Bericht zu Ungleichheit von Oxfam: Großer Reichtum, kleine Steuern
Die Entwicklungsorganisation Oxfam kritisiert in einem aktuellen Bericht eine zunehmende Polarisierung zwischen Arm und Reich. Auch in Deutschland.
Das WEF beginnt am kommenden Montag in der Schweiz. Ein paar tausend Manager:innen, Vorstände von Unternehmen und Spitzenpolitiker:innen werden eine Woche die Weltlage diskutieren. Die globale Ungleichheit ist auch dort ein Thema.
Der Reichtum der Milliardär:innen habe nicht nur während der Pandemie, sondern infolge der Inflation auch 2022 deutlich zugenommen, schreibt Oxfam. „95 Lebensmittel- und Energiekonzerne haben ihre Gewinne im Jahr 2022 mehr als verdoppelt.“ Sie hätten 306 Milliarden US-Dollar an Übergewinnen erzielt und davon 257 Milliarden US-Dollar an ihre Aktionär:innen ausgeschüttet. Die Berechnungen basieren auf Vermögensdaten der Schweizer Bank Credit Suisse.
Die Aktivist:innen kritisieren, dass andererseits „828 Millionen Menschen – also etwa jede zehnte Person auf der Erde – hungern“. Nach Angaben der Weltbank sei das die größte Zunahme der weltweiten Ungleichheit und Armut seit dem Zweiten Weltkrieg. Extremer Reichtum und extreme Armut nähmen gleichzeitig zu, schlussfolgert Oxfam.
Die Entwicklung spiegelt sich laut dem Bericht auch in Deutschland. „Vom gesamten Vermögenszuwachs, der zwischen 2020 und 2021 in Deutschland erwirtschaftet wurde, gingen 81 Prozent an das reichste Prozent“ der Bevölkerung.“ Die restlichen 99 Prozent der Bürger:innen hätten nur 19 Prozent erhalten. „Konzerne und ihre superreichen Eigentümer:innen müssen endlich einen fairen Beitrag zum Gemeinwohl leisten“, sagt Manuel Schmitt von Oxfam Deutschland.
Die Entwicklungsorganisation fordert Instrumente wie die Übergewinnsteuer zur Abschöpfung der Inflationsprofite, höhere Erbschaftssteuern unter anderem für Firmenerben und Vermögenssteuern. Die damit gewonnenen zusätzlichen Mittel sollten die Regierungen zum Beispiel in Bildung und soziale Sicherungssysteme investieren.
Eine derartige Gewinnabschöpfung hat die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP für einige Energieunternehmen beschlossen. Ansonsten sind in Deutschland augenblicklich keine Steuererhöhungen für große Einkommen und Vermögen geplant. Auf internationaler Ebene soll bald eine Mindeststeuer für Unternehmen in Kraft treten, die 15 Prozent beträgt.
Kontroverse Debatte um Ungleichheit
Hierzulande läuft seit Jahren eine kontroverse Debatte, wie sich die Ungleichheit entwickelt. Während etwa der Sozialverband und die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung ihren Anstieg beklagen, schreibt Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): Seit 2005 „stagniert die Ungleichheit der verfügbaren Haushaltseinkommen und legt mit kleineren Schwankungen nur noch leicht zu“. Das Europäische Statistikamt teilte kürzlich mit, während der Pandemie habe die Einkommensungleichheit in der EU nicht wesentlich zugenommen.
Anders sieht es bei der Ungleichheit der Vermögen aus. Diese liegt in Deutschland mehr als doppelt so hoch wie die Spreizung der Verdienste. Aber auch sie nimmt nach Zahlen des DIW nicht nennenswert zu. Wobei dieser Befund nur die vergangenen zwei Jahrzehnte betrifft. Betrachtet man hingegen die Periode seit dem Zweiten Weltkrieg, ist der Vermögensanteil der Wohlhabenden und Reichen im Vergleich zur ärmeren Hälfte der Bevölkerung stark gewachsen.
Auch in anderen Staaten hat die Ungleichheit der Vermögen zugenommen. In der Phase des sogenannten Neoliberalismus ermöglichten die Regierungen vieler Staaten den Kapitalbesitzern größere Spielräume. Die Steuern auf Vermögen und hohe Einkommen sanken. Hierzulande wird beispielsweise seit 1997 keine Vermögenssteuer mehr erhoben. Zudem versteckten Millionäre und Milliardäre ihren Reichtum oft in Steueroasen, wo sie kaum Abgaben entrichteten. Auf der anderen Seite nahm die Besteuerung von durchschnittlichen Arbeitseinkommen der normalen Bevölkerung zu, weil die Regierungen die Mehrwertsteuer anhoben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt