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Mögliche UNO-Konferenz zur UkraineNichts als eine Luftnummer

Kommentar von Barbara Oertel

Eine UNO-Friedenskonferenz zur Ukraine ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt unrealistisch. Denn beide Kriegsparteien beharren auf ihren Maximalforderungen.

Häuser im ukrainischen Bachmut nach russischem Beschuss am 27. Dezember Foto: Libkos/ap

E in Hoffnungsschimmer oder PR – eine Front, an der die Ukraine längst gegen Russland obsiegt hat? Die internationale Friedenskonferenz unter Ägide der UNO, die der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba angeregt hat, ist eine Luftnummer. Das ist wohl auch UN-Generalsekretär António Guterres klar. Warum sich einsetzen, wenn beide Seiten, wie gehabt, ihre Maximalforderungen abspulen und es nichts zu vermitteln gibt?

Kyjiw will die Moskauer Führung für die Kriegsverbrechen in der Ukraine juristisch zur Verantwortung ziehen und macht das zur Voraussetzung für die Teilnahme Russlands an der Konferenz. So richtig diese Forderung auch ist – sie umzusetzen könnte Jahre dauern. Erklärtes Ziel der Ukraine ist auch der Status quo ante von 1991 – das heißt die Befreiung aller von Russland seit 2014 besetzten Gebiete, inklusive der Krim.

Das war im März noch anders, als Präsident Wolodimir Selenski vorschlug, Verhandlungen über die Halbinsel zu vertagen. Doch dieses Zeitfenster hat sich, verständlicherweise, längst geschlossen. Demgegenüber weicht auch Moskau keinen Millimeter zurück. Der Kreml fantasiert nach wie vor eine „Demilitarisierung“ und „Entnazifizierung“ des Nachbarn herbei und meint, seine Bedingungen für Gespräche diktieren zu können. Andernfalls werde die Angelegenheit von der russischen Armee entschieden, wie von Außenminister Sergei Lawrow zu vernehmen ist. Wie gut das klappt, ist jeden Tag auf dem Schlachtfeld zu besichtigen.

Und überhaupt: Wer sollte für Russland am Verhandlungstisch sitzen? Dmitri Medwedjew, Ex-Präsident, Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates und seit Neuestem auch erster ­Vizechef der Kommission für militär-industrielle Fragen? Er hat jetzt gefordert, Russ*innen, die sich dem Kriegswahnsinn durch Flucht ins Ausland entzogen haben, bis ans Ende ihrer Tage nicht wieder einreisen zu lassen. Auch wenn der Befund schmerzt: Derzeit scheinen Friedensverhandlungen ferner denn je. Es wird, leider, weiter Tod, Zerstörung und unermessliches Leid geben.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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23 Kommentare

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  • Eine Friedenskonferenz ist gerade deshalb notwendig, weil beide Seiten sich nicht annähern. Die UNO sollte die Initiative ergreifen.

  • Allein über eine Friedenskonferenz zwischen Russland, Ukraine unter der Schirmherrschaft der UNO zu reden, hat den Gewinn, dass Optionen auf was auch immer, Waffenruhe, Gefangenenaustausch, Korridore für Rotes Kreuz, Hilfsorganisationen, NGOs zur Versorgung der Bevölkerung in Kriegsgebieten nicht von den Bildschirmen in den Medien, im Öffentlichen Raum verschwinden, Kriegsgefangenenlager in Russland, Ukraine von OZSE Vertretern*nnen auf ihren menschenwürdigen Zustand gesichert medizinische Versorgung von Kriegsgefangenen hin kontrolliert werden können. Da steht es so denke ich, Beobachter*nnen in Medien bei allen berechtigt kritischen Anmerkungen nicht an, solcher Art von welcher Seite auch immer Bemühungen zu Verhandlungen zwischen den kriegführenden Parteien Russland, Ukraine und über diese hinaus mit indirekt beteiligten Anrainerstaaten dazu Aufnahmeländern von ukrainischen Kriegsgeflüchteten klein zureden unter die Wasserkante zu drücken. Nicht zuletzt, weil im südchinesischen Meer und über dieses hinaus zwischen VR China und Republik Taiwan 2023 weiterer Kriegsschauplatz zu Wasser, in der Luft zu Lande droht mit der Gefahr weltwirtschaftlich weit tiefgreifender Verwerfungen als jetzt bereits für den Ernährungs-, Versorgungsstand der Weltbevölkerung, Sicherung von Schifffahrt Meeressrouten Lieferketten geschützt intakt zu halten. Dort ist längst seit 2021 deutsche Korvette Bayern an der Seite der US Navy stationiert. Das alles und viel mehr will bedacht sein. Wir sollten unseren Zustand der Sorge noch viel mehr alltäglich im Bewusstsein behalten, denke ich.



