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Deutsche IndustriepolitikRobert Habeck mal ganz großzügig

Der Wirtschaftsminister will den Rest dieser Amtszeit nutzen, um den Industriestandort zu stärken. Firmen werden um 50 Milliarden Euro entlastet.

Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck will eine aktive staatliche Förderpolitik betreiben Foto: Liesa Johannssen/reuters

Berlin taz | Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will die deutsche Industrie in den kommenden vier Jahren um 50 Milliarden Euro entlasten. Davon sollen vor allem kleinere und mittelgroße Unternehmen profitieren. Das geht aus einem 58-seitigen Papier zur neuen Industriestrategie hervor, das Habeck am Dienstag vorgelegt hat. Das Papier ist allerdings nicht innerhalb der Bundesregierung abgestimmt.

Habeck will die zweite Hälfte der Legislaturperiode nutzen, um die produzierende Wirtschaft zu stärken. „Wir wollen Deutschland als starken Industriestandort in seiner ganzen Vielfalt erhalten“, sagte er.

Die Standortbedingungen in Deutschland hätten sich verschlechtert, weil über lange Zeit nötige Reformen ausgeblieben wären, heißt es in dem Strategiepapier. Die Bundesregierung habe bereits einiges auf den Weg gebracht. „Wichtige Schritte sind aber noch zu gehen – insbesondere bei der Energiewende, bei der Sicherstellung wettbewerbsfähiger Strompreise, bei der weiteren Planungsbeschleunigung und Entbürokratisierung sowie der konkreten Umsetzung der Fachkräfteeinwanderung.“

Der Wirtschaftsminister will eine aktive staatliche Förder- und Ansiedlungspolitik betreiben und – mit Blick auf die subventionsfreudigen USA und China – die einheimische Industrie vor unfairem Wettbewerb schützen. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, soll es Anreize für ältere Beschäftigte geben, länger zu arbeiten. Außerdem will Habeck die Speicherung von CO₂ in unterirdischen Lagern voranbringen und fördern. Dazu soll noch ein eigener Plan vorgelegt werden.

Habeck will den Brückenstrompreis

Die Industriestrategie sieht auch einen günstigen Strompreis für energieintensive Betriebe vor, den sogenannten Brücken- oder Industriestrompreis. Die infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine stark gestiegenen Energiepreise belasten viele Unternehmen, etliche haben deshalb bereits die Produktion heruntergefahren.

Ob ein Industriestrompreis kommt, ist aber weiterhin unklar. Die Ministerpräsidenten der Länder, die Gewerkschaften, die SPD-Bundestagsfraktion und große Teile der Industrie sind dafür. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die FDP lehnen einen Industriestrompreis aber ab.

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18 Kommentare

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  • Dass die grüne Basis auf Habeck hereingefallen ist, hat ihr nachhaltig geschadet: Habeck hat eine CDU, die von stramm rechten Hinterbänklern kontrolliert wird, wie der sogroß gemacht, dass bei den letzten Wahlen in seinem 'Heimatland' S-H Daniel Günther und seine CDU ohne große Leistungen wieder 40% der boch zur Wahl gehenden Mitbürgerinnen und -bürger erhalten hatten und die noch nicht völlig frustrierten 'Grünen' zum Bettvorleger degradiert wurden. Ähnliches vollzieht sich in der Ampel durch Lügenbolde wie Lindner oder eine schwache SPD- Performance, wo Habeck seine 'Politik' gerade mit den Profiteuren der Klimakastrophe macht. Grüne, quo vadis ? Am Beispiel Siemens Energy, die nicht zum Zuge kommen, weil alles, was sie zum Ausbau der Windenergie gebrauchen könnten, gerade aufgrund der Nachfrage und billigerer Mitbewerber, teurer wird, wird deutlich, dass mit mnarktwirtschaftlichen Methoden der Klimakatstrophe keinen Einhalt geboten werden kann. Habeck jetzt als der Retter des Kapitalismus ?

  • Heute redet Herr Habeck vom Bürokratrieabbau, dabei hat er gerade das Bürokratiemonster Energiegebäudegesetz durchgepeitscht.



    Diese Ampel hat 2022 173 neue Gesetze verabschiedet, von wegen Bürokratrieabbau, diese Regierung macht alles nur noch komplizierter.

  • Ich empfinde es als pervers, dass eine vom Volk (und nicht von der Industrie) gewählte Regierung der Industrie den Strom fast schenkt, uns aber dafür zur Kasse bittet.



