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Streit bei Fridays for FutureKlimastreik? Diesmal ohne uns

Der deutsche Ableger von Fridays for Future verzichtet auf große Aktionen – das hat auch mit Thunbergs antiisraelischer Rhetorik zu tun.

Ein Planet, aber kein gemeinsamer Protest, Friday for Future-Proteste im Hamburg im Januar 2023 Foto: Christian Charisius/dpa

Berlin taz | Globaler Klimastreik und keiner macht mit: Zumindest für Deutschland beschreibt das die Situation zum 14. von Fridays for Future (FFF) International ausgerufenen Streik an diesem Freitag ganz gut. Auf der Online-Aktionskarte des Netzwerks finden sich zwar Dutzende Pins für Proteste in Schweden, Uganda oder den USA, aber nur ein einziger weist auf eine Aktion im Bundesgebiet hin: ein Klimacamp in Augsburg. Beim letzten Globalen Klimastreik im September 2023 beteiligten sich in Deutschland noch 250.000 Menschen in mehr als 250 Orten.

Auf der Website der deutschen Sektion finden sich versteckt dann doch noch einige Einträge mehr. In sieben Städten finden vor allem Veranstaltungen statt, bei denen Ortsgruppen versuchen, dem Lager der Klimawandelleugner etwas entgegenzusetzen. In Berlin wird es eine Pressekonferenz etwa mit der Ökonomin Claudia Kemfert und dem Demokratieforscher Matthias Quent auf der Marschallbrücke im Regierungsviertel geben. Dazu soll die Brücke mit dem Schriftzug „Our World is on fire – use your voice“ bemalt werden, das auf die Bedeutung der kommenden Europawahl hinweist.

Groß beworben wird von FFF derzeit nur ein Klimastreik am 31. Mai. Im Hinblick auf jene Wahlen soll es dann auch wieder Massendemos geben. Anknüpfend an die zentrale Rolle, die FFF bei den Mobilisierungen gegen die AfD nach der Correctiv-Recherche über Remigrationspläne im Winter spielte, wollen die Fridays darauf hinwirken, dass Menschen „demokratisch wählen“ gehen, wie es in dem Aufruf heißt.

Während Fridays for Future Deutschland erstmals beim Globalen Klimastreik – die Premiere fand im März 2019 statt – auf eigene Demonstrationen verzichtet und nur symbolische Aktionen organisiert, tritt eine weitere Gruppierung auf den Plan, die zu Demos in Berlin und Hamburg aufruft: BIPoC for Future; gemeint sind Schwarze, Indigene und ­People of Color.

„Antikapitalistisch, antikolonial und antirassistisch“

Laut ihrem Sprecher Castroya Nara existiert dieser Zusammenschluss seit 2021, gegründet als Reaktion auf „rassistische Strukturvorfälle“ in der Bewegung. Zwar verstünde man sich als Teil von FFF, werde aber von der Mutterorganisation „ignoriert“. Eskaliert ist der Streit unter anderem, als ihre BIPoC-Mitstreiterin Elisa Baş im Oktober nach Äußerungen über eine „Po­grom­stim­mung gegen Palästi­nen­ser:in­nen“ von ihrer Funktion als FFF-Pressesprecherin entbunden wurde.

Im Aufruf für diesen Freitag ist die Abgrenzung deutlich: „Viel zu lange wurde der Begriff ‚Klimagerechtigkeit‘ von Gruppen wie Fridays for Future Deutschland verwendet, ohne dessen wirklichen Sinn zu verstehen.“ Echter Aktivismus für Klimagerechtigkeit sei „antikapitalistisch, antikolonial und antirassistisch“. Ortsgruppen von FFF in Heidelberg, Bonn und Aachen schließen sich laut Nara ihren Protesten an.

Der Kern der Abgrenzung sei laut Nara der Umgang mit kolonialen Strukturen. Doch dahinter steht die Gretchenfrage: Wie hältst du es mit dem Nahostkonflikt? Die eindeutige Positionierung von BIPoC for Future zeigt sich auch anhand einer der Mitorganisatoren der Berliner Demo: Palästina Spricht. Beworben wird die Demo, die am üblichen Versammlungsort von FFF, dem Invalidenpark in Mitte, starten soll, mit Plakaten in Deutsch und Arabisch: „Antikolonialer Klimastreik? Verlass Dich drauf, Habibi.“

FFF Deutschland hatte nach der Terrorattacke der Hamas auf Israel am 7. Oktober schnell das Massaker verurteilt und sein Mitgefühl mit den israelischen Opfern ausgesprochen. Dagegen hatten die internationale Sektion wie auch Frontfigur Greta Thunberg klar Solidarität für Palästina ergriffen, teils mit scharfer antiisraelischer Rhetorik. Die Zusammenarbeit war daraufhin aus Deutschland für zwei Monate auf Eis gelegt worden. Doch der Konflikt hält bis heute an. Hinter vorgehaltener Hand heißt es bei FFF, es gebe „Schwierigkeiten mit der internationalen Ebene“.

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21 Kommentare

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  • "In sieben Städten finden vor allem Veranstaltungen statt, bei denen Ortsgruppen versuchen, dem Lager der Klimawandelleugner etwas entgegenzusetzen. "

    Klimaleugner sind aktuell so etwas von nebensächlich. Maßgeblich ist der große Teil der Bevölkerung, der sehr wohl den Klimawandel sieht, aber nicht damit belastet werden will.