    Denn alles hängt mit allem zusammen, was wir tun, was wir an Bemühungen, an Ermutigung unterlassen

  • der Adressat dieser "Luftnummer" sitzt vermutlich in den Vereinigten Staaten.

    www.faz.net/aktuel...land-18440302.html

  • "Beide Kriegsparteien beharren auf ihren Maximalforderungen. (...)"Kyjiw will die Moskauer Führung für die Kriegsverbrechen in der Ukraine juristisch zur Verantwortung ziehen."



    Die Verfolgung von Kriegsverbrechen ist jetzt also eine 'Maximalforderung'?



    Kannste dir nicht ausdenken.



    "So richtig diese Forderung auch ist – sie umzusetzen könnte Jahre dauern."



    Deshalb werden ja auch keine Nazi-Schergen mehr vor Gericht gestellt. Dauert alles viel zu lange. Endlich hab ich's verstanden.



    "Erklärtes Ziel der Ukraine ist auch der Status quo ante von 1991 – das heißt die Befreiung aller von Russland seit 2014 besetzten Gebiete, inklusive der Krim."



    Das ist ebenfalls eine Maximalforderung? Nicht zu fassen, dass die Ukrainer wiederhaben wollen, was ihnen geraubt wurde.

    "Der Kreml ... meint, seine Bedingungen für Gespräche diktieren zu können."



    Na ja, was soll er sonst machen? Jedes Fitzelchen an Vernunft in diesem Kontext ist doch Schwäche in russischen Augen.

  • Von maximalforderungen „beider Seiten“ zu schreiben, ist falsche Äquidistanz. Die Ukraine beharrt eigentlich nur auf dem Minimum. Russland ist nun mal ganz und gar und ohne jeden Zweifel im Unrecht. Wenn es auch nur einen Quadratkilometer ukrainischen Territoriums behalten darf, heißt das nichts anderes, als das ein Angriffskrieg sich lohnt. Bei diesem Krieg gibt es nicht irgendwie zwei gleich starke Seiten, die beide nachvollziehbare oder rechtfertigende Gründe haben. Hier gilt nicht das Motto „zum Streit gehören immer zwei.“

  • Die Ukraine wird niemals den Verlust von Gebieten akzeptieren. Selbst wenn es Russland gelingen sollte die Ukraine zu erobern, würden die Ukrainer im Partisanenkampf weiterkämpfen. Russland hat den Krieg verloren, allein schon deshalb weil es seinen Weltmachtstatus verloren hat, die materiellen und menschlichen Verluste die es nicht mal so eben ersetzen kann kommen noch dazu. Die Frage ist eigentlich nur noch wieviel Menschen Putin in den Fleischwolf werfen will, bzw. wie lange die Russen das mit sich machen lassen. Er erkauft sich Zeit, aber die Ukraine kriegt dank NATO tausende neue Soldaten, neue Ausrüstung etc. Russische Soldaten dürfen sich hingegen selber mit allem eindecken um dann in T-62 in die Schlacht geschmissen zu werden, gegen Javelins und HIMARS. Seine Artillerie brennt auch durch die Reserven, früher oder später hat er nur noch die Wahl eines massiven konzentrierten Angriffs mit Panzern, wenn der scheitert, dann überollt die Ukraine seine Armee.