    Ich empfinde es als pervers, dass Konzerne Rabatte erhalten, der Bäcker und die Rentner mit wenig Rente aber den vollen Strompreis zahlen müssen.

    Vorschlag zur Gerechtigkeit: Streichen sie alle Steuern und Abgaben die auf dem Strompreis lasten, das nutzt der Industrie und ihren Wählern, Herr Habeck.

  • Herr Habeck hat sich mit seinem Projekt, das jahrzehntelang von der Union geführte Wirtschaftsministerium zum Klimaschutzministerium umzubauen, völlig verhoben. Sein Haus hat ihn zum Bettvorleger gemacht, der CDU-Politik in Reinform betreibt. Denn wohlgemerkt: Die FDP ist gegen seine Pläne.



    Es zeigt sich einmal mehr, dass den Grünen jegliche Erfahrung in der Bundespolitik fehlt und sie von ihren großen Partnern an die Wand gespielt werden, was umso schlimmer ist als sowohl Union als auch SPD in der Regierung weit in die Mitte rücken und in der Tendenz Mitte bis leicht rechts der Mitte landen (wenn man von der Mitte der möglichen Politik ausgeht).



    Diese Industriepolitik erhält kurz- bis mittelfristig die Arbeitsplätze in einigen Branchen, und sorgt damit gefühlt für Stabilität. Sie fährt aber auf Sicht, führt zu zunehmender sozialer Spaltung und ist nicht einmal ökonomisch nachhaltig, da Infrastruktur zugrunde gerichtet wird aufgrund eines resultierenden Sparzwanges und mangelnder Investitionen.



    Zugunsten der Auto-, Chemie- und Agroindustrie wurden so bereits die Deutsche Bahn, die Solaranlagen- und Windradproduktion sowie der Anschluss an international gängige Digitalangebote verspielt.



    Diese Regierung war angetreten, um genau das zu ändern und hat sich auch deswegen zerlegt, weil Habeck (und in geringerem Maße Baerbock) seine Fähigkeiten ein Bundesministerium zu leiten, massiv überschätzt und von Beginn an mit Fehlern geglänzt hat. Schon das Ende der KfW-Förderung für energetische Sanierung ohne Ersatz hat seine GEG-Novelle zum Scheitern verurteilt und dem Klimaschutz unermesslichen Schaden zugefügt.



    Die Rechnung für die nunmehr zu erwartenden weiteren zehn bis zwanzig verschenkten Jahre wird Deutschland dann anschließend präsentiert bekommen. Und Robert Habeck hat an vorderster Front mitgewirkt.

  • (zitat)



    „Wichtige Schritte sind aber noch zu gehen [...] Entbürokratisierung“ Der Wirtschaftsminister will eine aktive staatliche Förder- und Ansiedlungspolitik betreiben



    (ende)

    Lieber Herr Habeck und einen Gruß an die ganze Regierung.



    Beide Sätze schließen sich so ziemlich aus. Förderpolitik ist immer mit Bürokratie verbunden. Wenn ich lese, dass man 50 Milliarden Euro aus irgendwelchen Fördertöpfen verteilen möchte, macht man aus Deutschland keinen "starken Industriestandort" sondern einen subventionsabhängigen Patienten.

    Es gibt Schätzungen welche sagen, dass 2022 der Bürokratieaufwand knappe 6 Milliarden Euro betragen hat. Hinzu kommt der - leider nicht messbare - Soft-Faktor Stress.



    Auf der einen Seite pro Jahr mit 12,5 Milliarden Euro subventionieren, auf der anderen Seite 6 Milliarden Aufwand durch Bürokratie. Wenn man eine Wirtschaft zügeln oder gar lähmen will, dann genau so.

  • Fein, dass auch Habeck inzwischen die Auswirkungen hoher Energiepreise zu bemerken scheint und vorhat, den Ergebnissen der eigenen Politik zu begegnen. Der Slogan "Die Sonne schickt keine Rechnung" hat offenbar ausgedient. Jetzt fehlt noch die Erkenntnis, dass auch der Atomausstieg, das Heizungsgesetz und die geplante vollständige Ersetzung der Verbrennungsmotoren durch Elektromotoren ein Programm zur Abschaffung des hiesigen Wohlstands sind, ohne zum "Klimaschutz" Nennenswertes beizutragen.

    Bemerkenswert ist Habecks Ankündigung, einen Plan zur unterirdischen CO2-Speicherung vorzulegen. Diese Methode wurde von den Grünen doch bisher noch nie ernsthaft als Mittel gegen den Klimawandel in Betracht gezogen.

