piwik no script img

„Free Palestine from German Guilt“Der Antisemitismus der Progressiven

Ulrich Gutmair
Essay von Ulrich Gutmair

Deutsche Obsession mit der Shoah blende palästinensisches Leid aus, behaupten Aktivist*innen. Sie selbst dämonisieren Juden als Weiße Kolonisatoren.

Passanten am Tag nach dem Novemberpogrom von 1938 vor einem jüdischen Geschäft in Berlin Foto: George Pahl/AGB Photo/imago

I n der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 organisierten SA und SS ein Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung des Deutschen Reichs. Tags zuvor hatte NS-Propagandaminister Joseph Goebbels das Startsignal gegeben. Ausschreitungen gegen Juden seien „von der Partei weder vorzubereiten noch zu organisieren“, soweit sie aber „spontan entstünden“, sei ihnen „auch nicht entgegenzutreten“. Die Botschaft wurde verstanden.

Der „spontane“ Ausbruch der Pogromwelle hatte den gewünschten Erfolg. 30.000 Jüdinnen und Juden wurden in Konzentrationslager verschleppt, über 1.200 Synagogen niedergebrannt. Insgesamt starben etwa 1.300 Menschen. Sie hatten sich aus Angst das Leben genommen, sie waren erschlagen, niedergestochen oder auf der Straße oder in Haft misshandelt und zu Tode geprügelt worden. Noch Jahrzehnte später wurde das Novemberpogrom als „Kristallnacht“ verharmlost.

85 Jahre später, am Morgen des 7. Oktober 2023, überwinden aus Gaza kommende Mordkommandos der islamistischen Hamas, die aus ihrem Programm der Vernichtung von Juden nie einen Hehl gemacht hat, die israelischen Grenzanlagen. Sie überfallen nahegelegene Kibbuzim und töten Frauen und Männer, Babys und Alte. Sie erschlagen, erschießen und verbrennen Menschen bei lebendigem Leib, verstümmeln die Leichen. Manchmal nehmen sie ihren Opfern die Telefone ab, filmen ihre Ermordung und laden sie auf den Facebook-Seiten der getöteten Menschen hoch. Die Vernichtung von jüdischen Menschen dient den Mördern dazu, den Lebenden mit dem Tod zu drohen. Über 1.400 Menschen, vor allem jüdische, aber auch arabische Israelis und ausländische Arbeiter, sterben an diesem Vormittag, über 240 werden nach Gaza verschleppt.

„Free Palestine from German Guilt“?

Jüdinnen und Juden werden als gefährliche, seelenlose Verkörperung von Moderne, kritischem Geist und Emanzipation markiert. Dies trägt immer schon die Möglichkeit in sich, sie eines Tages nicht mehr nur als Chiffre für alles Übel in der Welt zu betrachten, sondern sie zu vernichten. Was den 7. Oktober mit dem 9. November verbindet, ist der Antisemitismus.

Der 9. November markierte den Beginn der Vernichtung des europäischen Judentums. Niemand schützte die Jüdinnen und Juden Europas davor. Drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Israel gegründet. Seitdem gibt es einen jüdischen Staat und eine israelische Armee, in der auch Drusen, arabische Christen und Muslime dienen. Nachdem diese Armee einige Tage nach dem Massaker Ziele der Hamas bombardierte und viele Zivilistinnen und Zivilisten dabei starben, fanden sich einige hundert junge Menschen vor dem deutschen Außenministerium ein und skandierten: „Free Palestine from German Guilt.“

Ein Teil der deutschen Jugend und ihre internationalen Freundinnen und Freunde meinen also, man müsse „Palästina von deutscher Schuld befreien“. Die Annikas, Thorbens, Sophies und Finns, die diese Formel krakeelen, sind nicht allein. Sie befinden sich in der schlechten Gesellschaft von Intellektuellen wie dem Leninisten Slavoj Žižek und Judith Butler, der Ikone des queerfeministischen und postkolonialen Lagers.

