Familienrechtlerin für klare Absprachen: „Ehevertrag muss Pflicht werden“
Partner sollten vor der Heirat vereinbaren, wer wie viel erwerbstätig ist. Dafür spricht sich Melanie Ulbrich vom Familienrechtsverband Isuv aus.
taz: Frau Ulbrich, zur Midlife-Crisis gehört bei vielen Paaren die Scheidung, und dann geht es oft ans Ersparte: Ohne Ehevertrag muss der reichere Partner dem anderen die Hälfte des Vermögens und der Rentenansprüche geben, die er während der Ehe erwirtschaftet hat. Dieser Zugewinn- und Versorgungsausgleich stammt aus der Zeit, als es Standard war, dass nur der Mann Geld verdient und nur die Frau die Kinder betreut. Sind diese Ausgleichsregeln noch gerecht?
Melanie Ulbrich: Dieses System kann immer noch gerecht sein, weil Frauen im Schnitt immer noch weniger arbeiten als Männer, und die Erziehungszeiten nicht paritätisch verteilt sind. Wenn sich die Frauen um die Kinder kümmern, haben sie weniger Gelegenheit zu sparen. Das heißt, sie kommen tendenziell schlechter aus so einer Ehe raus. Vermeiden können wir das etwa durch eine gesetzliche Pflicht, vor der Heirat einen Ehevertrag abzuschließen. Darin können die Partner festlegen, wie sie ihre Erziehungszeiten verteilen. Ein Ehevertrag muss für alle Paare Pflicht sein.
Es gibt doch schon die Möglichkeit, einen Ehevertrag abzuschließen.
Die Möglichkeit besteht, aber die wenigsten Menschen machen das. Die wenigsten sehen, worauf sie sich einlassen, wenn sie die Ehe schließen. Dass die Paare sich dann in einer sogenannten Zugewinngemeinschaft befinden, wissen die meisten Leute einfach nicht. Da braucht es mehr Transparenz und vielleicht auch Beratung vor einer Ehe, dass man gesagt bekommt: Sie können eine Zugewinngemeinschaft sein, sie können aber auch Gütertrennung vereinbaren. Dann ist jeder für sein Vermögen selbst verantwortlich. Dann hat aber der Partner, der weniger verdient, auch sehenden Auges entschieden zu sagen: Ich verdiene weniger, ist mein eigenes Pech.
Wäre so eine Pflicht zum Ehevertrag auch im Interesse der Kinder?
Die 51-Jährige ist Bundesvorsitzende des Interessenverbands Unterhalt und Familienrecht (ISUV). Der gemeinnützige Verein ist mit nach eigenen Angaben etwa 5.000 Mitgliedern der größte Familienrechtsverband in Deutschland.
Ja, in einem Ehevertrag könnten Sie beispielsweise festlegen, wie die Kinderbetreuung im Falle einer Scheidung geregelt werden soll. Sie können auch den Unterhalt für die Kinder festlegen. Es ist besser, dass die Eltern sich darüber einigen, so lange sie sich einander zugetan sind. Wenn das nicht mehr der Fall ist, können diese Themen viel Streit auf dem Rücken der Kinder verursachen. Gerade im Interesse der Kinder wäre es auch vorzuschreiben, dass die Eltern bei einer Trennung zuerst in einer Mediation versuchen, sich zum Beispiel über den Vermögensausgleich zu einigen, bevor sie vor das Familiengericht ziehen. Denn ein Rechtsstreit kostet die Eltern viel mehr Geld und Nerven als ein Vermittlungsverfahren.
Wie könnte der Staat beim Versorgungsrecht Anreize dafür setzen, dass die Partner die Care-Arbeit gleichmäßiger aufteilen?
Während der Ehe sollte in der jährlichen Renteninformation auch stehen, wie hoch die Rente nach einer Scheidung sein würde. Das könnte ein großer Anreiz sein, seinem Partner zu sagen: Du könntest arbeiten gehen, dann würde ich weniger Rentenpunkte verlieren, und du würdest mehr Punkte dazugewinnen. Man könnte auch selber auf die Idee kommen: Oh mein Gott, ich verdiene total wenig Rentenpunkte; was mache ich dagegen? Dann muss man sich überlegen, ob man seine Stunden aufstockt und der andere die Stunden reduziert.
Mit welcher Rechtfertigung gibt es die Zugewinn- und Rentenausgleiche selbst in kinderlosen Ehen?
Beim Versorgungsausgleich ist die Rechtfertigung einfach: Der Staat möchte nicht, dass ihm später jemand auf der Tasche liegt, weil er mangels ausreichender Rente in die Grundsicherung rutscht. Das ist die einzige Rechtfertigung in kinderlosen Ehen, denn da hatte ja jeder die Chance, Geld zu verdienen. Das gilt auch für den Zugewinnausgleich. Der hat bei kinderlosen Ehen genauso wenig Berechtigung.
Ihr Verein ist bei manchen umstritten, vor allem weil Ihr Ehrenvorsitzender Josef Linsler 1992 eine Schrift mitherausgegeben habe, in der einer der Autoren Sex mit Kindern gerechtfertigt habe. Was sagen Sie dazu?
Herr Linsler hat sich von den pädosexuellen Inhalten in dem Band distanziert, und in einer späteren Auflage war dieser Aufsatz nicht mehr enthalten. In den letzten 20 Jahren hat sich unser Verein extrem verändert, wir helfen sowohl Männern als auch Frauen bei Trennungen und Scheidungen. Mittlerweile sind 40 Prozent unserer Mitglieder weiblich. In unserem Bundesvorstand herrscht jetzt Parität.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Unwetterkatastrophe in Spanien
Vorbote auf Schlimmeres
Steinmeiers Griechenland-Reise
Deutscher Starrsinn
Schließung der iranischen Konsulate
Die Bundesregierung fängt endlich an zu verstehen
Jaywalking in New York nun legal
Grün heißt gehen, rot auch
Orbán und Schröder in Wien
Gäste zum Gruseln