  • taz: " „Wir wollen Deutschland als starken Industriestandort in seiner ganzen Vielfalt erhalten“, sagte er."

    Da fehlt aber noch ein Nachsatz: "... damit Deutschland weiterhin der der klimaschädliche Exportweltmeister von Europa bleiben kann."

    Vielleicht sollte sich der Minister für Wirtschaft und "Klima" mal überlegen, weshalb viele Bürger die Grünen gewählt haben und wohin uns das klimaschädliche Wirtschaftswachstum schon gebracht hat. Wir brauchen ein umweltschonendes Wirtschaftssystem und keine weitere Ausbeutung von Mensch und Planet, nur weil Manager ihr Monopolyspiel weiterspielen möchten und Politiker mit ihrem "Job" (der von den Steuern der Bürger gezahlt wird) wohl total überfordert sind. Glauben die Grünen wirklich, dass sie mit so einer Politik eine Zukunft haben oder möchten sie wie 'Die Linke' demnächst auch unter 5 Prozent fallen?

    • @Ricky-13:

      "Vielleicht sollte sich der Minister für Wirtschaft und "Klima" mal überlegen, weshalb viele Bürger die Grünen gewählt haben und wohin uns das klimaschädliche Wirtschaftswachstum schon gebracht hat. "

      "Viele" Bürger ist wohl leicht übertrieben. 14,8 Prozent haben die Grünen bekommen, also haben 85,2 Prozent der Wähler die Grünen NICHT gewählt. Und diesen Menschen ist ein Wirtschaftssystem, das in D Arbeitsplätze sichert (egal um welchen Preis) lieber als eines, das zuvorderst umweltschonend ist.

  • Und ich habe immer geglaubt Wind und Sonne schicken keine Rechnung.

  • Traurig - die Grünen sind wirklich nur noch eine grün angepinselte FDP.

    • @Nacktmull:

      Falsch! Die FDP ist gegen diesen Strompreisrabatt.

  • Von seiner Bühnenshow à la Steve Jobs mal abgesehen. Erst führt Habeck die Bürger mit seiner teuren Idee der umweltfreundlichen Energiegewinnung in finanzielle Schieflagen und sorgt dafür, dass die Industrie im internationalen Vergleich nicht mehr konkurenzfähig produzieren kann. Dann erdreistet er sich, die Industrie mit des Bürgers Steuergeld zu subventionieren. Eine bodenlose Frechheit.

    • @werner offergeld:

      Ein Staat braucht kein Steuergeld, um Ausgaben zu finanzieren:

      "Der Staat hat das Monopol auf seine Währung. Nur er darf Geld erzeugen. Und das bedeutet, dass er so viel Geld ausgeben kann, wie er braucht. Nur seine eigenen politischen Gesetze wie die Schuldenbremse oder die Defizitregeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts hindern ihn daran."

      www.oekologiepolit...fn7gp_CqM0RuxG5kVo

      www.pufendorf-gese...d-mit-der-tastatur

      Die Politik ignoriert jedoch diese Tatsache. Die Defizitregeln sollten vielmehr nach der Endlichkeit der Ressourcen ausgerichtet werden. Dann müsste man auch keine Inflation durch mehr Geld befürchten.

      Anders als oft behauptet ist Gelddrucken keine Ursache von Hyperinflationen sondern höchstens eine Folge.

      Ursachen sind vielmehr Angebotsschocks durch z.B Kriege, Embargos oder Missernten:

      www.geldfuerdiewel...gen-buch-inflation

  • Äh, sorry, der Link fehlt:



    www.tagesschau.de/...strategie-102.html

  • "Habeck will den Brückenstrompreis"



    Vergl. hierzu [1]: "Der Wirtschaftsminister stellt für eine Stärkung der Industrie perspektivisch auch die Schuldenbremse infrage."



    Das kann interessant werden: Schuldenfinanzierte Subventionen...

  • Das geht so nicht, keine Steuergeschenke an globale Konzerne!

  • Wäre ein Teil davon nicht wunderbar in der Bildung untergebracht? Kleinere Klassen und so? Das wäre doch auch gut für die Wirtschaft?

    Ach ja, die Effekte würden natürlich erst nach der Amtszeit sichtbar. Na, dann braucht man nicht weiter zu hoffen.

  • Ist das der Beginn von flächendeckenden Staatssubventionen in chinesischer Manier? Meiner Meinung nach reichen die aktuellen Subventionen schon aus.