).

  • Bei allem Respekt, aber das sind doch nicht viel mehr als schöne Worte ohne handfesten (und damit verfänglichen) Inhalt. Und ich finde es sehr schade, dass im Interview nicht auf den klaren Widerspruch eingegangen wird, den Frau Ghandour innerhalb weniger Sätze produziert: Zu erst sagt sie „Durch Klimaschutz wird niemandem etwas weggenommen [...]“ und dann 13 Sätze später „Ich glaube, dass wir einige Privilegien, die wir zurzeit genießen, aufgeben müssen.“. Und genau das ist doch der fundamentale Widerspruch, der der aktuellen Klimapolitik und den Klimabewegungen zu Grunde liegt. Was man bei der EU-Wahl hat beobachten können, ist, dass nun erstmals dieser Widerstand einer relevanten Menge an Bürgern aufgefallen ist, da er unter der aktuellen Regierung (und beschleunigt durch die Inflation) akut wurde. Und das Signal der Wähler ist klar. Die Menschen werden Klimaschutz, der zu Wohlstandsverlust führt, nicht akzeptieren. Das wird die große Herausforderung sein: Klimaschutz so zu organisieren, dass er die Menschen nicht einschränken wird. Nur wenn das gelingt, wird überhaupt Klimaschutz möglich sein. Das mag vielen nicht gefallen, aber das ist die Realität.

    • @SeTik:

      Das Traurige ist doch, dass auf dem aktuellen, rudimentären Niveau des Klimaschutzes ohne Weiteres die allermeisten Menschen, vor allem die, die es brauchen, profitieren würden, z.B. von anderer Stadtplanung, mehr Mobilität, billiger Energie etc., wenn man ein bisschen mehr und ein bisschen kompetenter in Klimaschutz investieren würde. Der aktuelle Rechtsruck/Backlash enzündet sich ja noch gar nicht an Wohlstandsverlusten, die notwendigerweise durch mehr KIimaschutz entstehen (an diesen Punkt kommen wir wahrscheinlich in Zukunft, wenn es so weitergeht). Sondern zum Einen an Wohlstandsverlusten der unteren zwei Drittel der Bevölkerung durch wachsense soziale Ungleichheit, die auch beim Klimaschutz politisch systematisch ignoriert wird, und zum Anderen schlicht an der Propaganda reaktionärer Interessen.

  • Sowohl Frager als auch Befragte lassen außer acht, wie die Wirtschaft hineinspielt: Wenn Batterien bald so günstig sind, dass es Stromspeichern ein Geschäftsmodell wird, wenn Rückversicherer klimariskantes Verhalten nicht mehr versichern, wenn KEINE Rückhalteauen in zwei aufeinanderfolgenden Jahren ein Vielfaches mehr an Kosten verursachen als die Einrichtung derselben - dann muss für diese drei Dinge keiner mehr auf die Straße gehen.



    Der Kapitalismus ist zwar Verursacher des Problems, aber es hat keinen Sinn, ihn nicht auch zum Diener bei der Lösung des Problems zu machen. Er ist nunmal bis auf weiteres da.

  • Auszug:"Wir müssen wieder lernen, miteinander zu reden und in den Austausch zu kommen. Dabei muss auch Dissens ausgehalten werden, das darf anstrengend und emotional sein."

    Genau das ist der springende Punkt. Viele Menschen haben das Gefühl, das links orientierte (nicht nur beim Thema Klima) andere Meinungen als ihre eigene nicht akzeptieren und diese Menschen sofort an den Pranger stellen. Das treibt die Menschen den Rechtsradikalen in die Arme. Übrigens: Rechtsruck an sich ist nichts, was uns alarmieren sollte, sondern Rechtsruck zu den Rechtsradikalen. Wer rechts wählt, wählt noch lange nicht rechtsradikal, bitte das etwas besser differenzieren.

    • @Krumbeere:

      Man darf nicht vergessen, dass das Links-Rechts-Schema für die Kategorisierung von Menschen um den Faktor sechs vereinfachender ist als das Sternzeichen-System.



      Aber Spaß beiseite: Der Dissens besteht doch gerade nicht, so wie Sie schreiben, in dem von allen Seiten konstatierten "Gefühl", dass da jemand die eigene Meinung über alles setzt. Der Dissens besteht darin, ob wir angesichts der Klimakatatsrophe und dem "Ende des Wachstums" alles auf Abschottung, Egoismus und Sicherung des Lebensstandards durch Krieg setzen wollen, oder ob wir der Phantasie der Menschenrechte folgen und es "im Sinne aller" mit einer friedlichen Koexistenz aller Menschen auf dem Planeten versuchen, auch und gerade angesichts des kollektiven Schicksals. Die Beantwortung dieser Frage führt ins rechte oder linke Lager. Dabei geht es nicht um Dissens, sondern, zu Ende gedacht, um Feindschaft.



