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Sparen mit dem BundesfinanzministeriumNeoliberaler Wind

Simon Poelchau
Kommentar von Simon Poelchau

Eine hohe Ministerialbeamtin gibt exklusive Steuerspartipps. Das passt zum Geist des Hauses: Reiche werden systematisch geschont.

Finanzminister Lindner muss das Verhalten seiner Referentin erklären Foto: Kay Nietfeld/dpa

E igentlich könnte Finanzminister Christian Lindner stolz sein auf Ministerialrätin Gerda Hofmann. Schließlich macht die höchste Staatsbeamtin für die Bereiche Erbschaftsteuer, Grundsteuer und Vermögensteuer genau das, wofür Lindner und seine FDP stehen: Reichen dabei helfen, noch reicher zu werden. Wie das ZDF berichtete, gab sie bei einer exklusiven Veranstaltung Superreichen und ihren Be­ra­te­r*in­nen Tipps, Steuern zu sparen. Es könne ja nicht sein, dass plötzlich die Einnahmen des Staates „sprudeln“, wird sie zitiert.

Die Veröffentlichung des Falls Hofmann kommt just in dem Moment, in dem sich Deutschland in der größten Haushaltskrise der Nachkriegszeit befindet. Allein für nächstes Jahr fehlen dem Bund nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Lindners Angaben zufolge 17 Milliarden Euro. Das ist Geld, das dringend für die ökologische Transformation benötigt wird und das die FDP nun gern bei sozialen Projekten wie der Kindergrundsicherung einsparen würde. Und gleichzeitig sollen zum Jahreswechsel Kinder- und Grundfreibetrag steigen. Das ist ein milliardenschweres Steuergeschenk, von dem besonders Besserverdienende profitieren.

Zugegeben: Es ist nicht das erste Mal, dass Mitarbeitende des Finanzministeriums eine zwielichtige Rolle spielten. Der jetzt aufgedeckte Fall erinnert stark an jenen des einstigen Finanzrichters und Ministerialreferenten Arnold Ramackers. Dieser verzögerte und verhinderte Bemühungen, die Cum-Ex-Geschäfte wirksam zu unterbinden – und stand zeitweilig auf der Gehaltsliste des Bankenverbandes. Damals war mit Peer Steinbrück ein Sozialdemokrat Finanzminister.

Die Einstellung im Ministerium muss sich also grundsätzlich ändern. Zu lange wehte dort ein neoliberaler Wind. Zudem sollten Kapitalerträge genauso stark wie Löhne und Gehälter besteuert und die Vermögensteuer endlich wieder erhoben werden. Steuern sind für den Erhalt des Gemeinwesens und die öffentliche Infrastruktur notwendig. Und dafür müssen Superreiche endlich wieder ihren gerechten Anteil leisten.

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Simon Poelchau
Redakteur
ist für Ökonomie im taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt zuständig.
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28 Kommentare

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  • In Habecks Ministerium sollen Angestellte Privatpersonen instruiert haben, wie man mittels Fördergelder viel viel Geld bei der energetischen Sanierung von Häusern sparen kann. 🤫🤪🤐

  • Die gute Frau will sich Beziehungen schaffen um nach dem Ende der Ampel einen guten Job in der Wirtschaft zu bekommen, ist doch klar. Was mich zu der Frage bringt, warum Habeck der Großindustrie das Geld mit vollen Händen in den Rachen wirft - letze Woche 2.3 Mrd für RWE und 2,8 Mrd für die saarländische Stahlindustrie. Denkt edr auch schon an die "Zeit danach"?

  • taz: "Eine hohe Ministerialbeamtin gibt exklusive Steuerspartipps. Das passt zum Geist des Hauses: Reiche werden systematisch geschont."

    Das ist doch aber auch schon seit vielen Jahren bekannt, dass die FDP nur Politik für die Reichen und Mächtigen in diesem Land macht (siehe zum Beispiel Mövenpick und Porsche).

    Die 'F'riede-'D'en-'P'alästen-Partei übernimmt das Finanzministerium in der Ampel und ihre FDP-Mitarbeiter geben Tipps wie die Reichen noch mehr Steuern sparen können – wer hätte das gedacht? *LOL*

  • Och, der Arme! Wie bedröppelt er auf dem obigen Bild ausschaut! ;-) Mensch denke, jemensch aus dem Umweltministerium böte Workshops an, wie Unternehmen Umweltschutzauflagen umgehen könnten ...

    • @Uranus:

      Da sehnse mal wie einfach es ist Leser per BILD zu steuern 🤓

  • Wieso profitieren von einer Erhöhung des Grundfreibetrags die Besserverdienenden wie hier im Text steht? Das Gegenteil ist richtig. Es profitieren die Ärmeren und Normalverdiener relativ gesehen viel mehr.



