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Kampf gegen weltweite UngleichheitSteueroasen trockenlegen

Die soziale Schere öffnet sich immer mehr. Was tun? Große Firmen und reiche Privatleute angemessen zu besteuern wäre ein guter Anfang.

Steigende Preise führen zu steigender Armut: Essensverteilung in Ahmedabad in Indien Foto: Ajit Solanki/ap

D ie weltweite Ungleichheit nimmt permanent zu. Oxfam hat kürzlich ermittelt, dass sich das globale Kollektiv der Milliardäre täglich über weitere 2,7 Milliarden Dollar freuen kann. Umgekehrt verlieren viele Arbeiter: 1,7 Milliarden von ihnen leben in Ländern, wo die Inflation höher ist als der Lohnzuwachs.

An Daten fehlt es also nicht, die den obszönen Reichtum der Reichen messen. Trotzdem ändert sich nichts. Dabei ist aus der Geschichte bekannt, was helfen würde: höhere Steuern für Firmenbesitzer und Wohlhabende. Legendär ist US-Präsident Franklin D. Roosevelt, der ab 1935 die Unternehmenssteuer drastisch anhob. Danach verringerte sich die Ungleichheit deutlich.

Dennoch wird der umgekehrte Weg eingeschlagen: Die Steuern für Firmen fallen. In den 1960er Jahren lagen sie im weltweiten Durchschnitt noch bei fast 30 Prozent; 2020 waren es nur noch 18 Prozent. Und selbst diese niedrigen Raten zahlen viele Unternehmen nicht, weil sie ihre Gewinne in Steueroasen verschieben. Allein in Deutschland dürfte sich der Schaden dadurch auf rund 20 Milliarden Euro pro Jahr belaufen.

Luxemburg ist ein besonders krasses Beispiel dafür, wie eine Steueroase die Welt bestiehlt. In dem Großherzogtum leben nur etwa 600.000 Men­schen – aber es kommen dort jedes Jahr 62 Milliarden Dollar an Direktinvestitionen aus dem Ausland an. Das ist fünfmal mehr Geld, als in das große Frankreich geht.

Dieser Steuerdiebstahl soll künftig erschwert werden. Knapp 140 Staaten haben sich darauf geeinigt, dass für Unternehmen eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent gelten soll.

Das ist ein Fortschritt, aber dieser Steuersatz ist zu niedrig. Die Gefahr ist groß, dass die neue Globalsteuer den Eindruck erweckt, den Firmen sei eine höhere Belastung nicht zuzumuten. So könnte die Reform dazu führen, dass die Unternehmenssteuer in den einzelnen Staaten weiter sinkt, bis sie ebenfalls nur noch 15 Prozent beträgt.

Steuerflucht leichtgemacht

Durch Steuersätze allein lässt sich das Problem aber nicht lösen. Reiche Privatpersonen haben sich darauf spezialisiert, ihr Vermögen illegal in geheimen Briefkastenfirmen in Steueroasen zu parken. Das unabhängige Tax Justice Network schätzt, dass die Spitzenverdiener weltweit etwa 171 Milliarden Dollar im Jahr an Steuern hinterziehen.

Die Steueroasen sind meist exotische Eilande wie die Cayman-Inseln oder Bermuda. Doch der eigentliche Steuerraub findet in den großen Finanzzentren New York, London, Zürich, Amsterdam oder Luxemburg statt. Die Briefkastenfirmen in Panama oder auf Malta existieren nur, weil amerikanische und europäische Banken sie bestellt haben. Sie überweisen das Geld in die Steueroasen und nehmen es wieder zurück, nachdem es anonymisiert wurde.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Großbritannien organisiert etwa die Hälfte der weltweiten Steuerflucht. Luxemburg, die Niederlande und die Schweiz steuern weitere 15 Prozent bei. Insgesamt sind die Industriestaaten für 90 Prozent aller Gelder in den Steueroasen verantwortlich.

Europa und die USA könnten die Steuerflucht sofort beenden, indem sie einseitig beschließen, dass ihre Banken keine Gelder mehr in die Steueroasen überweisen dürfen. Doch stattdessen wird der Eindruck erweckt, als wären die kleinen Eilande in den fernen Tropen die Sünder. Diese Lüge ist kein Zufall: Von ihr profitieren die Reichen.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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18 Kommentare

