Wohnpolitik in Deutschland: Tauschen ohne Mieterhöhung

Wohnungen zu tauschen, ist bislang schwer umsetzbar. Die Linkspartei schlägt nun ein Recht auf Wohnungstausch vor. Ist das möglich?

Kleinkind in einem Umzugskarton

Wenn ein Kind kommt, muss manchmal ein Umzug sein. Der ist oft teuer und schwer Foto: imago

Berlin taz | Es gibt viele Gründe, warum eine Wohnung mit der Zeit nicht mehr zu den eigenen Bedürfnissen passt. Wenn in einer Familie etwa die Kinder ausgezogen sind oder eine Trennung stattgefunden hat, kann eine Wohnung größer sein als notwendig. Oder umgekehrt: Wenn ein Kind dazukommt, wird oft ein Zimmer mehr gebraucht.

Doch der Mietenanstieg der vergangenen Jahre hat insbesondere in den Städten dazu geführt, dass Menschen in ihren Wohnungen verharren – obwohl sie vielleicht zu groß oder zu klein sind. Die naheliegende Idee eines Wohnungstauschs ist in der Praxis nur schwer zu organisieren. Denn hat jemand einen alten Mietvertrag, ist es manchmal günstiger, in der größeren Wohnung zu bleiben, als in eine neue kleinere Wohnung zu ziehen. Insbesondere für die, die mehr Wohnraum benötigen, ist das ein Problem.

Das Wirtschaftsinstitut IW Köln geht in einem Bericht davon aus, dass etwa 6 Prozent der Bevölkerung in Deutschland in tendenziell zu großen Wohnungen wohnen. Als zu groß gilt, wenn eine Person zum Beispiel allein in einer 4-Zimmer-Wohnung wohnt. Gleichzeitig lebten laut Statistischem Bundesamt 2021 in Deutschland etwa 10,5 Prozent der Bevölkerung in einer überbelegten Wohnung – also auf zu wenig Raum. Besonders betroffen sind Alleinerziehende und ärmere Haushalte.

Antrag zur Anhörung im Bundestag

Die Linkspartei würde deshalb ein Recht auf Wohnungstausch gesetzlich verankern. „Wenn zwei Haushalte die Wohnung tauschen wollen, so soll das rechtlich garantiert möglich sein, ohne Mieterhöhung“, erklärt Caren Lay, wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, gegenüber der taz. Das sei „ein einfacher und pragmatischer Vorschlag, der sofort und ohne Kosten umgesetzt werden kann.“ Einen entsprechenden Antrag hat die Linkspartei in den Bundestag eingebracht. An diesem Montag soll es zum Thema eine Anhörung mit verschiedenen Sachverständigen geben.

Mit einem Recht auf Wohnungstausch könne laut Linkspartei der „sogenannte Lock-in-Effekt“ verhindert werden. Dieser entstehe, „weil Neuvermietungsmieten deutlich stärker steigen als Bestandsmieten und ein Umzug in eine andere Wohnung meist einen deutlich höheren Quadratmeterpreis bedeutet“, heißt es im Antrag der Linken.

Jurist Markus Artz

„Es geht nicht darum „alte Menschen aus den Wohnungen zu vertreiben“

Die Idee sei, bei einem Wohnungstausch „den gegenseitigen Eintritt in bestehende Mietverträge unter Beibehaltung der jeweiligen Vertragskonditionen“ zu ermöglichen. Sprich: ohne Mieterhöhungen. Zudem sollen Ver­mie­te­r*in­nen die neuen Tauschmie­te­r*in­nen nur aus „triftigen Gründen“ ablehnen dürfen. Im Antrag wird auf das Mietrecht in Österreich verwiesen, wo ein solches Recht auf Wohnungstausch bereits verankert ist. Darüber hinaus sollen Mie­te­r*in­nen mit kleinem Einkommen nach Vorstellungen der Linkspartei mit einer staatlich finanzierten Umzugsprämie unterstützt werden, und die Kommunen sollen Fördergelder erhalten, um entsprechende Wohnungstauschbörsen aufzubauen.

Doch nicht alle sind von dem Vorschlag überzeugt. Vor allem Konservative und Liberale sehen darin einen zu großen Eingriff in Eigentümerrechte. Professor Martin Günther Häublein, der an der Universität Innsbruck einen Lehrstuhl für Wohn- und Immobilienrecht innehat, ist am Montag zum Thema auf Wunsch der Union als Sachverständiger geladen. Der Vorschlag gebe „der Politik das Gefühl, wieder etwas für die Mieter getan zu haben, ohne dass die angespannte Wohnungssituation spürbar verbessert werden wird“, erklärt Häublein gegenüber der taz. Auch in Österreich, wo es seit 1982 eine vergleichbare Möglichkeit gibt, finde ein Wohnungstausch „nur höchst selten statt“. Es gelte dort als „totes Recht“. Zudem werfe das Vorhaben in Deutschland Rechtsfragen auf, „die bislang vollkommen ungeklärt sind“.