Die antisemitische Erzählung vom Juden als Unterdrücker

Žižek übersetzt den Slogan im Freitag so: „Die Deutschen versuchen sich von ihrer Schuld zu entlasten, indem sie israelisches Unrecht an einer anderen Gruppe befürworten! Die deutsche Besessenheit, auf der richtigen Seite zu stehen, bekommt eine dunkle Kehrseite.“ Nichts an diesen zwei Sätzen ist richtig. Gibt es irgendjemanden in Deutschland, der israelisches Unrecht an den Palästinensern befürwortet? Gibt es Leute, die dieser Tage nicht Mitgefühl mit den zivilen Opfern des israelischen Bombardements im Gazastreifen empfinden? Ich kenne niemanden, ich habe nichts dergleichen gelesen – außer von ein paar rechten Trollen. Es ist daher höchste Zeit, diese Behauptung zu „kontextualisieren“, um ein derzeit beliebtes Verb zu bemühen.

Erstens: Interessieren sich diejenigen unter den globalen „Progressiven“, die das Pogrom der Hamas als Akt der Befreiung feiern, für das Leben realer Palästinenserinnen und Palästinenser? Nein. Denn deren Leid dient nur der antisemitischen Erzählung vom Juden als globalen Unterdrücker, aus dessen möglichst brutaler Ermordung die Feiernden eine perverse Befriedigung ziehen. Das Pogrom ist ein Karneval der Grausamkeit.

Zweitens: Wer sich mit deutscher Nachkriegsgeschichte beschäftigt hat, weiß, dass deutsche „Besessenheit“ gerade nicht darin besteht, „auf der richtigen Seite“ stehen zu wollen. Jene Deutschen, die nicht in der Lage waren, über die Ermordeten der Shoah zu trauern oder Zorn über die Verbrechen der eigenen Mütter und Großväter zu empfinden, entlasteten sich seit den 1970er Jahren aus Gründen der Schuldabwehr eben nicht durch die Identifikation mit Israel und seiner jüdischen Bevölkerung – sondern durch die Identifikation mit den Palästinensern.

Die deutschen Kinder performen selbst die nicht verarbeitete deutsche Schuld

„Wie die Juden Opfer der deutschen Nazis waren, so sind die Araber nunmehr Opfer der Israelis“, schrieb Rudolf Augstein, der lange vor Björn Höcke das Berliner Holocaust-Mahmal als ein gegen Deutschland gerichtetes „Schandmal“ bezeichnete. Wenn Israel mit den Palästinensern dasselbe macht wie die Deutschen mit den Juden, muss man sich nicht mit den Verbrechern im eigenen Stammbaum oder gar der eigenen Mitgliedschaft in der NSDAP oder im Bund Deutscher Mädel auseinandersetzen. Die deutschen Kinder, die heute „Free Palestine from German Guilt“ rufen, verkörpern und performen selbst die nicht verarbeitete deutsche Schuld. Sie haben viele Vorläufer.

Dieter Kunzelmann zum Beispiel. Der Kommunarde plante für den 9. November 1969 einen Bombenanschlag auf das Jüdische Gemeindezentrum in Berlin, der allerdings missglückte. Wenig später schrieb er: „Palästina ist für die BRD und Europa das, was für die Amis Vietnam ist. Die Linken haben das noch nicht begriffen. Warum? Der Judenknax.“

Ich wurde 1968 geboren und fand es in den 1980er Jahren immer verdächtiger, wie wenig Mitgefühl und Wut im Spiel waren, wenn überhaupt über die Vernichtung des europäischen Judentums gesprochen wurde, und mit welch lautstarker Empörung ständig das Unrecht beklagt wurde, das Israel den Palästinensern antat. Um die Behauptung der angeblichen deutschen Obsession mit Israel zu widerlegen, kann ich wahllos in meinen Schrank greifen.