      Und da haben wir die ganze Tragik der Situation: Die einen haben nicht die Mittel, um diese Feindschaft friedlich zu beenden, während die anderen nichts als diese Feindschaft haben, um sich ihrem Lager zugehörig zu fühlen.



      Wie gesagt, alles unterhalb des Komplexitätslevels von Horoskopen, nicht wahr? ;-)

      • @Comandanta Ramona:

        Sie reden von Feindschaft, das bestätigt doch meinen Kommentar. Bist du nicht auf meiner Seite, bist du automatisch mein Feind.

  • "Ist die Klimabewegung tot?"

    Ich stimme mit der Interviewten darüber überein, dass es diverse Klimabewegungen gab und gibt. Fridays for Futute ist als Bewegung tot und eigentlich nur noch eine Mailingliste. Das jedoch nichts mit dem Ausgang der Wahl zum EU-Parlament zu tun.

  • Einfach der falsche Reflex würde ich sagen. Wenn sie nicht mehr mit denen reden will, die rechte Parteien gewählt haben, „marginalisierte Minderheiten“ als eigentliche Zielgruppe sieht - und die versuchte Nötigung demokratischer Repräsentanten durch einen Hungerstreik als legitimes Mittel ansieht, wird auch ein positiver Auftritt bei TikTok keine kritische Masse mehr für den notwendigen Wandel begeistern. Und das ist in einer Demokratie letztlich das entscheidende Kriterium.

    • @vieldenker:

      Aus analoger Sicht vielleicht richtig. Doch in der digitalen Welt zählt ein "Auftritt" bei Tiktok wie eine politische Großveranstaltung vor mehr als 100.000 Menschen. Auch wenn noch so großer Unfug behauptet wird. Siehe AfD.

  • Abgesehen von viel aktivistischem BlaBla würde ich Frau Ghandour gern auf ihre logischen Fehler aufmerksam machen, die tragischer Wiese, bei der Kürze des Interviews das ganze Dilemma der "Klimabewegung" offen legen. Bsp.1 "Wir werden mit jungen Menschen sprechen. Wir müssen wieder lernen miteinander zu reden und in Austausch zu kommen." vs. "Wird die Klimabewegung auf Menschen zugehen die Rechts gewählt haben?" - "Nein." Bsp.2 "Durch Klimaschutz wird niemandem etwas weg genommen." vs. "Ich glaube, dass wir einige Privilegien, die wir zurzeit genießen, aufgeben müssen." ... Ich werde das Gefühl nicht los, dass es sich bei dieser Interviewten ähnlich wie bei Frau Neubauer und Frau Thunberg um höhere Bürgertöchter handelt, die die soziale Frage weder verstanden haben, noch dass sich deren Aktivismus durch eine besondere Durchdringung der Materie auszeichnet. Selbst beim Lesen des Interviews hat man das Gefühl angeschrien und mit Plattitüden belästigt zu werden.

    • @Amra:

      Die zahlreichen Widersprüche sind mir auch aufgefallen. Zusätzlich auch die Aussage, dass man jungen Leuten, die weitaus öfter rechts gewählt haben als bei der letzten Europawahl und mit denen Frau Ghandhour nicht reden will, trotzdem nicht die Schuld für den Rechtsruck geben solle. Und dass die Leute wegen angeblich "fehlender Sozialpolitik" - auch so eine platte, faktenfrei dahergeredete Behauptung, was jeder weiß, der sich ernsthaft mit Sozialpolitik beschäftigt - rechte Parteien gewählt haben sollen, ergibt ebenfalls keinen Sinn. Wer erhofft sich denn von der AfD eine verstärkte Sozialpolitik? Die verspricht die AfD doch gar nicht.

  • "Wie können junge Menschen, die Ihre Hoffnung auf eine klimagerechte Zukunft nicht teilen, weitermachen?"

    Wie erst die älteren Semester, die diesen Kampf bereits seit Jahrzehnten führen? Denen in doppelter Hinsicht die Zeit wegläuft. Wie verhindert man, dass sich viele von denen resigniert abwenden?



    Mir geht es noch zu oft unterschwellig um Jung gegen Alt. Es ist keine Frage des Alters, sondern der Einstellung. Spaltung, wie auch immer, bringt nichts. Wäre es nicht besser, wenn sich die einzelnen Klimabewegungen mehr zusammenschließen würden?

  • Bitte weitermachen, jetzt erst recht.



    Es macht Hoffnung, dass es Menschen gibt, die nicht bereit sind, einfach ihre Zukunft aufzugeben.



    Und was den Rechtsruck der jungen Wähler angeht: sie haben prozentual genauso gewählt wie die Gesamtzahl der Wähler. Das Problem liegt also eher bei den Erwachsenen, die ein derartig beklopptes Denken pflegen.