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Rechtsradikale bedrohen Ak­ti­vis­t*in­nenNazis gegen Fridays

Kli­mak­ti­vis­t:in­nen erhalten zunehmend Morddrohungen von Neonazis. Früher wurden sie von den Rechten als „Zecken“, heute als „Grüne“ beschimpft.

Im Visier von Neonazis: Klimaaktivist Tino Pfaff im Juni 2020 Foto: Florian Boillot

Berlin taz | Viel wurde sie heraufbeschworen, die Gefahr einer Radikalisierung der Klimabewegung. Doch Fridays for Future gehen noch immer brav angemeldet auf die Straßen, Ende Gelände belässt es bei gewaltfreien Aktionen und die Letzte Generation mag radikal aufopferungsvoll oder nervig sein, aber nicht gefährlich – und schon gar keine „Klima-RAF“. Daran ändern politisch motivierte Ermittlungen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nichts.

Vielmehr deuten Ex­per­t:in­nen genau jene Ermittlungen der bayerischen und brandenburgischen Staatsanwaltschaften als Ausdruck einer radikalisierten gesellschaftlichen Stimmung gegen die Klima­ak­ti­vist:in­nen. Der Wind, der ihnen entgegenschlägt, ist rauer geworden, im Netz und auf den Straßen. Wie radikal und gefährlich das werden kann, machte zuletzt Tino Pfaff, Weimarer Mitgründer von Extinction Rebellion, auf Social Media öffentlich.

Ende August erhielt er Morddrohungen auf sein Handy: „Bei dir beharren wir darauf, dich zu quälen und im Anschluss zu töten“, steht da etwa. Der taz sagt Pfaff: „Der Täter nimmt dabei Bezug zu meinem Klimaaktivismus und fordert, dass ich damit aufhöre“.

Auch Anrufe mit Stimmenverzerrer habe es gegeben. Eine NPD-Nähe habe der Verfasser der Drohungen selbst hergestellt, seine Umtriebe in Netzwerken, die der antisemitischen Verschwörungsideologie einer New World Order anhängen, konnten nachvollzogen werden. Pfaff gilt bei den Behörden inzwischen als gefährdete Person.

Anti-Grün-Sein ist zu einer Ideologie geworden

Für Pfaff ist der Hass nicht neu, aber dieser habe zuletzt eine „ganz andere Qualität“ erreicht. Auch im Netz gebe es deutlich mehr Stimmungsmache: „Ich kann keinen Tweet mehr absetzen, ohne dass sich da in kürzester Zeit Hasskommentare darunter sammeln.“ Dies habe seit der Übernahme des Netzwerks durch Elon Musk massiv zugenommen.

Im realen Leben merkt Pfaff noch eine andere Veränderung: „Wurde ich früher auf der Straße als ‚Zecke‘ beschimpft, heißt es heute einfach: ‚Du Grüner‘.“ Für viele sei das inzwischen ein Schimpfwort für alles Linke und Progressive. Die Debatte über das Heizungsgesetz habe gezeigt, „dass dieses Anti-Grün-Sein schon eine eigene Ideologie geworden ist“.

Erstmals schien diese Entwicklung vor drei Jahren auf, mit dem enormen Zulauf für die Facebook-Gruppe „Fridays for Hubraum“ und massenhaften Vergewaltigungs- und Mordfantasien gegen FFF-Gründerin Greta Thunberg. Weitere Gruppen sind dazugekommen, darunter Hetzseiten, die von dem Automobilclub Mobil betrieben werden, wie der Künstler Arne Vogelgesang in seinem Vortrag „Wie die Rechten die Klimabewegung angreifen“ berichtet.

Hass auf Letzte Generation

Zur Zielscheibe geworden ist insbesondere die Letzte Generation, nicht nur bei rechten Hatern im Netz, sondern auch bei Po­li­ti­ke­r:in­nen und etablierten Medien. Erinnert sei an die Debatte darüber, ob man „Klima­kle­ber“ selbst von der Straße befördern darf. Oder wie es Bild-Kolumnist Joachim Steinhöfel im hauseigenen TV sagte: „Wenn jemand vorgibt, die Welt retten zu wollen, sollte er nicht so dünnhäutig sein, dass es ihm groß etwas ausmacht, wenn etwas Haut auf der Straße kleben bleibt.“