Nehmen wir eine Studie der Bertelsmann-Stiftung von 2007 zur Hand: „Die Meinungen der Deutschen über Israel fallen im Saldo derzeit eher negativ aus. 35 Prozent haben eine gute Meinung von Israel, 44 Prozent eine schlechte.“ Das schlechte Image Israels „dürfte wohl zum Teil mit den Ergebnissen zum Antisemitismus in Deutschland in Verbindung stehen“, heißt es weiter. 33 Prozent der Befragten hatte dieser Aussage zugestimmt: „Juden haben auf der Welt zu viel Einfluss.“

Die deutsche Beschäftigung mit der Shoah sei „provinziell“

Dass die Deutschen einen „Judenknax“ haben, ist gegen jede Evidenz ein Artikel im postkolonial inspirierten Evangelium. Die Fixierung auf den Antisemitismus sei von einem Übereifer bestimmt und lenke die Aufmerksamkeit vom Rassismus gegenüber anderen Minderheiten, insbesondere Muslimen, ab. Wer sich zu viel mit Hass auf Juden befasse, habe keine „Empathie“ für die Opfer von Kolonialismus übrig und sei nicht „weltoffen“ genug. Die deutsche Beschäftigung mit der Shoah sei „provinziell“. Es sind Behauptungen, für die es weder Belege noch eine logische Begründung gibt. Wer das Übel des Antisemitismus erkennt, versteht auch das potenziell ebenso mörderische Übel des Rassismus sehr gut. Nur in die umgekehrte Richtung gibt es offenkundig Probleme.

Warum muss die postkoloniale Theo­rie die Existenz des Antisemitismus verdrängen, negieren, als irrelevante Unterform des Rassismus deklarieren oder im schlimmsten Fall sogar reproduzieren? Weil er ihre Grundannahmen bedroht und weil sie selbst eine Tendenz zum antisemitischen Denken hat. Juden waren weder gemäß der amerikanischen Rassenlehre „Weiß“, noch dürften sie gemäß der postkolonialen Theorie, die diese Rassenlehre nicht etwa kritisiert, sondern identitär reproduziert, als „Weiß“ gelesen werden. Wenn die postkoloniale Theorie keine Ideologie wäre, sondern Wirklichkeit beschreiben würde, müsste sie Jüdinnen und Juden als Persons of Color definieren. Stattdessen erklärt sie Jüdinnen und Juden zu „Weißen“ Kolonisatoren im Land der „indigenen“ Palästinenser.

Jüdische, aber auch jesidische und muslimische Opfer des Islamismus haben von der postkolonialen Theorie keine „Empathie“, nicht einmal Aufmerksamkeit zu erwarten. Die Juden, weil sie angeblich „Weiß“ sind, Jesiden und emanzipierte Frauen im Iran, weil ihre Folterer und Mörder keine „Weißen“ sind.

Judith Butler erfindet ein deutsches „Denkverbot“

Wenn die postkoloniale Theorie etwas über die Geschichte Israels wissen wollen würde, wäre ihr außerdem bewusst, dass die Hälfte der Jüdinnen und Juden, die heute in Israel leben, aus arabischen Ländern wie Irak, Syrien, Jemen, Marokko und so weiter stammen. Die Zahl der 1948 aus Israel vertriebenen Palästinenser entspricht ungefähr derjenigen der Jüdinnen und Juden, die nach 1948 aufgrund von Verfolgung und Repressalien aus arabischen Ländern nach Israel flüchteten. Das alles wollen die Ver­fech­te­r*in­nen „globaler Gerechtigkeit“ nicht wissen, weil sonst ihr manichäisches, tendenziell antisemitisches Weltbild kollabieren würde – und damit die Möglichkeit, sich selbst zu erhöhen.

