Migrationsabkommen mit Georgien: Faesers simulierte Tatkraft
Schnellere Abschiebungen und einfachere Zuwanderung für Fachkräfte soll das Migrationsabkommen bringen. Aber in Wahrheit ist es reine Symbolpolitik.
D ie deutsche Grenze wird auch im Kaukasus gesichert. Diese Botschaft soll von den Bildern ausgehen, die Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit ihrem Amtskollegen in Tiflis zeigen, wie sie ein gemeinsames „Migrationsabkommen“ unterzeichnen.
Anders als es der Name nahelegt, soll das Abkommen vor allem dazu dienen, Migration zu verhindern. Abgelehnte Asylbewerber sollen schneller wieder nach Georgien abgeschoben werden können. Andere sollen mit „Informationskampagnen“ davon abgehalten werden, in Deutschland überhaupt erst Asyl zu suchen.
Zudem soll der Austausch von Studierenden, Auszubildenden und Forschern verstärkt und es Saisonarbeitern einfacher gemacht werden, in Deutschland einen Job anzunehmen. Dass Fachkräfte aus Georgien in großem Stil nach Deutschland auswandern, will die Regierung in Tiflis verhindern: Sie fürchtet einen „Brain-Drain“.
Die Vereinbarung hat mehr symbolischen als praktischen Wert. Denn Georgien spielt in Sachen Migration für Deutschland eine Nebenrolle. Dass Hunderte von Menschen aus Georgien jeden Monat in Deutschland erfolglos Asyl beantragen, mag Arbeit machen.
Die meisten Asylsuchenden kommen derzeit aber aus Syrien, Afghanistan, dem Irak, dem Iran und der Türkei, und die meisten von ihnen haben ein Anrecht auf Schutz. Hinzu kommen über 1 Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die kein Asyl beantragen, aber trotzdem untergebracht werden müssen. Mit all diesen Ländern gibt es bisher keine „Migrationsabkommen“.
Neue Konzepte gegen Migration
Stattdessen suchen Scholz und Faeser in Nigeria und Ghana, Marokko und Tunesien, ja sogar in Kirgistan und Kolumbien nach Partnern, um weitere „Migrationsabkommen“ abzuschließen – bisher mit mäßigem Erfolg. Nur mit Indien wurde man schon einig. Beide wissen, dass sich die „irreguläre Migration“ dadurch nicht stoppen und Abschiebungen „im großen Stil“ so nicht erreichen lassen. Aber sie wollen Tatkraft simulieren: deshalb ihr demonstrativer Aktionismus.
Den Wunsch, ungewollte Einwanderung von Asylsuchenden zu begrenzen, teilt Deutschland mit dem Rest von Europa. Deshalb hat die EU auf den griechischen Inseln Auffanglager eingerichtet, in denen Flüchtlinge kaserniert werden, dafür lässt sie illegale „Pushbacks“ an ihren Außengrenzen zu. Als neue Idee kommt hinzu, Asylverfahren außerhalb der EU durchzuführen. Vorreiter war Großbritannien, das seine Asylverfahren nach Ruanda auslagern will. Italien folgt und verhandelt mit Albanien, um Flüchtlinge künftig dorthin zu verfrachten.
Auf der Strecke bleibt das Recht auf Asyl, das immer weiter ausgehöhlt wird: im Großen durch die EU oder durch einzelne Staaten wie in Tiflis. Grenzen zu schützen ist wichtiger geworden, als Menschen zu schützen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“