    In den letzten Jahren gab es durch die Aktionen der Letzten Generation einen massiven Verlust an Zuspruch aus der Bevölkerung.

    Dieser Zuspruch muss durch FFF wieder hergestellt werden.

  • Natürlich kann man für Menschen- und Völkerrecht auch für Palästina und Palästinenser sein, sollte man vielleicht auch.



    Es hat mit dem Klima nur recht wenig zu tun, und auch verringert eine Bündelung wohl eher die Durchschlagskraft, als dass es sie stärkte. Also bitte getrennt halten.

    Doch wird diese Facette jetzt gerade nicht übermäßig aufgeblasen?



    Um wieder sich bequem zurückzulehnen, als ob wir nicht ultrateure Klimaänderungen vor uns hätten, die wir jetzt kontern müssen.

    • @Janix:

      Ich gebe Ihnen absolut recht - mensch kann und darf antikapitalistisch und antirassistisch in einer Klimabewegung sein. Die Initiator:innen von BiPoc fpr future können sich auch bei Demonstrationen wie "Palästina spricht" engagieren, aber bitte nicht als Vertreter:innen von FFF oder BiPoc for future. Zur Abwendung der Klimakatastrophe braucht es einen größeren Konsens oder mensch hat die Dringlichkeit nicht verstanden

      • @Moira:

        Komplett bei Ihnen. Das Mandat auf andere Themen ausweiten, wo der Zusammenhang extrem gering ist, ist daher inhaltlich und strategisch ein Fehler.



        Den sollte man aber nicht als Ausrede für Hände in den Schoß missbrauchen.

  • Greta Thunberg hat mit ihrer selbstgefälligen Besserwisserei und ihren meldodramatischen Auftritte der Bewegung einen Bärendienst erwiesen. Letztendlich ist es wohl vielen Aktivisten peinlich mit ihr assoziiert zu werden.

    • @Lars Sommer:

      Ich kann Frau Thunbergs Position nachvollziehen, halte aber ihre Vermischung von Themen politisch für strunzdumm. Der Kampf gegen den Klimawandel hätte in ihrer Position bei FFF politische Zurückhaltung erfordert

    • @Lars Sommer:

      Mir ist Greta T. nicht peinlich.



      Und in Schweden ist eine pro-palästinensische Haltung seit sehr vielen Jahren Tradition. Ihre Ansicht ist dort vollkommen normal. Das sollte man in einer Einschätzung ihrer Aktivitäten mit unseren Augen mitbeachten.

      • @Anidni :

        Das mag stimmen, aber außerhalb dieser schwedischen Konsensblase wäre es halt besser für FFF (und damit vielleicht auch für das Klima), wenn sie die beiden Themen auseinander halten könnte. Es ist schon, wie der Bühnenpirat in Rotterdam ihr gesagt hat: Wer auf FFF-Demos geht, ist wegen des Klimas da, nicht um sich vor irgendeinen anderen Karren spannen zu lassen.

  • Mit Partikularidentitäten verzettelt man sich hier.

    Wenn man gemeinsam etwas für den Klimaschutz tun will, muss man auch die Gemeinsamkeiten betonen.

    Anders wird das nichts.

    Schade, jetz wäre die Zeit, wo man vielleicht noch etwas erreichen könnte.

  • Ich bin froh, dass FFF sich da rausgezogen hat. Antisemitische Hetze auf FFF Demos wäre der Gau für Klimaschutz in Deutschland.

  • Und leider sieht man wieder, wie sich eine Ein-Themen-Bewegung zerlegt, wenn alle möglichen Probleme (echt oder vermeintlich) hineingetragen werden, die bestenfalls sehr entfernt und teilweise gar nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun haben. Für Klimaschutz muss weder der Nahostkonflikt gelöst noch der Kapitalismus abgeschafft werden. Man verliert so einfach nur die eigentlich breite Unterstützung für sein Hauptanliegen.

  • "Im Aufruf für diesen Freitag ist die Abgrenzung deutlich: „Viel zu lange wurde der Begriff ‚Klimagerechtigkeit‘ von Gruppen wie Fridays for Future Deutschland verwendet, ohne dessen wirklichen Sinn zu verstehen.“"



    Jedenfalls eine sehr deutsche Initiative. Wissen's mal wieder besser als der Rest der Welt.

    • @Encantado:

      Nein, worum es geht ist Klimagerechtigkeit. Mensch kann nicht alles auf einmal fordern!

  • Wir haben einen Klimakanzler, eine Klimaaussenministerin und eine Klimawirtschaftsminister, wer braucht da noch eine Klimabewegung?

    • @elma:

      ...das Klima bzw dessen Schutz

    • @elma:

      Wurden Klimaverkehrsminister und Klimafinanzminister vergessen? Oder gibts andere Gründe für ihr Fehlen in der Aufzählung?

      • @Erfahrungssammler:

        und auch @Elma: Sie beide haben es erfasst!

  • Irgendwann ist halt auch vorbei. Die Kerntruppe dürfte halt inzwischen Abi gemacht haben.

    • @DiMa:

      Vielleicht sind sie auch im Leben angekommen.

      • @Hans Hermann Kindervater:

        Leben ist doch das, was man sich mit Klimaschutz heute deutlich kostengünstiger und angemehmer gestalten würde?



        Übrigens auch als leicht zynischer Älterer.

      • @Hans Hermann Kindervater:

        Und was genau ist das „Leben“? Sich für den fast unbezahlbaren Traum vom Eigenheim krummlegen?