    • @Machiavelli:

      "Die Ukraine kriegt dank NATO tausende neue Soldaten..."



      Wie bitte? Woher? Von wem?

      • @Encantado:

        Die NATO bildet tausende ukrainische Soldaten aus.

  • Tod, Zerstörung und Leid - wenn die russische Seite Tod, Zerstörung und Leid würde beenden wollen, würde sie ihre Truppen zurückziehen hinter die Grenzen der Ukraine, ihre Raketen nicht weiterhin abschießen, auch nicht die iranischen Drohnen. Wo ist das Problem? VIelleicht Donbass & Co. (Von der Krim spreche ich jetzt nicht). Ob die Ukraine weiterhin kämpft, wenn der Donbass weiterhin besetzt bliebe - gab es da nicht auch eine Abstimmung der Bevölkerung? -, wenn das russische Militär sich aus den anderen urkainischen Gebieten zuurückziehen und dort auch nicht mehr die Bevölkerung mit Raketen angreifen würde - einen Versuch wäre es wert.

    • @ja wirklich?:

      "Wenn das russische Militär sich aus den ukrainischen Gebieten zurückziehen und dort auch nicht mehr die Bevölkerung mit Raketen angreifen würde..."



      Ja, wenn. Das wäre jedoch ein Eingeständnis, den Krieg verloren zu haben. Und das geht nicht.

      "Ob die Ukraine weiterhin kämpft, wenn der Donbass weiterhin besetzt bliebe - gab es da nicht auch eine Abstimmung der Bevölkerung?"



      Der war gut! Ein Lacher zwischendurch hebt die Stimmung.

    • @ja wirklich?:

      Es gab eine Abstimmung, an der gerade einmal knappe 4% der Bevölkerung teilnahmen.

      Und wenn das trotzdem gültig ist - wann endlich Verhandlungen über die Übergabe von Kaliningrad/Kralovéc an die Tschechische Republik? Auch dort gab es eine "Abstimmung" ;-)

  • Die Forderungen der Ukraine sind keine "Maximalforderungen", sondern das absolute Minimum. Werden die nicht erfüllt, würde es einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen und der nächste Krieg stünde vor der Tür, weil man als Angreifer nicht nur nicht bestraft wird, sondern auch noch illegal gestohlene Beute behalten darf. Der Einbrecher kommt also nicht in den Knast, er darf auch noch Omas Schmuck behalten, muss aber den Laptop zurückgeben.

  • "Derzeit scheinen Friedensverhandlungen ferner denn je. Es wird, leider, weiter Tod, Zerstörung und unermessliches Leid geben."



    Richtig. Hier kann nur von außen jemand als Vermittler auftreten, der sowohl geeignet ist auf Russland einzuwirken und auch geeignet ist in der Ukarine Gehör zu finden. Und eines ist doch kalr: Waffenlieferungen werden den o.g. Satz nur weiter bestätigen und es wird NIE enden. Russland wird keinen Rückzug antreten und die Ukraine ist eigentlich pleite, das Land ist am Ende, ein weiteres Jahr halten die nicht durch. Und auch die Unterstützung der USA wird nachlassen. Ab 1.1.2023 gilt dort wieder: Amerika fisrt.

    • @Genderer:

      Wie soll der Kompromiss aussehen den dieser Unterhändler aushandelt?

      "Russland wird keinen Rückzug antreten" so wie bei Kyiv, Sumy, Khahrkiv und Cherson...oh.

