Enthüllungen über AfD-Geheimtreffen: Der Dauerskandal

„Ist doch nichts Neues“, lautet oft die Antwort auf die Recherche zu den rechtsextremen Abschiebeplänen. Das stimmt. Aufregen sollte man sich trotzdem.

Journalisten und Journalistinnen diskutieren mit Stefan Moeller, Co-Landessprecher der AfD, (links) und halten ihm ihre Mikrofone entgegen

Diskussion auf dem AfD Landes-Parteitag in Pfiffelbach in Thüringen mit Stefan Moeller, dem Co-Landessprecher der AfD Foto: Funke Foto/imago

Nach Enthüllungen über die AfD ist es fast schon ein Ritual: Während die einen die Brisanz neuer Recherchen leugnen und die anderen aufgeregt sind, gibt es immer auch noch eine dritte Gruppe, die erklärt, dass man all das längst schon hätte wissen können. So auch diesmal. Ist ein aufgedecktes Treffen von AfD und Rechtsextremen und deren Androhung massenhafter Vertreibungen also womöglich eine so große Aufregung gar nicht wert?

Am Mittwoch machte eine Recherche von Correctiv Schlagzeilen. Mit versteckten Kameras hatten die Jour­na­lis­t*in­nen Ende November ein Treffen von AfD-Politiker*innen und Rechts­ex­tre­mis­t*in­nen in einem Hotel in Potsdam dokumentiert, Zeu­g*in­nen befragt und Dokumente ausgewertet.

Bei dem Treffen diskutierten sie darüber, massenweise deutsche Staats­bür­ge­r*in­nen mit Migrationshintergrund auszubürgern und abzuschieben. Martin Sellner, langjähriger Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung, stellte einen entsprechenden Plan vor. Die Anwesenden sollen seine Ausführungen begrüßt haben und debattierten gar, wie die Strategie in die Tat umzusetzen sei, sollte die AfD in Regierungsverantwortung gelangen. Mit dabei: CDU-Politiker*innen sowie AfD-Landespolitiker*innen und eine AfD-Bundestagsabgeordnete. Sowie Roland Hartwig, der persönliche Referent von Alice Weidel. Er soll zugesagt haben, die besprochenen Pläne in die Partei zu tragen.

Die besagte dritte Gruppe

Und während bei Linken die Social-Media-Timelines explodierten, die Rechten dementierten und relativierten und Unternehmen wie die Restaurantkette Hans im Glück erste Konsequenzen zogen, meldete sich auch die besagte dritte Gruppe.

David Begrich, bei Miteinander e. V. in Magdeburg einer der wichtigsten Experten für die extreme Rechte besonders in Ostdeutschland, schrieb: „Geheim­plan? Lest die Bücher, die Konzepte, die Reden aus dem rechts­intellektuellen Umfeld der AfD! Liegt alles offen zutage!“ Zur AfD wie zu vielen anderen rechten Phänomenen waren es in der Tat zivilgesellschaftliche Akteure wie Begrich, die die frühesten und informiertesten Warnungen aussprachen.

Axel Steier, Mitbegründer von Mission Lifeline, postete das Bild eines Spiegel-Titels vom letzten November, auf dem Olaf Scholz zitiert wird („Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“), versehen mit der Frage: „Wo ist jetzt der Unterschied zwischen dem und den Leuten beim Nazi-Meeting?“

Nicht das erste Mal

Der Rechtsextremist Martin Sellner selbst hingegen nahm am Tag der Veröffentlichung die Gelegenheit wahr, zu seinen Fans zu predigen. Auch er erklärte – in ganz anderer Absicht als Begrich und Steier –, dass an der Idee der „Remigration“, wie die Rechten die massenhaften Vertreibungen nennen, nichts neu und diese auch nicht von Äußerungen bürgerlicher Parteien entfernt sei. Die AfD postete einen Link zur Bild: „Warum bekam dieser Oma-Abzocker einen deutschen Pass?“ Das sollte wohl als Beleg dafür dienen, dass die Idee der Ausbürgerung normal und verbreitet sei.

