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FC Bayern verpasst MeisterschaftEin Land atmet auf

Andreas Rüttenauer
Kommentar von Andreas Rüttenauer

Der FC Bayern wird nicht Meister. Doch das bleibt ein Einzelfall, denn der deutsche Fußball ist im Sinne der Münchner organisiert.

Damals noch nicht in Serie gewonnen: die Bayern Meisterelf von 1969 rund um Franz Beckenbauer Foto: Werek/imago

E in Land atmet auf. Der FC Bayern dankt ab. Elf lange Jahre hat er über die deutschen Fußballlande geherrscht. Meistens war der Klub überlegen. Und selbst wenn die edlen Kicker von der Isar nicht wirklich besser waren als die anderen, sind sie am Ende doch Meister geworden – so wie in der Vorsaison. Vorbei. Meister wird nun ein anderer Klub. Die Diktatur geht ihrem Ende entgegen. Wird jetzt alles gut? Können ab jetzt alle, die es nur genug wollen, Meister werden? Schön wär’s. Die höchste deutsche Spielklasse ist weit davon entfernt, eine klassenlose Gesellschaft zu werden.

Wie jetzt? War es nicht der drollige Provinzklub FC Heidenheim, der den Bayern den entscheidenden Hieb verletzt hat? Sagen wir so: Oft werden die Heidenheimer den FC Bayern nicht besiegen. Nach Gründen dafür braucht man nicht lange zu suchen. Die Münchner haben vor der Saison für einen Spieler mehr Geld ausgegeben als der FC Heidenheim für die gesamte Mannschaft.

Und nicht einmal ein Tor jenes Harry Kane hat den Münchnern den Sieg beschert. Da ist etwas passiert, was im modernen Fußball eigentlich nicht vorgesehen ist. Das ist es ja, was zu dem emotionalen Vollrausch geführt hat, der das ganze Land nach der Bayernpleite an der Brenz erfasst hat. Es wird ein Einzelfall bleiben. Man darf ihn ruhig als Wunder bezeichnen.

Eltern müssen ihren fußballbegeisterten Kindern erklären, was da gerade passiert in der Liga. Und welch merkwürdige Konstruktion dieses Bayer Leverkusen ist, das dem Stern des Südens ein wenig von seiner Strahlkraft nimmt

Deutscher Männermeister wird Heidenheim sowieso nicht werden. So wie all diese vermaledeiten Traditionsklubs nie den Titel holen werden, auch wenn deren Fans auf Schalke, beim FC in Köln, beim FCK in Kaiserslautern oder bei den 60ern in München noch so sehr mit Inbrunst singen: „Und wir werden wieder deutscher Meister sein!“ Nix da! So wie der Fußball organisiert ist, kann es nichts werden mit dem Comeback all der untoten Klubs, die meist mehr schlecht als recht von den Erinnerungen an gute alte Zeiten leben. Es wird normal bleiben, dass der FC Bayern die Meisterschale auf dem Marienplatz präsentiert.

Eltern, deren fußballbegeisterte Kinder noch nicht lange genug leben, um sich eine Bundesliga vorstellen zu können, an deren Spitze am Ende nicht der FC Bayern steht, müssen in diesen Tagen erklären, was da eigentlich gerade passiert in Fußballdeutschland. Sie werden erläutern müssen, welch merkwürdige Konstruktion dieses Bayer Leverkusen ist, das sich nun anschickt, dem Stern des Südens ein wenig von seiner Strahlkraft zu nehmen.

Die sogenannte Werkself spielt auch deshalb so häufig oben mit in der Tabelle, weil sie weitgehend von wirtschaftlichen Zwängen befreit agieren darf. Zur Not gleicht der namensgebende Chemieriese die Bilanz eben aus, am Geschäftsjahresende.

Während sich herkömmliche Fußballklubs nicht nur in einem sportlichen Wettbewerb, sondern auch in einem wirtschaftlichen Rennen befinden, können sie sich beim kommenden deutschen Meister weitgehend risikobefreit auf das Spiel auf dem Rasen konzentrieren. Die kitschig-schöne Geschichte vom Triumph der elf Zwerge vom Eingang ins Bergische Land gegen die Fußballriesen von der voralpenländischen Schot­ter­ebene ist das nun nicht gerade.

Es ist kein Fußballmärchen, was da gerade aufgeführt wird. „Ausgerechnet Leverkusen!“ mögen all jene ausrufen, die sich seit Jahren nichts sehnlicher wünschen als eine Meisterschaft für einen Klub, der nicht FC Bayern München heißt.