    Der Bericht gestern im ZDF war der Hammer! Die Frau soll und muss dienstrechtlich belangt werden inkl. Urteil Pflichtveranstaltungen zu besuchen bis Sie kapiert wer eigentlich ihr Gehalt bezahlt.

    • @Tom Farmer:

      weil ärmere den grundfreibetrag teilweise garnicht erreichen...

  • Steuerwissen muss Geheimwissenschaft bleiben!

  • "Die Einstellung im Ministerium muss sich also grundsätzlich ändern. Zu lange wehte dort ein neoliberaler Wind."



    Bei "grundsätzlich" höre ich im Unterton schon 'Aufräumen', assoziiere 'Investigation', erwarte 'vorzeitige Demissionierungen' und glaube das dennoch nicht wirklich.



    Andere Ministerien sind wie "Blaupausen" für derartige skandalöse Eigenermächtigungen ihrer Spitzenleute in Beamtenpositionen gewesen.



    Loyalität ist heute als Tugend wohl weniger erfolgreich als die Selbstdarstellung auf Kosten der Allgemeinheit.

  • Ich weiß schon warum ich die FDP ablehne.

    Die Neoliberalen sind so müssig wie ein Kropf, spalten die Gesellschaft und schaffen eine Ungerechtigkeit nach der anderen.

    Dan lieber die Königstreuen aus Bayern.

    • @Tom Lehner:

      Was hat das mit der FDP zu tun? Die Frau ist seit etlichen Jahren Beamtin im BMF. Bereits vor rund 10 Jahren war sie Leiterin der Abteilung Vermögens- und Erbschaftststeuer. Da war die FDP nicht mal im Bundestag vertreten.

      • @Deep South:

        Dann hat sie den Markenkern ja gut vertreten.

  • Hier der Link zur Doku "Die geheime Welt der Superreichen in der ZDF Mediathek:

    www.zdf.de/dokumen...erreichen-100.html

    Die höchste Staatsbeamtin im Bereich Steuern, Ministerialrätin Gerda Hofmann spricht am Schluß der Doku.

    Wirkt doch sehr verstörend diese extreme, steuerliche Bevorzugung von Superreichen auf mich.

    • @Goldi:

      thnx both - feiner link - hatte ich verpasst!

      unterm—- btw but not only —-



      Durch die Generation meiner Eltern - insbesondere Vaddern sind mir solche jenseits von allem Reiche schonn untergekommen - aber das so offensichtlich asozial-skrupellose eher nicht! But.



      De Ohl & sein bester Freund aus der Zeit (3. Chef!vxxl-facher) waren gemeinsam “Junge Männer“ bei Fa. Blohm Caracas.



      (Viel gelernt - ja).



      Er gab mir von Rómolo Gallegos “Canaima“ zu lesen.



      de.wikipedia.org/w...C3%B3mulo_Gallegos



      Canaima ist der Schrei der Verzweiflung eines fiktiven Tieres im Dschungel!



      Es geht um Kautschuk-Gewinnung in Venezulanisch Guyana! Das Trucksystem war so konstruiert: falls man überhaupt lebend aus dem Dschungel wieder rauskam - hatte mann nichts verdient! Räuberkapitalismus pur



      “Stimmt das denn alles?“ “Was meinst du - warum ich dir das Buch zu lesen gegeben habe?!“



      ———



      de.wikipedia.org/wiki/Trucksystem



      “ Trucksystem …bezeichnet die in der Zeit des Manchester-Liberalismus aufgekommene Entlohnung von Arbeitnehmern durch Waren, die beispielsweise Lebens- und Genussmittel sein können, insbesondere die Praxis, als Arbeitgeber seine Arbeitnehmer mit Waren aus der eigenen Produktion zu entlohnen.“



      Hier - Ausrüstung mieten etc. the whole shit!



      &! Mittag bei Stinnes - by Bruno Paul -



      “Mit dem Streik wollen wir wohl fertig werden! Wenn die Öster nur nicht hungern so gewohnt wären!“

      Am Abend des 24. September beklagte sich Hugo Stinnes per Telegramm beim preußischen Innenminister von Dallwitz darüber, dass die Zahl der eingesetzten Polizisten „absolut unzureichend“ sei. Obwohl Polizeipräsident Traugott von Jagow daraufhin 300 weitere Beamte nach Moabit entsandte, intervenierte Stinnes nur einen Tag später bei Reichskanzler Bethmann Hollweg persönlich, um ein „Eingreifen von oberster Stelle“ zu veranlassen. Daraufhin wurde die eingesetzte Polizeistreitmacht auf 1000 Mann erhöht, zu denen noch einige in „ortsübliches Zivil“ gekleidete Kriminalbeamte hinzutraten.

      So geht

  • hier der link zur sendung:



    www.zdf.de/dokumen...erreichen-100.html



    mir ist die kinnlade runtergefallen. kevin kuehnert scheinbar auch.



    dann sucht mal schoen nach geld, liebe ampel-regierung. streicht alle projekte ein, investiert bloss nicht in die zukunft, kuerzt das buergergeld und die kindergrundsicherung.



    weil wo sonst soll denn bloss geld herkommen in diesem land?