Tatsächlich ist der Ruf nach einer sogenannten Re­migra­tion nicht das erste Mal laut geworden. Mehrfach sprachen AfD-Abgeordnete im Bundestag davon. Björn Höcke, der Landesvorsitzende der AfD in Thüringen, forderte sie bereits 2018 in seinem Buch.

Alles bekannt also. Heißt das, dass wir gelassen bleiben können? Nein, das Gegenteil ist der Fall. Der Rechtsextremismus der AfD ist zwar ein permanenter Skandal, aber er ist keiner, an den wir uns gewöhnen dürfen. Auch wenn es erst eine weitere aufsehenerregende Recherche dafür brauchte: Es muss sich der AfD weiterhin und jetzt erst recht entgegengestellt werden. Weiter noch: Die Partei sollte verboten werden.

Der Hinweis, dass auch Parteien wie CDU, SPD und die Grünen mehr Abschiebungen fordern, darf davon nicht ablenken. Deren Versuch, sich mit solchen Positionen bei An­hän­ger*in­nen des Rechtspopulismus an­zubiedern, die Ressentiments der Menschen zu aktivieren und deren Ängste in Richtung der Mi­gran­t*in­nen zu kanalisieren, ist dumm und falsch. Gleichwohl: Die AfD ist noch gefährlicher.

Völkischer Rassismus

Es gibt diesen Unterschied. Ein Beleg dafür zeigte sich auch in der Recherche von Correctiv: Die Rechtsextremen wollen massenhaft ausbürgern, auch politische Geg­ne­r*in­nen abschieben, wünschen sich einen ethnisch homogenen Staat. Das ist völkischer Rassismus. Gleichzeitig droht diese Partei in Thüringen, in Sachsen und in Brandenburg stärkste Kraft zu werden und stellt in Pirna schon mal einen Bürgermeister.

Während nun Ex­per­t*in­nen und Fach­jour­na­lis­t*in­nen seit Jahren warnen, gibt es eine bedrückende Diskrepanz zwischen ihrer politischen Analyse und der Realität des gesellschaftlichen Umgangs mit der AfD. Die Rechten arbeiten weiterhin als Po­li­zist*in­nen, sitzen als Schöffen auf der Richterbank oder besetzen bei der Bundeswehr sogar sicherheitsrelevante Füh­rungs­po­si­tio­nen. Die AfD sei ja nicht verboten, heißt es dann, sie sei, anders als die drei Landesverbände Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen, als Bundespartei ja nicht als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft. Viele Medien laden AfD-Po­li­ti­ker*in­nen weiterhin als Ge­sprächs­part­ner*innen ein.

All das muss sich ändern. Durch ein Verbot, aber nicht nur. Längst wäre eine konsequent antifaschistische Haltung auch niedrigschwelliger möglich. Das Deutsche Institut für Menschenrechte, das für die Vereinten Nationen die Menschenrechtslage in Deutschland beobachtet, hat im Sommer 2023 eine Analyse vorgelegt: Die Voraussetzungen für ein Verbot der AfD lägen vor. Und die rassistische, national-völkische Ausrichtung, die aus Sicht des Instituts in der Gesamtpartei verankert ist, begründe beispielsweise für Staatsbedienstete eine Entlassung vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung, und das bereits heute und auch ohne Verbot. Für Sym­pa­thi­sant*in­nen, die AfD-Positionen vertreten, seien bereits heute Disziplinarmaßnahmen möglich.

Diese Empfehlungen hätten längst ernst genommen werden müssen. Es ist Zeit, sie endlich umzusetzen. Antifaschistische Initiativen und Beratungsprojekte müssen gestärkt und finanziert werden. Regen wir uns auf. Bekämpfen wir die Rechten. Auf allen Ebenen.

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Ressorts Reportage & Recherche. /// Zuvor: Produktentwickler der taz im Netz, Chef vom Dienst der taz nord in Hamburg, Redakteur und Volontär der taz in Bremen. /// Seit 2011 Journalist bei der taz, mehrere Jahre zudem auch beim NDR. /// Soziologe und Kulturwissenschaftler, Studium in Bremen und Melbourne, Forschungsaufenthalt in Phnom Penh.

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