Nach dem 7. Oktober schrieb Judith Butler über das angeblich in Deutschland herrschende „Denkverbot“, über die israelische Besatzung zu sprechen. Dümmeres habe ich den vergangenen vier Wochen nicht gelesen. Das Erste, was ich als Kind von ARD und ZDF politisch gelernt habe, war, das Unrecht der israelischen Besatzung palästinensischen Territoriums westlich des Jordans anzuprangern. Seitdem ist kein Tag vergangen, an dem die israelische Besatzungspolitik nicht Thema in deutschen Medien gewesen ist. Während Butler ein deutsches „Denkverbot“ erfindet, werden an die Türen jüdischer Menschen in Deutschland kurz vor dem 9. November Davidsterne geschmiert. Hier kommt jeder Wunsch nach Kontextualisierung an sein Ende.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Ulrich Gutmair
Kulturredakteur
Kulturredakteur der taz. Hat Geschichte und Publizistik studiert. Aktuelles Buch: "'Wir sind die Türken von morgen'. Neue Welle, neues Deutschland". (Tropen/Klett-Cotta 2023).
Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • Skatelefants , Moderator

    Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

  • 6G
    697919 (Profil gelöscht)

    Schöner Beitrag, danke. Bin aber doch ein bisschen erstaunt, dass das scheinbar vielen erst jetzt auffällt. Mit Identität > universelle Werte haben die doch nie hinter dem Berg gehalten, ja gerne noch angemerkt, dass diese Werte ja sowieso nur kolonialistische Mittel der Unterdrückung sind, man die Rassisten der Aufklärung ohnehin nicht mehr lesen sollte. Aber klar, ganz unproblematische Ideologie ...

  • Als Zusatz, ein Text von Judith Butler, zu den Vorwürfen sie sei Antisemitin, als ihr der Adorno-Preis im Jahr 2012 verliehen wurde. Sehr empfehlenswert



    www.zeit.de/2012/36/Judith-Butler

  • Danke! Der Artikel räumt mit drei großen Irrtümern auf: Erstens – und offensichtlich – ist Deutschland nicht der Musterstaat, in dem alle Bürger:innen ein für allemal jede Spur von Antisemitismus aus ihren Köpfen und Herzen gebannt haben und nunmehr nur noch gegen objektivierbare moralische Standards gehaltene Entscheidungen der israelischen Regierungen kritisieren. Das klang, so präzise formuliert, übrigens auch nie besonders plausibel, oder?



    Zweitens sind Opfer von Gewalt nicht deswegen schon über jeden moralischen Zweifel erhaben, nur weil sie Opfer sind. Das müssen sie auch gar nicht, um mit ihren Angehörigen mitzufühlen und um die Täter:innen zu verurteilen. Der Terror der Hamas bleibt Terror, er bleibt im gleichen Maße verabscheuenswert, auch wenn einzelne israelische Regierungen einigen Palästinenser:innen Unrecht getan haben. Es gibt nichts zu kontextualisieren, nichts zu relativieren, Terror bleibt Terror!



    Drittens kann eine Reaktion klug und moralisch richtig sein und sich trotzdem falsch anfühlen. Wer behauptet die Hamas wegen ihrer Ziele und Taten zu verabscheuen und stattdessen die Leben Unschuldiger beschützen zu wollen, muss zugeben, dass die Zerstörung der Fähigkeit der Hamas, Terror zu verbreiten, ein legitimes militärisches Ziel ist, und muss verzweifeln angesichts der Tatsache, dass es ohne mehr Tote im Gaza nicht zu erreichen sein wird.



    Als Deutsche wurde in unserem Namen ebenfalls Terror verbreitet; vertrauen wir daher, dass Israel die Verhältnismäßigkeit wahrt und Verantwortliche auf beiden Seiten zur Rechenschaft zieht. Mehr steht uns öffentlich zu äußern nicht zu. Das bedeutet aber nicht, dass wir angesichts der vielen Toten, auch Palästinenser:innen, nicht (ver-)zweifeln dürften; im Gegenteil: Das macht uns empathischer als die Täter:innen, die in unserem Namen gemordet haben.

  • was mir in der taz fehlt, ist das „dazwischen“. in der berichterstattung wird suggeriert, dass die gesamte postkoloniale linke antisemitisch sei – meiner beobachtung nach stimmt das aber nicht. die zwischenstufen interessieren mich: was sagen jüdisch-israelische pocs? was sagen jüdische palästinänser*innen? warum bemühen sich deutsche linke mit migrationshintergrund (aus muslimisch geprägten herkunftsländern) scheinbar tendenziell eher um die sichtbarkeit der menschen in gaza? was können wir von genau diesen perspektiven lernen? was heißt es eigentlich, zu sagen, die postkoloniale seite würde sich tendenziell und unreflektiert auf die seite der „underdogs“ stellen, ist das nicht eine form von rassismus oder unterschichtenverachtung?