Die Folge: Deutschlandweit fast 150 Ermittlungsverfahren gegen Au­to­fah­re­r:in­nen wegen Angriffen. „Die Stimmung ist massiv gekippt“, sagt auch Jakob Springfeld, Mitgründer von FFF Zwickau. Inzwischen „finden auch vermeintlich unpolitische Leute alles schlecht, was nach Klimaschutz klingt.“

Dabei war es für ihn schon zum Start der Gruppe 2019 nicht leicht: „Man ist 16, hat kein Bock, dass das Klima zerstört wird, und ist dann plötzlich mit Nazis konfrontiert.“ Fotos von ihm wurden veröffentlicht, Nazi-Aufkleber an den Briefkasten seiner Eltern geklebt. Zu einer FFF-Aktion gab es gar eine Gegendemo mit laufendem Dieselgenerator und Bratwurstgrillen.

Geprägt werde die Antistimmung durch die AfD, die die Klimakrise leugne und den Protest als unbegründet zurückweise, so Springfeld. Doch Begriffe wie „Klimahysterie“ kämen auch aus CDU oder FDP. Seine Erfahrungen mit dem Druck von Rechtsaußen hat er in dem Buch „Unter Nazis. Jung, ostdeutsch, gegen rechts“ verarbeitet. Gelernt habe er: „Wir werden kein Thema, auch nicht Klimaschutz durchsetzen können, wenn Faschisten an der Macht sind.“

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17 Kommentare

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  • Was schlimmeres kann ihnen nicht passieren. Denn gegen Rechtsterrorismus hat Verfassungsschutz und Polizei eine verdächtige Beißhemmung. Sie werden private Bodyguards engagieren müssen. Absurd, aber sonst wirds gefährlich.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Das ist der Punkt:



    „Wir werden kein Thema, auch nicht Klimaschutz durchsetzen können, wenn Faschisten an der Macht sind.“

    Und eben auch deswegen wird "Rechts" laufen gelassen. Sie sind wieder da, wenn das Kapital sie braucht. Leider nichts Neues unter der Sonne.

    Übermittler der unbequemen Botschaft werden angegriffen. Erinnert sich sich noch jemand an die Attacken gegen AKW-Bewegte, z.B. Holger Strohm u.v.a.m. ...?

    Die Klima-Panik bei denen, die leugnen, ist schon lange unter der Schwelle da. Nun kommt sie mehr und mehr raus. Greta Thunberg hätte sich allerdings eine andere Art von panischem Verhalten erhofft.

    >> Fünf Jahre nach dem ersten Klimastreik kann man live sehen, wie das Schöne der Klimabewegung in Teilen dem Verhärteten weicht.> Aktivist über Antifaschismus: „Man kann überall Verbündete finden“

  • taz: Oder wie es Bild-Kolumnist Joachim Steinhöfel im hauseigenen TV sagte: „Wenn jemand vorgibt, die Welt retten zu wollen, sollte er nicht so dünnhäutig sein, dass es ihm groß etwas ausmacht, wenn etwas Haut auf der Straße kleben bleibt.“

    Da reicht ja schon das Wort 'Bild-Kolumnist', um so etwas sofort in die richtige Schublade (oder sollte man lieber sagen, in den "richtigen Mülleimer"?) einzuordnen.

    taz: "Inzwischen finden auch vermeintlich unpolitische Leute alles schlecht, was nach Klimaschutz klingt."

    So ist der einfältige Bürger nun einmal, denn der Bürger will nicht mit schlechten Nachrichten (nicht einmal von renommierten Klimawissenschaftlern) behelligt werden. Und der "mündige" Bürger will schon gar nichts davon hören, dass die Erde sich in absehbarer Zeit in eine Dampfsauna verwandeln wird. Da hört der Bürger doch lieber auf solche Leute wie dem Bild-Kolumnisten Joachim Steinhöfel, die dem "mündigen" Bürger erzählen, dass Klimaschützer sein "schönes sorgloses Leben" einschränken wollen und man gegen Klimaschützer rigoros vorgehen sollte, auch „wenn etwas Haut von den Klimaschützern auf der Straße kleben bleibt.“

    Nun ja, Albert Einstein (1879 - 1955) hatte die "Intelligenz" der Menschheit ja schon vor langer Zeit sehr treffend beschrieben: "Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher."