Jurist: „rechtlich umsetzbar“

Auch der Eigentümerverband Haus und Grund sieht darin einen Angriff auf die Vertragsfreiheit von Vermieter*innen, die dann nicht mehr entscheiden könnten, wer in ihre Wohnungen einzieht. Der wohnungspolitische Sprecher der Union, Jan-Marco Luczak, behauptete im Mai, ein solches Recht würde Druck aufbauen, dass Menschen ihre großen Wohnungen verlassen müssen – insbesondere ältere Menschen.

Eine solche Argumentation hält Markus Artz, Professor an der Universität Bielefeld, für falsch. Der Jurist wurde von der SPD als Sachverständiger vorgeschlagen. Es ginge nicht darum, „alte Menschen aus den Wohnungen zu vertreiben“. Niemand könne gezwungen werden, in eine kleinere Wohnung zu ziehen. Artz steht dem Vorschlag der Linkspartei „grundsätzlich positiv gegenüber“ und hält ein solches Vorhaben auch rechtlich für umsetzbar. Gegenüber der taz verweist er darauf, dass in Deutschland bereits ähnliche Regelungen bei der Untermiete gelten. Auch da müssten Vermieter grundsätzlich zustimmen, es sei denn, die neuen Mie­te­r*in­nen gelten als unzumutbar. Da ein solches Vorhaben für Ver­mie­te­r*in­nen aber „nicht besonders lukrativ“ sei, kann sich Artz vorstellen, dass man „einen geringfügigen Neuvermietungszuschlag auf die bisherigen Mietkonditionen gewähren könnte“.

Tatsächlich gibt es auf kommunaler Ebene bereits einige Versuche, solche Wohnungstausche zu organisieren. In Berlin betreiben zum Beispiel die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften seit September 2018 eine gemeinsame Wohnungstauschbörse. Auch da gilt: Wenn sich zwei Tauschpartner zusammenfinden, bleiben die Nettokaltmieten beider Wohnungen bestehen. Seit Bestehen wurden 533 Tausche durchgeführt, erklärt David Eberhart vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen der taz. Tendenz steigend: 2019 waren es 72, 2022 waren es 160. Doch auf fast fünf Interessenten, die gern eine größere Wohnung hätten, kommt nur ein Interessent, der eine kleinere Wohnung sucht.

Die grundsätzlich „sehr wünschenswerten Tauschverfahren“ hätten auch ihre Nachteile, sagt Eberhart. In den Mitgliedsunternehmen gebe es zum Beispiel eine durchschnittliche Wohndauer von 20 Jahren. Wenn eine Wohnung wegen eines Wohnungstauschs nicht frei wird, beeinträchtige das „die Möglichkeit beispielsweise zum Voranbringen von energetischen und Klimaschutzmaßnahmen“.

Vorschlag bringt „Schwung in die Debatte“

Lösungsvorschläge hat da das Kollektiv Stadtsucht, das in Potsdam seit 2020 Wohnungstausche organisiert und von der Linkspartei als Sachverständige vorgeschlagen wurde. In der Praxis zeige sich, dass neben finanziellen Aspekten auch andere Hemmnisse bestehen. So würden sich Se­nio­r*in­nen oft auch gegen einen Tausch entscheiden, wenn die neue Wohnung nicht ausreichend barrierefrei sei oder in einer unbekannten Gegend liege. Deshalb sollten „Kosten für Instandsetzung und zur Ausstattung für Barrierearmut der Wohnungen über eine einheitliche Fördermittelsystematik abgedeckt werden“, heißt es in deren Stellungnahme.

Für die SPD-Abgeordnete Zanda Martens geht es jetzt darum, „rechtliche Möglichkeiten für die Umsetzung auszuloten und Perspektiven aus der Praxis in Österreich einzuholen“, sagt sie der taz. Auch wenn ein Wohnungstausch kein „Allheilmittel“ sei, müsse man in der aktuellen Situation „alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, „um den Mangel an bezahlbaren Wohnungen auch nur etwas zu lindern“.

Grünen-Politikerin Hanna Steinmüller findet, der Antrag der Linken bringe „Schwung in die Debatte“. Doch das vorgeschlagene österreichische Modell werde „sich nicht so leicht in die deutsche Rechtssystematik übertragen lassen“, sagt sie der taz. Die Grünen haben deshalb eine Juristin aus Österreich als Sachverständige eingeladen, „damit sie aus der Praxis berichten und Sorgen nehmen kann“.

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