  • "Gibt es Leute, die dieser Tage nicht Mitgefühl mit den zivilen Opfern des israelischen Bombardements im Gazastreifen empfinden? Ich kenne niemanden, ich habe nichts dergleichen gelesen – außer von ein paar rechten Trollen. Es ist daher höchste Zeit, diese Behauptung zu „kontextualisieren“, um ein derzeit beliebtes Verb zu bemühen."

    Kontextualisierung folgt auf dem Fuße:



    "Erstens: Interessieren sich diejenigen unter den globalen „Progressiven“, die das Pogrom der Hamas als Akt der Befreiung feiern, für das Leben realer Palästinenserinnen und Palästinenser? "

    Tatsache ist: Das Netz ist voll von "selbst Schuld" Richtung Gaza.



    Kenne niemand "Progressiven", der/die das Massaker der Hamas "feiert".

    Weder verharmlosende noch schäbige Rhetorik bringt uns weiter.

    Für mich das eigentliche Elend:

    Wie konnte es die Welt, d.h. UNO, USA, EU, arabische Staaten ... (Deutschland nehme ich wg des historisch bedingten besonderen Verhältnisses zu Israel aus) zulassen, dass die einzigen auf der Welt, die die berechtigten Interessen der Palästinenser:innen vertreten, radikale Islamisten a la ISIS sind?



    Hört sich im Nachhinein, auch übrigens für Postkolonialisten, nach einem Konjunkturprogramm für Islamisten an. Zumindest dann, wenn man von der Wirkung rückschließt.

    Weshalb wurden die allein gelassen? (Außer von Islamisten)



    Weshalb wurde die 2-Staaten Lösung nicht umgesetzt?



    Weshalb werden stattdessen immer weitere "Siedlungen" zugelassen?

  • Danke für die konkrete Benennung der ideologischen Denkfehler der Postkolonialen.



    Susan Neiman hat es in ihrem von mir geschätzen, von der taz verrissenen Buch auf den Punkt gebracht: Woke ist nicht links. Die Universalität der Menschenrechte ist nicht relativierbar, Punkt.



    Frau Butler und ihre Anhängerschaft erscheinen hochgradig selbstgerecht und emphatiebefreit. Reduktionismus ZweiPunktNull.



    Zum Trost werde ich mir vielleicht noch mal den Polizeiruf "Little Boxes" anschauen.



    Wer mag: www.ardmediathek.d...MTdfMjAtMTUtTUVTWg

  • Kluger Beitrag, der die wichtigsten Verwerfungen unserer Szene bloßlegt.

  • Der Artikel möchte blinde Flecken aufzeigen und strotzt doch nur so von selektiver Wahrnehmung. Ich bezweifle, dass der Nahostkonflikt sich dafür eignet, mit durchaus kritikwürdigen Auswüchsen postkolonialer Theorie abzurechnen. In letzter Zeit schreibt ein Artikel vom anderen ab, "dass die Hälfte der Jüdinnen und Juden, die heute in Israel leben, aus arabischen Ländern wie Irak, Syrien, Jemen, Marokko und so weiter stammen." Das übergeht die Tatsache, dass die Gründung des Staates Israel ein europäisches Projekt war und zudem im Kontext imperialer Aufteilung der Territorien des Osmanischen Reiches vorangetrieben wurde. Ein Problem in der (sehr polemischen) Betrachtung von Herrn Gutmair scheint mir zu sein, dass Empathieforderungen mit historischer Analyse von Macht- und Interessenpolitik vermischt werden. Andere Betrachtungsweisen als "dumm", "manichäisch" und "antisemitisch" zu beschreiben, hilft leider überhaupt nicht weiter, sondern befördert eine Verschärfung des Diskurses, in dem der Gegenseite jeweils das Schlechteste unterstellt wird.