    • @the real günni:

      Gute Idee, kann aber aktuell nicht klappen !



      Das "scheue Reh Kapital" ist doch in der Regel vom Finanzamt bereits ins Ausland getrieben worden ... und kommt auch freiwillig sicherlich nicht zurück.

  • So lange das Märchen erzählt werden kann,das Reiche die größten Steuerzahler sind,wird sich nichts ändern.

  • Der fromme Wunsch der taz, dass sich am neoliberalen Geist im Ministerum unter Lindner etwas ändern könnte, ist naiv. Denn der Fall Hoffmann ist die Spitze eines Eisberges und einer jahrzehntelangen Entwicklung, die vermutlich die Teile des Finanzministeriums prägt, die mit der Besteuerung Reicher zu tun haben. Journalisten versäumten, hier genau zu recherchieren.



    So grotesk ist der Fall Hoffmann, besser hätte sich das ein Drehbuchschreiber im Film kaum ausdenken können. Der Fall verdeutlicht, wie sicher sich die Lobby der Finanzbranche und mit ihr verbundene Finanzbeamte und obskure Anwaltskanzleien fühlen. Sie fühlen sich auch moralisch im Recht, weil sie so großen Erfolg hatten. Denn mit Hilfe der Lobby und der ihr ergebenen FDP- SPD- und CDU Politiker verringerten sich die Steuersätze für die Superreichen und ihre Konzernbeteiligungen in Deutschland von Jahr zu Jahr. Die Gründung der AFD mit Hilfe reicher Spender ist die logische Konsequenz dieser fatalen Entwicklung.

    • @Lindenberg:

      "... Die Gründung der AFD mit Hilfe reicher Spender ist die logische Konsequenz dieser fatalen Entwicklung."



      So wie Sie zum letzten Satz hinleiten nicht wirklich. Die Interessen der Reichen sind ja offenbar durch SPD, FDP und CDU vertreten worden. Warum also eine andere, neue Partei unterstützen? Es sei denn aufgrund des Prinzips Gießkanne und der Strategie, sich die Unterstützung fast aller Parteien zu sichern.

      • @Uranus:

        Die AfD bietet aber noch ungeahnte Möglichkeiten, die sich im derzeitigen Rechtsstaat nicht verwirklichen lassen.

        "Die Reichen" sind außerdem ja wohl kaum eine homogene Gruppe, die geschlossen ihre Zuschüsse koordiniert. Insofern ist die Gießkannen-Metapher schon etwas schräg.

  • Der FiMi Lindner kann doch nichts dafür. Hat er die Gerda doch vom Vorgänger geerbt?

    • @LeKikerikrit:

      Sie haben recht, hier stimmt etwas nicht 😉. Eine Ministerialrätin, hm, zumindest ab A16, da müsste doch jemand die Dienstreise genehmigt und von dem Dienstgeschäft etwas gewusst haben 🤔, aber gewiss nichts davon geahnt haben, was die Beamtin sagen würde. 🫣🥱🤭

  • Im Rahmen der Gesetzeslage sollen Finanzbeamte durchaus auch Auskünfte und Hinweise zu Steuersparmöglichkeiten geben, aber bitte dann für alle Steuerzahler.

    • @Pfennig:

      Ach was! ©️Loriot 💯

      Nö. Normal •

      unterm—— Sie wissen schon —-



      “Wer den Pfennig nicht ehrt…“



      oder “Wenn der Senator erzählt…“



      Dege laß gehn -



      www.youtube.com/wa...BlcnrDpGhsdA%3D%3D

      Na Mahlzeit

    • @Pfennig:

      Da wäre mir der Begriff "Steuer-Spar-Möglichkeiten" zu unscharf. 😉

  • "Und gleichzeitig sollen zum Jahreswechsel Kinder- und Grundfreibetrag steigen. Das ist ein milliardenschweres Steuergeschenk"

    Freistellung des Existenzminimums "ein Geschenk"? Geht's noch?

  • Hochbezahlte Staatsdiener, die gegen den Staat arbeiten, das ist schlichtweg asozial. Gegen die Gemeinschaft, gegen die Schwachen, gegen den Nutzen für alle. Das ist nicht nur korrupt, das Schreckliche ist, dass solche Leute ernsthaft glauben, die Reichen und Erfolgreichen seien die wertvolleren Menschen. Das ist aber nicht der Fall, das beweist sich schon aus solchen Veranstaltungen wie hier beschrieben. In Wirklichkeit handelt es sich um Parasiten.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Ähnlich zustimme ich. .. Jedoch gibt es auch Vernünftige. Siehe beispielsweise die Bewegung "umfairteilen", oder die 'Gruppe Alternative Wirtschaftspolitik'.