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  • Steueroasen sind parasitär innovative Subsysteme Kapitalismus seit dessen Hegemonie für Kapitalflucht aus klerikalen, säkularen Oligarchen-, Terror-, Unrechtsregimen, aus Schattenökonomien, aber auch Industriestaaten, Handelsbilanzüberschüsse gegenüber importierend ökonomisch schwachen Ländern durch Kapitalexport so als ob auszugleichen, was weltwirtschaftlich in Sackgasse führt. Auffällig dabei, Steueroasen sind in Ländern mit geringer Bevölkerungszahl zu finden ebenso im US Bundesstaat Delaware, US Präsident Joe Bidens Wirkungsfeld als langjährig demokratischer US Senator, im UK exterritorial privat gestiftete Steueroasen dennoch von WTO bei UK Handelsbilanz auf BIP Basis als Kapitalexport auf brit. Boden anerkannt, s. brit. Kanalinseln, Isle of Man, Kaiman Islands, Überseegebieten Royal Steuerparadise, unterlegt mit asymmetrischem Weltwirtschafts-, Weltwährungssystems seit Bretton Wood Abkommen 1944 zugunsten weniger Industrie- zulasten vieler Rohstoff exportierender Länder oder Ländern, die weder über Rohstoffe noch Industrie verfügen. Deshalb wird in Deutschland mit verstetigtem Handelsbilanzüberschuss lange an 300 Milliarden €/anno gerne von Arbeitgeber-, Industrie-. Wirtschaftsverbänden auf deutsche Leistungsbilanz verwiesen, wenn Druck vom IWF, Weltbank, EU, USA kommen, deutschen Überschuss durch Binnenkaufkraft Anstieg auszugleichen, mehr Import zu generieren, weil in Leistungs- anders als Handelsbilanzen deutscher Kapitalexport darunter in Steueroasen ebenso aus Tourismusbranche in Rechnung gestellt, das Bild Deutschlands im Chor der Welthandelspartner geschönt darstellt. Das gilt selbst, wenn Kapitalexport nicht in jene Länder geht, in die Deutschland Güter, Dienstleistungen exportiert, sondern in Steueroasen. Wirksamste Art bei Banken, Versicherungen Riegel davor zu schieben Steuerflucht zu begünstigen ist Gleichbehandlung gemäß Grundgesetz Artikel 3 neben Lohnsteuer auch leistungsloses Einkommen aus Gewinnen über Quellensteuer veranlagt abzuführen

  • Hängt Gerechtigkeit von der Steuer ab? Sind nicht gerade Staaten mit niedriger Staatsquote sozial gerechter? Singapur 16 % Staatsquote und die Schweiz mit 32% gelten ja nicht gerade als weniger sozial als wir, mit einer Staatsquote von 52%

    • @Bernhard Hellweg:

      Das sind beides schlechte Beispiele. Die Schweiz z.B. lebt vom Export und ist internationaler Finanzstandort, allein aus der Binnenwirtschaft wären die sozialen Standards mit diesen Steuersätzen wohl nicht realisierbar. Analog in Singapur .

  • Die Traumwelt von einem antikapitalistischen Bullerbü.

    Wenn 140 Staaten sich zusammenschließen, bleiben immer noch circa 50 Staaten übrig, welches sich als Steuerparadies anbieten. Geld ist sehr flexibel, und jene welche nach Schlupflöcher suchen, sind noch flexibler.

    Auch die Story aus dem Jahre 1935 mit Franklin D. Roosevelt zeigt nur eines: der Effekt war nur sehr kurzfristig. Heute zeigen sich die USA mit einer unvergleichbar großen Ungleichheit in der Bevölkerung.

    Aktiengesellschaften sind keine Almosen-Vereine, andernfalls könnten sie gegen die Konkurrenz nicht überleben. Zudem müssen sich auch alles mögliche im "Dienste" ihrer Aktionäre unternehmen, um möglichst hohe Gewinne zu erzielen.

    Private Holdings handeln quasi analog. Ob Schwarz-Gruppe, BMW-Group, Aldi-Diskounter, ... würden sie ihr Geld nicht gekonnt der Allgemeinheit entziehen, würde die Konkurrenz sie übernehmen.

    Jegliche Idee von einem gerechten Steuersystem ist daher nur Blendfeuerwerk. Man könnte auch darauf hoffen, dass Wasser den Berg von alleine hoch fließt.



    Es hilft nur ein weltweites(!) Umdenken - und zwar wirtschaftlich wie gesellschaftlich. Doch dafür sehe ich in den nächsten 100 Jahren keine reelle Chance.

    • @Mopsfidel:

      "Auch die Story aus dem Jahre 1935 mit Franklin D. Roosevelt zeigt nur eines: der Effekt war nur sehr kurzfristig. Heute zeigen sich die USA mit einer unvergleichbar großen Ungleichheit in der Bevölkerung."

      hm, es gab ja auch diverse Regierungen nach Roosevelt, die größtenteils in die andere Richtung gegangen sind...



      Besonders unter Clinton wurde der Markt dereguliert und Steurn gesenkt.



      Die von Ihnen beschriebenen Effekte sind größtenteils auf einen deregulierten Markt, besonders deregulierte Finanzmärkte zurückzuführen und keine Zwangläufigkeiten.



      Das Märchen, das Regulierungen und Steuern allesamt aus der linken Ecke kommen, ist Unfug.



      Und das höhere Steuern die Wirtschaft drosseln ebenso. Niedrige Steuern befeuern nicht die Realwirtschaft, niedrige Steuern befeuern den Finanzsektor.

      • @nutzer:

        Hallo 'Nutzer'.



        Zur Steuererhöhung von Roosevelt sei gesagt: es handelte sich dabei um einen kleinen Baustein von sehr vielen Maßnahmen (de.wikipedia.org/wiki/New_Deal).



