Taylor Swift als Business-Phänomen: Sie kaufen ihr alles ab

Das neue Album hören und sie reich machen: Fans feiern Taylor Swift als „Business-Genie“ und die Charterfolge wie den Meistertitel des Lieblingsteams.

Fans von Taylor Swift.

Swifties bei einem Konzert im australischen Melbourne im Februar 2024 Foto: Asanka Ratnayake/Getty Images

Ein neues Taylor-Swift-Album bedeutet unter anderem: Es sind wieder Taylor-Swift-Wochen in den sozialen Medien. Fans, die ihrem Idol blind in einen Abgrund folgen würden oder zumindest bei Ticketmaster eine ganze Monatsmiete in ein Konzertticket stecken, breiten jede Zeile aus und machen aus jeder Positiv- oder Negativrezension ein Politikum.

Das wäre so eingetreten, egal wie das Album klingt. Taylor Swift ist, was den Aufruhr um ihre Person betrifft, ein singuläres Phänomen in der zeitgenössischen Popmusik. Das liegt daran, dass sie zwei Popstar-Typen zugleich ist: Nach 18 Jahren im Musikgeschäft und unzähligen Erfolgen ist sie eine Ikone, die über den Dingen stehen könnte. Ähnlich wie ­Beyoncé könnte sie Erfolge feiern, auch ohne die Vermarktungs- und Öffentlichkeitsspiele der Industrie noch mitzuspielen.

Hauptsache, Nummer 1

Aber sie spielt diese Spiele noch, denn sie spielt sie besser als alle anderen: In den achtzehn Monaten seit dem letzten Studioalbum „Midnights“ sind zwei Neueinspielungen älterer Alben sowie ein Konzertfilm erschienen und Swift hat zwei viel diskutierte Beziehungen mit prominenten Männern geführt, die nun Stoff für die Texte auf „The Tortured Poets Department“ bieten. Taylor Swift sieht sich noch nicht beim Spätwerk angekommen. Sie steht auch nach 18 Jahren immer noch jeden Tag im Ring und kämpft mit den jüngeren Popstars um jeden einzelnen Erfolg.

Man sollte Swift freilich nicht unterstellen, dass sie private Beziehungen der Aufmerksamkeit wegen führt oder dass sie die Aufmerksamkeit immer genießt. Auf dem neuen Album kritisiert sie scharf die Berichterstattung über ihre Beziehung mit Matt Healy, dem kontroversen Sänger der Band The 1975.

Die Finanztricks fürs Streaming-Zeitalter kennt Swift allerdings genau: Von „The Tortured Poets Department“ konnten vier verschiedene Vinyl-Versionen vorbestellt werden, mit je einem anderen Bonus-Track. Die hatten Komplettisten bereits viel Geld gekostet, als dann nur zwei Stunden nach Erstveröffentlichung des Albums auf den Streamingdiensten noch eine knapp doppelt so lange Version online ging, die alle Bonus-Tracks sowie noch dreizehn weitere Lieder nun frei verfügbar machte. Der Grund: Sowohl besonders lange Streaming- als auch besonders teure physische Veröffentlichungen vertragen sich gut mit den Rechenformeln der Charts-Macher.

Olé, olé, olé, Taylor Swift, olé

Dass sie für die Verkaufsrekorde ihres Idols doppelt bezahlen müssen, stört die Fans nicht. Im Gegenteil: Taylor Swift wird für ihr „Business-Genie“ gefeiert – so als bekäme man von ihrem Reichtum etwas ab. Diese Überidentifikation, gerade auch mit finanziellem Erfolg anderer, ist typisch für zeitgenössische Fanpraxis. Fans streamen etwa rund um die Uhr Musik, um zu neuen Rekorden zu verhelfen. Taylor Swift hat viele ehrenamtliche Mitarbeiter. Wenn dann die erhofften Schlagzeilen erscheinen, fühlt sich das wahrscheinlich an, als hätte der Lieblingsverein ein Spiel gewonnen.

Weil Swift so ein singuläres Phänomen ist, gelingen ihr auch immer wieder Dinge, die vermeintliche Regeln der Streamingökonomie außer Kraft setzen: 2021 wurde „All Too Well (Taylor’s Version)“ mit über zehn Minuten der längste Nummer-eins-Hit in der Geschichte der US-Charts. Als neulich eine in der Fachzeitschrift Scientific Research veröffentlichte Studie befand, Songs würden immer kürzer und ihr Vokabular immer begrenzter, war Swift wohl das erste Gegenbeispiel, das vielen Lesern auf der Zunge lag.

Ihr Songwriting nämlich ist von Finanztricks unbeeindruckt, ist ausladend, arbeitet noch mit Pre-Chorus und Bridge, mit Intro und Outro. So wenig subversiv es auch ist, ein „Business-Genie“ zum größten Popstar der Welt zu haben: Taylor Swift und ihr immenser Erfolg ist auch eine Bastion gegen Zweieinhalb-Minuten-Reißbrett-Pop.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.