Geld scheffeln

Sie werden wie alle anderen Fußballromantiker, die immer noch das Hohelied von den elf Freunden, die man sein müsse, anstimmen, dennoch heilfroh sein, dass es nicht Rasenballsport Leipzig ist, der die Bayern vom Thron stößt. Jener Scheinklub, der zu Marketingzwecken von einem Hersteller koffeinhaltiger Erfrischungsgetränke gegründet worden war, gilt in den meisten Kurven deutscher Stadien als der Inbegriff alles Verachtenswerten, was der kommerzialisierte Fußball neben Weltmeisterschaften in Russland oder Katar hervorgebracht hat.

Da ist ja selbst der FC Bayern noch besser, könnte man da einwenden, auch wenn jenes WM-Emirat zum Legende gewordenen Festgeldkonto der Münchner so einiges beigetragen hat.

Das ist auch deshalb so gut gefüllt, weil die Bayern als ständiger Teilnehmer an der Cham­pions League jedes Jahr derartig viel Geld von der Europäischen Fußballunion Uefa überwiesen bekommen, dass der ganze Kader gleichzeitig ein Talerbad nehmen könnte, wenn die Spieler das denn möchten.

Und weil die Hunderte von Millionen aus Vermarktungserlösen der Bundesliga so verteilt werden, dass der Klub am meisten bekommt, der am höchsten in der Tabelle steht, konnten die Bayern ihren Konkurrenten so weit enteilen, dass sie schlicht nicht mehr einzuholen sind. Nein, es spricht wirklich nicht viel dafür, dass die Bayern lange brauchen werden, um an die nationale Spitze zurückzukehren. Der Fußball ist in ihrem Sinne organisiert.

Arroganz kostet den Titel

Der Fußballrevolution dieses Jahres folgt also garantiert eine Restauration. Längst bauen sie in München an einem Fußballkonzern der Zukunft. Die drittklassige Spielvereinigung Unterhaching soll zum Partnerklub der Münchner werden und wird künftig dafür bezahlt, jungen Profis aus dem Bayernnachwuchs Spielpraxis zu geben.

Die Bayern unterhalten nicht nur Büros in New York, Schanghai und Bangkok, sie betreiben zusammen mit dem Los Angeles FC auch ein Joint Venture, das sich „Red & Gold Football“ nennt. Darüber hinaus kooperieren sie mit Fußball-Akademien in Afrika und sind nun auch Eigentümer eines ersten Klubs in Südamerika. Der Racing Club de Montevideo soll dereinst Talente an den FC Bayern ausliefern. Der Marketingclaim des Klubs braucht nirgendwo auf der Welt übersetzt zu werden. „Mia san Mia“ verstehen die Menschen überall.

Kein Wunder also, dass die Münchner bei Spielen an Standorten des deutschen Profifußballprekariats wie Darmstadt oder Bochum so auf den oft schlecht bespielbaren Rasen herabblicken wie ein gestandener Münchner Stadtpatrizier auf einen Obdachlosen in der prächtigen Maximilianstraße. Diese schier unerträgliche Arroganz mag dem FC Bayern diesmal den Titel gekostet haben. Natürlich hätten sie ihn gewinnen können. Wie immer.

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Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
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9 Kommentare

 / 
  • Ja das trostlose München



    Ich hatte ja voraus gesagt



    Das zumindest eine Meisterfeier



    Am Marienplatz etwas Farbe in die Innenstadt bringen wird, jetzt bleibt es weiter so trostlos



    Wie von Herrn rüttenauer beschrieben



    Und jetzt lese ich in der Kommentar Spalte



    Adolf Hitler



    In einem Zusammenhang mit Fußball



    Echt krass

  • Süß. Monsanto Leverkusen wird zum neuen SC Freiburg, solange es nur gegen den FC Hollywood geht.

  • Ach was! ©️ Loriot 💯💯te - München -

    Na Servus - ⚽️ - vulgo - Pöhlen => BO & DO -



    München - Hauptstadt der Bewegung - Ja wie?



    Ah. Achso! Anders gemeint! Newahr.



    Normal Schonn! Die Patrizier auffe Maxi! Gell

    unterm——-Da kommt Bewegung auf —-



    Hauptstadt der Bewegung ist ein nationalsozialistischer Propagandabegriff für die Stadt München, die sich in den 1920er Jahren zum Zentrum für den Aufstieg der nationalsozialistischen Bewegung Adolf Hitlers entwickelt hatte. „Bewegung“ ist laut Victor Klemperer so sehr das „Wesen des Nazismus“, dass Die Bewegung sogar zu seiner Selbstbezeichnung wurde.“



    de.wikipedia.org/w...stadt_der_Bewegung



    & Däh der gute Onkel Adolf —-



    “m August 1935 verlieh Adolf Hitler München den Titel ‚Hauptstadt der Bewegung'. München sollte als Ort der Parteigründung und des Hitler-Putsches 1923 ein fester Bestandteil des Parteimythos und der Sitz der nationalsozialistischen Bewegung bleiben.“