  • Sehr treffende Analyse.

    Wäre die internationale Linke ansatzweise reflexionsfähig, dürfte es nach 10/7 kein "Weiter so" geben, sie müsste Kulturtheorien, Konzepte und Glaubenssätze dringend auf den Prüfstand stellen, speziell in Bereichen wie Intersektionalität, Postcolonialism oder Identity Politics, die allesamt erhebliche gefährliche Leerstellen aufweisen. Statt einer Solidarisierung mit den Opfern des Pogroms oder zumindest einem Innehalten ist sie jedoch Motor eines globalen antisemitischen Furors, der nicht nur in seiner "Israelkritik" jegliche Rationalität verloren hat, sondern obendrein eine ganz reale Bedrohung für Jüd:innen geworden ist, wenn auf Flughäfen, in Starbucks-Cafés und US-amerikanischen Unis regelrecht Jagd auf sie gemacht wird, wenn Thunberg die Massaker als Akt des Widerstandes feiert, wenn Wohnorte von Jüd:innen in Deutschland wieder "markiert" werden. Würden die Vorreiter:innen der Bewegung natürlich selber nicht machen, notfalls distanziert man sich auch, aber im gleichen Atemzug wird weitergezündelt.

    Will die Linke wieder zu einer ernstzunehmenden progressiven Kraft und Kritikerin der herrschenden Zustände werden, muss sie ihr Antisemitismusproblem dringendst reflektieren und aufarbeiten. Anderenfalls ist sie im Arsch.

    • @hypnos:

      Danke für Ihre treffende Einschätzung!!!!

  • Ales richtig. Trotzdem befremdet mich der Umgang (auch in der taz) mit der Einstufung Israels als Apartheidsstaat durch alle großen, namhaften sowie seriösen Menschenrechtsorganisationen bis heute und macht mich äußerst skeptisch hinsichtlich der diesbezüglichen Berichterstattung.

  • Ein herausragender Artikel - vielen Dank dafür.....der ist allein schon das Geld für die taz wert, wie hier mit zahllosen Mythen aufgeräumt wird und Widersprüche offengelegt. Besser geht es nicht.

  • Vielen Dank für diesen Text.

    Er bringt die ganze Problematik ganz ohne jeden Schaum vor dem Mund präzise auf den Punkt.

  • Sehr guter Artikel! Danke!

  • Aus ihrem politischen Impetus hat die postkoloniale Theorie ja nie einen Hehl gemacht; nachzulesen in jeder Einführung zum Thema. Über Jahrzehnte hinweg zu einem geschlossenen Glaubenssystem verstetigt, sind viele Veröffentlichungen aus dieser Ecke wegen ihres hohen Grades an Selbstreferenzialität wissenschaftlich eigentlich nicht mehr rezipierbar.

    Im Grunde wundert man sich nur, wie ein derartig simplifizierendes, auf der Dichotomie von Gut und Böse aufbauendes Weltbild akademisch derart rüssierend konnte.

    Zur Ergänzung des Essays von Gutmair lesenswert jungle.world/artik...e-mehrheitsmeinung

  • wow, endlich Klartext, endlich Kontext da wo er schmerzlich vermisst wird, endlich den vielen Irrlichtern den Spiegel vorhalten . Danke Ulrich Gutmair. noch mehr Kontext gefällig: wo ist die Solidarität der arabischen Länder die wirklich hilft? wo sind die Moslems die Lösungen suchen und nicht nur Rache und Gewalt? wo ist die Solidarität der LGBT community die in Israel beschützt wird und im arabisch/iranischen Raum mit tödlicher Gewalt verfolgt wird? wo sind all die Linken wenn es um Völkermord in China, Russland (Tschetschenien), China (Uiguren) Syrien, Sudan, Ruanda etc geht? wie wenig selbstreflektiert muß man sein um diese Einseitigkeit übersehen zu können. Es schreit zum Himmel!