Reform der Champions League: Heidenheim an der Anfield Road
In der kommenden Saison könnten noch mehr deutsche Klubs um die europäischen Pokale kicken. Muss das wirklich sein?
Der Aufstieg des deutschen Fußballs scheint unaufhaltsam. Zwei Bundesligisten stehen im Halbfinale der Champions League, Bayer Leverkusen ist weiter nicht zu schlagen und darf in der Vorschlussrunde der Europa League gegen AS Rom spielen. Und neulich hat sogar die Nationalmannschaft, die zuvor so etwas wie der Inbegriff einer Gurkentruppe war, zwei Testspiele gewonnen. Bricht jetzt etwa die Zeit an, die der selige Franz Beckenbauer schon 1990 kommen sah, eine Ära, in der der deutsche Fußball auf Jahre hinaus unschlagbar ist?
Den Jubelarien zufolge, die nach dem Halbfinaleinzug von Borussia Dortmund und dem FC Bayern angestimmt wurden, scheint es tatsächlich Menschen zu geben, die das glauben. Und es könnte noch besser kommen. Im kommenden Jahr könnten fünf deutsche Teams in der Champions League mitspielen. Und wenn sich Borussia Dortmund die europäische Klubkrone aufsetzen würde, könnten es sogar sechs Plätze sein. Selbst wenn dann zwei deutsche Teams nicht über das Viertelfinale hinauskommen, wäre ein rein deutsches Halbfinale in der Champions League möglich.
Wäre das nicht wunderbar, wenn derartige Herzensduelle wie das deutsche Emotico zwischen Rasenballsport Leipzig und dem FC Augsburg nicht mehr nur an einem stinknormalen Bundesligasamstag begeistern würden? Träumt Fußballdeutschland nicht schon lange davon, dieses Duell der Herzen auch noch am Dienstag oder Mittwoch nach dem Abspielen der Champions-League-Hymne zu verfolgen?
Dass derartige Möglichkeiten ausgelotet werden, liegt an der Reform der Champions League, mit der die Uefa noch mehr Geld erwirtschaften möchte als bisher – 3,5 Milliarden Euro waren das etwa in der vergangenen Saison. Die Gruppenphase, nach der sich bis auf ein paar sehr seltene Ausnahmen eigentlich immer die gleichen Mannschaften fürs Achtelfinale qualifiziert haben, wird es nicht mehr geben. Statt 32 Mannschaften in acht Gruppen spielen ab der kommenden Saison 36 Mannschaften je acht Partien, deren Ergebnisse in eine einzige Tabelle einfließen. Es gibt also mehr Plätze. Zwei dieser Plätze gehen an die Verbände, die in dieser Saison am besten in den europäischen Wettbewerben abgeschnitten haben.
So wie einst Botew Plowdiw
Statt also Ligen, deren Meister es schon lange nicht mehr schaffen, in jenen Wettbewerb zu kommen, der Meisterliga heißt, die Qualifikation zu erleichtern, werden einmal mehr die großen und reichen Ligen bevorzugt. Fußballnostalgiker wissen immer noch, dass Botew Plowdiw mal ein bulgarischer Spitzenverein war, weil er in den 80er Jahren gegen den FC Bayern im Europapokal der Pokalsieger ausscheiden durfte.
Heute ist die Frage nach dem Namen des aktuellen rumänischen Meisters bei einem Kneipenquiz selbst für absolute Fußballnerds nicht wirklich einfach zu beantworten. Klubs wie jener FC Farul Constanța schaffen es meist nicht über frühe Runden der Qualifikation hinaus und belästigen die Vereine aus den großen Fußballnationen nicht weiter mit ihrer schäbigen Existenz.
Nun könnte es also kommen, dass selbst der neunte Platz in der Bundesliga die Eintrittskarte für einen Europapokalwettbewerb bedeutet. Im Moment steht da die TSG Hoffenheim. Heidenheim als Zehnter hätte das Nachsehen. Ist das nicht ungerecht? Ist es nicht viel schwieriger und teurer, in Deutschland die Klasse zu halten, als rumänischer Meister zu werden?