    & Däh - gut bürgerlich =>



    “Im Bürgertum grassierte seit dem Ende des Ersten Weltkriegs vor allem die Angst vor dem bolschewistischen Umsturz. Selbst bei der Theatergemeinde München war häufig vom Krieg und vom Kampf „gegen alle antideutschen, antichristlichen, alte, ererbte Kulturwerte verseuchende Bestrebungen“ die Rede. Viele der Künstler und Schriftsteller, die das Leben der Schwabinger Bohème in der Vorkriegszeit geprägt hatten, verließen München, oft in Richtung Berlin, wo es liberaler und freizügiger zuging. Der Wahlmünchner Thomas Mann hatte erkannt, wie sehr sich sein Wohnort gegenüber der Vorkriegszeit zu einer rechten Hochburg entwickelt hatte. In einer Rede, die er im November 1926 auf einer Veranstaltung der DDP hielt, sagte er:



    „Wir haben uns des renitenten Pessimismus geschämt, der von München aus der politischen Einsicht Berlins, der politischen Sehnsucht einer ganzen Welt entgegengesetzt wurde; wir haben mit Kummer sein gesundes und heiteres Blut vergiftet gesehen durch antisemitischen Nationalismus und Gott weiß welch finstere

    • @Lowandorder:

      Sorry - wollte meinem temporären Mitschüler nicht das Wort abschneiden



      “und Gott weiß welch finstere Torheiten. Wir mußten es erleben, daß München in Deutschland und darüber hinaus als Hort der Reaktion, als Sitz aller Verstocktheit und Widerspenstigkeit gegen den Willen der Zeit verschrien war, mußten hören, daß man es eine dumme, die eigentlich dumme Stadt nannte.“



      Im Frühjahr 1934 bezeichnete Adolf Hitler in einer Rede München als „die Hauptstadt der Kunst und unserer Bewegung“,[4] ein Begriff, der die bayerische Landeshauptstadt als NS-Ehrentitel während der NS-Herrschaft seit 1935 prägte.



      Hitler lebte seit 1919 in München, wo die NSDAP gegründet wurde. Mit seinem Stoßtrupp Adolf Hitler, als Keimzelle der SS, unternahm er hier seinen als Hitlerputsch bekannt gewordenen, gescheiterten Umsturzversuch. Im darauf folgenden Münchner Strafprozess wurde er nur zu äußerst milder Festungshaft in Landsberg verurteilt, wo er sein 1925 erschienenes Buch „Mein Kampf“ verfassen konnte.



      Zu diesen Jahren schrieb die Süddeutsche Zeitung:[5]



      „München [...] hat eine besondere Verantwortung. Hier wurde Hitler gefördert, hier hätte er verhindert werden können. In den Schicksalsjahren von 1919 bis 1923 hofierten ihn erste Kreise der Stadt. Die Kunstverleger Hanfstaengl ebneten ihm den Weg in die Unternehmerschaft, das Klavierbauerpaar Bechstein traf ihn bei Besuchen in München und verehrte ihm einen Mercedes mit Chauffeur. Der charmant ungehobelte Newcomer verkehrte mit Künstlern, Intellektuellen und völkischen Wissenschaftlern, wurde geduldet oder gefördert von Politikern und Juristen.“



      Auch Elsa Bruckmann und die Lodenfreys führten ihn in die Gesellschaft ein. …usw usf

      Na Mahlzeit

      • @Lowandorder:

        What about IG Farben?

      • 9G
        95820 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        Bertolt Brecht:



        „Und kam berstend vor Gestank



        Endlich an die Isarbank



        Zu der Hauptstadt der Bewegung



        Stadt der deutschen Grabsteinlegung."



        www.rosalueste.de/open2.htm



        (Was ewig währt, ist selten gut.)

  • Die pure Illusion von Wettbewerb kann den Profit noch steigern und zu astronomischen Preisen für Trikots und Devotionalien sorgen.



    /



    www.nurfussball.co...ung-der-preis.html

  • Man kann viel schlechtes über den VfL Bochum sagen, aber der Rasen im Ruhrstadion ist top.

  • Danke für diese Kompetente Einordnung der Geschichte.



    Schön ist es aber schon!



    Da ich, im Zusammenhang mit der Hanffreigabe bereits einen sonnigen Titeltip abgeben durfte, hier ein Weiterer zum Thema, immerhin wurde "joint Venture" ja bereits im Text erwähnt.



    Es handelt sich um eine weitere Fußballhistorie, die schon vergessen scheint, passt aber gut zur derzeitigen Gemütslage:



    Joint Venture: Holland