        Und die Steuererhöhung traf größtenteils nur Spitzenverdiener; den Spitzensteuersatz zahlte damals übrigens nur eine Person: Rockefeller. Die gesamten Steuereinnahmen erhöhten sich nur unwesentlich.

        Das Steueraufkommen in den USA liegt übrigens seit über 50 Jahren relativ stabil bei circa 27%. Während andere Länder nach dem Krieg massiv an der Steuerschraube gedreht haben - nicht nur Deutschland. (ourworldindata.org/taxation)



        Eine direkte Korrelation zwischen hohen Steuern und Wohlstand (versus Ungleichheit) lässt sich leider nicht ableiten. Es gibt in jegliche Richtung negative Beispiele.

        Und übrigens: es sind nicht die niedrigen Steuern, welche den Finanzsektor befeuern. Es sind die verdammt niedrigen Zinsen auf das geliehene Geld.

        Kommentar gekürzt. Bitte bleiben Sie sachlich.

        Die Moderation

        • @Mopsfidel:

          doch es sind die niedrigen Steuern, irgendwo muß das ganze Geld aus den niedrigversteuerten Gewinnen, aus den Holdings, aus den Steuervermeidungskonstrukten ja investiert werden, es muß ja arbeiten/mehr werden.



          Die Realwirtschaft profitiert jedenfalls nicht von den Gewinnen die gering versteuert werden, da wird das wenigste Geld reinvestiert.

  • Daran krankt die Welt.



    Die inländische Steuervermeidung sollte aber auch nicht vergessen werden.



    Das Auslagern von Gewinnen in Holdings mit dem Absetzen eigener Kosten als Firmenkosten und der Ausschüttung der minimal benötigen Überschüsse mit 25% Kapitalertragssteuer.



    Google fördert diverse Steuerkanzleien zutage die genau diese Konstruktionen bewerben, einziger Zweck Steuern vermeiden.

    • @nutzer:

      Dort wo Steuern erhoben werden, ist auch die Steuervermeidung nicht weit.

      • @Bernhard Hellweg:

        das ist ja auch in Ordnung, Menschen und Firmen dürfen alles tun was nicht illegal ist.



        Dass der Staat diese Schlupflöcher zulässt, da liegt der Hase im Pfeffer.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Wozu wäre ich reich, wenn ich dadurch nicht so mächtig wäre, um zu lenken, was mit dem angeigneten Geld passiert?



    Steuerflucht stoppen ... vorher kommen Priesterinnen in der Kath. Kirche.

  • Enteignen!!!

  • Wie wäre es mit folgendem zugegeben radikalen Ansatz: Unternehmenssteuern überall komplett weg. Dann gibt es auch keinen Unterbietungswettkampf mehr.



    Auf der Gegenseite progressiv ansteigende Einkommens- und Vermögenssteuern, wobei durch Freibeträge unten wenig und oben viel genommen wird.



    Und natürlich müssen dabei alle Steuerparadiese und -oasen stillgelegt werden.



    Leider alles viel leichter gesagt als getan...



    Die Reichen werden sich wie immer zu wehren wissen und weiterhin pro Person mehr als 100 Tonnen CO2 pro Jahr verursachen, bis die Karre an die Wand fährt.

  • Eine hohe Besteuerung von Unternehmen und Vermögen ist am Ende auch nur sozialdemokratische Symptombekämpfung, die die Ursache ausblendet.



    Auch wenn höhere Umverteilung grundsätzlich zu begrüßen ist, kann die Antwort auf die ungleiche Verteilung nur sein, Eigentum an Produktionsmitteln zu kollektivieren und die Bonzen nach Hause zu schicken. Oder in die Lehre.

    • @Piratenpunk:

      hm, unter Helmut Kohl, (Nicht SPD) lag die Körperschaftssteuer für Kapitalgesellschaften (GmbH`s) 25% unter Rot Grün sank sie auf 15%.



      Was das auch sozialdemokratische Symptombekämpfung?

  • Die Bemessungshöhe der Einkommenssteuern ist ausreichend, wenn sie denn auch so gezahlt wird. Dass man, je reicher desto leichter, sich durch Steuertricks legal davor drücken kann, ist ein Problem der Gesetzgeber in DE und EU.



    Dass Reiche alle legalen Schlupflöcher in Anspruch nehmen mag zwar moralisch total verwerflich sein, ist aber leider Schuld schlechter Gesetzgebung und fehlender Länderübergreifender Regelungen.



    Also sorgt endlich dafür, dass an nicht mehr tricksen kann.

  • Es wäre gut, diese Art der Steuerflucht zu stoppen. Aber der Vorschlag EU und USA müssten nur die Überweisungen dorthin blockieren lassen, klingt naiv. Mit einem kurzen Umweg über London, Dubai, Singapur etc. lässt sich das leicht umgehen. Und kein EU-Politiker wird die dortigen Banken sanktionieren.

  • Wie wahr, Frau Herrmann, traurig, aber wahr...