  • Interessantes Land, dieses Deutschland, wo schon eine reale oder vermeintliche Verbindung zu einer strunzbürgerlichen und kreuzbraven demokratischen Partei ausreicht, um auf Todeslisten zu landen.

  • "Zu einer FFF-Aktion gab es gar eine Gegendemo mit laufendem Dieselgenerator und Bratwurstgrillen."

    Bratwurstgrillen bei einer Gegendemo? Das geht natürlich gar nicht, das ist ja beinahe so schlimm wie Morddrohungen!

    • @Olli P.:

      Wie Lustig. Irgendwie nehmen sie das Thema nicht ernst.

      • @Andreas J:

        Das Thema schon, aber nicht die reißerische, sich moralisch ereifernde Art der Berichterstattung, die das Grillen von Bratwürsten als etwas besonders verwerfliches hervorhebt.

  • 6G
    663803 (Profil gelöscht)

    Na danke schön für diese Dämmerung ….. diese Erfahrungswerte der FFF ler haben auch andere bereits um Jahre früher gemacht. Viele Politiker wissen um dieses Vorgehen und haben quasi immer nur geantwortet, rede nicht darüber …. Auch ein Interview von Gerhardt Baum löst da eher Verwunderung aus, warum erst jetzt; vermutlich weil er vorher zu eingespannt war

  • Drohungen, sogar Morddrohungen, gegen politisch Andersdenkende, das geht gar nicht und muss strafrechtlich verfolgt werden. Toleranz und zuhören ist wichtig, auch wenn nicht die eigene Meinung zum Ausdruck kommt.



    Dass jemand der eine gegensätzliche Meinung zur Klimapolitik der Grünen vertritt als rechtsradikal oder als Nazi beschimpft wird, geht allerdings auch nicht.



    Dass es Gegendemonstrationen zu FFF Demos gibt ist doch kein Problem solange man sich an geltendes Recht hält, oder ?

  • "Zu einer FFF-Aktion gab es gar eine Gegendemo mit laufendem Dieselgenerator und Bratwurstgrillen." Die Morddrohungen sind ja schon schlimm, aber _DAS_??? Absolut unfassbar!!! XD

    • @Fabian Wetzel:

      Leuten, die des lustig finden, wird von schlauen Algorithmen als nächstes z.B. das Ballern auf Sixpacks einer bekannten US-Amerikanischen Biermarke wegen deren Werbepartner*innen vorgeschlagen*gähn*.



      de.wikipedia.org/w...be_ich_geschwiegen

  • Der Fossillobby ist auch jeder Verbündete recht. Die haben keine Hemmungen.

    Und oh. Steinhöfel. Ich habe mal nachgeguckt. Der gibt ja einen Müll von sich... uiuiui.

    • @tomás zerolo:

      'Dass Steinhöfel kein Berufsverbot kassiert hat, sagt ja alles, was man schon vor Jahren über die weitere politische Entwicklung Deutschlands wissen konnte.

      Deutschlands erfolgreichster Rechtsbeuger. Es gibt nur wenige so eindeutige Kandidaten für Artikel 18 GG.

  • Rechte, Konservative und Wirtschaftsliberale haben einen riesigen Kackhaufen aus diesem Land gemacht. Ich fühle mich zunehmend unwohl.

    • @Andreas J:

      Geht mir auch so. Zu erweitern auf bestimmte beschränkte Geisteshaltungen im Allgemeinen. Mich stört zunehmend, dass wir diese Menschen immer unter uns haben werden, selbst wenn wir es technologisch und organisatorisch schaffen sollten, trotz einer sich mehr und mehr abzeichnenden Klimakatastrophe Überlebensräume zu schaffen. Wir werden sie immer mitschleppen, sie sind einfach fester Bestandteil der Menschheit. Es reicht anscheinend in der Evolution aus, dass ein bestimmter Anteil einer Population anpassungsfähig ist.

  • Übrigens hetzt da auch Frau Wagenknecht mit. Das sollte man nicht vergessen, wenn man der Frau mal wieder stupide Beifall klatscht.

    • @Dunkelrot:

      Denkschemata, die sich auf gefühlte anstelle realer Gegebenheiten berufen, findet man in allen politischen Lagern. Nicht der individuelle Mensch, jedoch die Menschheit, ist extrem beschränkt.