Und wo bleibt eigentlich die europäische Belohnung für die anderen Klubs, die dem Abstieg entgehen? Die Regel wäre ganz einfach: Wer nicht absteigt, darf europäisch spielen. Das gilt natürlich nur in den vier am höchsten gelisteten Verbänden Europas. Wäre ja noch schöner: Am Ende kommt noch so ein hergelaufener Meister aus Rumänien daher und will mitspielen.
Leser*innenkommentare
Martin Rees
So ist die Regel: Wenn Kohle fließt, brennt in den Vorstandsetagen nichts an.
Amplifikation nennt man diese Wertschöpfung wohl in Analogie.
Bambus05
Man macht immer den gleichen Fehler, die Großkopferten bekommen immer noch mehr Geld in den unersättlichen Schlund gestopft, halbwegs auf gleichem Niveau, auf dem es spannend wird ist ab dem Viertelfinale in den Wettbewerben, weil am Ende PSG, Barca, Real, Juve, die Bayern und die Topklubs aus England reele Chancen auf den Titel haben. Natürlich gibt es immer wieder Ausnahmen, aber die Emporkömmline werden schnell leergekauft und sind dann wieder weg vom Fenster. Man trennt nicht den Sport von der Wirtschaft, wer Kohle hat hat auch den sportlichen Erfolg. Das ist Gift für den Unterhaltungswert.
Ein Blick nach Amerika würde helfen. Es wird auch dort ein Schweinegeld verdient, es gibt absurd überbezahlte Superstars, dennoch wissen die Amis wie man eine Show inszeniert. Deswegen gewinnen nicht immer die LA Lakers die NBA, die Edmonton Oilers die NHL und die Dallas Cowboys die Super Bowl. Durch Drafting, Verbot von Ablösesummen und Oberaufsicht der Liga über die Vereine werden die Karten immer wieder neu gemischt. Hier in Europa will man das nicht einsehen oder die großen Vereine verhindern jede Reform in diese Richtung.
Offebacher
@Bambus05 Die nordamerikanischen Profiligen (USA und Kanada bilden im Basketball, Baseball, Fußball und Eishockey gemeinsame Ligen) als Vorbild nehmen - das hieße auch kein Auf-und Abstieg mehr, und keine kleinen Vereine mehr in der Bundesliga, dafür (noch) mehr Konstrukte wie Leipzig.
Und Ablösesummen gibt es in Nordamerika zwar nicht, dafür aber Spielertausch und "Bezahlung" in zukünftigen Draftrechten, sprich das Recht, junge Collegespieler vor anderen Mannschaften verpflichten zu dürfen.
Günter Witte
@Bambus05 Dafür sind die Vereine in den Amerikanischen Topligen ein elitärer Club wo niemand absteigen kann, aber auch ( fast ) kein neuer dazukommt. Die Vereine in Amerika sind das Hobby von Milliardären, die hier über den Sport mit ihren Reichtum protzen.
Bambus05
@Günter Witte Das stimmt zwar, dennoch sind die Amis ehrlicher. Profisport ist Teil der Unterhaltungsindustrie, nicht mehr und nicht weniger. Das Rumgedruckse in Deutschland, mit folkloristischer Vereinsmeierei und dem Deckmäntelchen der Werte (schön von der FIFA konterkariert bei der letzten WM) ist in großen Teilen verlogen. Und was bringt die Auf- und Absteigerei? Die Zweitligisten halten sich meist nicht lange, sind den Erstligisten strukturell unterlegen. Man sah es bei der letzten Relegation, als der VfB Stuttgart als 16. über einen dreimal so hohes Budget wie der ruhmreiche HSV verfügte und deswegen völlig ungefährdet die Oberhand behielt.
Janix
Ja, zum Charme gehört es auch, dass der Meister Nord-Mazedoniens auch eine Chance erhält. Und es ist als Geldmaschine nach dem Matthäus-Prinzip angelegt.
Doch sollte man nicht eher bei der Geldverteilung als bei den Teilnahmechancen ansetzen? Denn es ist wohl wirklich schwerer, Platz 9 in der Bundesliga zu bekommen als Moldawien zu dominieren (kein persönliches Interesse, mein Club ist so oder so außen vor).
Geld nicht nur den Erfolgreichen, sondern umgekehrt für eine breite Qualität, dass nicht ein paar Clubs am Ende so lange monopolisieren, bis zufällig deren Vorstand sich unheilbare Inkompetenz einfängt. Wie wäre es damit?