      "ie Ukraine ist eigentlich pleite, das Land ist am Ende, ein weiteres Jahr halten die nicht durch" Die USA haben gerade ein neues Milliardenpaket geschnürt mit militärischer Unterstützung für das nächste Jahr, die EU hilft dem Staat weiter. Darüberhinaus wird in den USA die Beschlagnahmung russischen Besitzes für die Ukraine vorbereitet, wir haben da auch ein paar Milliarden.

      "Ab 1.1.2023 gilt dort wieder: Amerika fisrt [sic]" das gilt da immer, aber selbst die meisten Republikaner lassen sich die Chance nicht entgehen amerikanische Waffensysteme durch Einsatz in der Ukraine, zu bewerben (HIMARS) und Russland zu schwächen und dadurch auch China abzuschrecken.

  • Und die große Frage: wie kann sichergestellt werden, dass Russland nie wieder seine Nachbarn überfällt? Was Sicherheitsgarantien wert sind, ist offensichtlich.

  • Die Aussage 'beide Parteien beharren auf ihren Maximalforderungen' klingt so, als ob wir den Ukrainern raten, vielleicht doch die eine oder andere Woiwodschaft aufzugeben um des lieben, so sehr gewünschten Friedens Willen. Was ist das für eine Unterzeile angesichts des nun schon fast ein Jahr langandauernden Zermürbungskriegs eines Massenmörders ? Über die Köpfe der Ukrainer hinweg kann es keinen Frieden geben und ob es nach diesem Krieg überhaupt noch einen akzeptablen Friedenspartner der Putin-Lukaschenko-Clique geben kann, möchte ich bezweifeln. Wir brauchen den Frieden mit den Nachbarn in Belarus und Russland, aber nicht mit Despoten.

  • Friedensverhandlungen sind nur dann Friedensverhandlungen wenn sie völlig unmissverständlich klarstellen, dass Verbrechen gegen die Menschheit, insbesondere das Verbrechen eines Angriffskriegs, niemals, niemals, Profite abwerfen dürfen.

    • @Bolzkopf:

      Dann eben keine Friedensverhandlungen sondern Verhandlungen über einen Waffenstillstand. Nennen Sie es wie sie wollen - wenn man den Feind nicht besiegen kann, muss man irgendwann verhandeln.

      • @Jörg Schulz:

        Warum es immer noch Menschen gibt, die der Meinung sind, dass die Ukraine Russland irgendwelche territorialen Kompromisse anbieten müsse, erschließt sich mir nicht. Dazu hat man die Ukraine im Minsker Abkommen schon gedrängt -- da hieß das ganze nur beschönigt "Autonomie-Status." Und den Salat haben die Ukrainer jetzt.



        Unterschrieben hat das ganze übrigens dieselbe russische Führung, die jetzt den Angriffskrieg befohlen hat. Warum also sollte die Ukraine mit denen verhandeln wollen?



        Und warum sollten die Russen verhandeln? Die russische Führung muss diesen Krieg irgendwie gewinnen, sonst ist sie weg vom Fenster -- oder es wie einen Sieg aussehen lassen, und das geht besser, wenn man den Gegner in Grund und Boden gebomt hat. Und ein anhaltender Krieg spielt ihr nur in die Karten: Das ermöglicht, die Repressionsschraube weiter anzudrehen und den anhaltenden wirtschaftlichen Niedergang den westlichen Sanktionen in die Schuhe zu schieben. Abgesehen vom Mobilisationspotenzial eines solchen Krieges. Dass die "Vaterlandsverräter" und der "Abschaum" das Land verlassen, ist auch nicht von Nachteil.



        Wir werden uns damit abfinden müssen, dass es zum einen noch sehr lange gehen wird, bis dieser Krieg zum Erliegen kommt. Und dass es wahrscheinlich keinen Sieger geben wird. Anstatt über Friedensverhandlungen zu reden, die vollkommen unrealistisch sind, sollten wir uns auf diese Szenarien einstellen und uns überlegen, wie wir damit umgehen wollen.



        Und im schlimmsten Fall geht der Ukraine vor Russland die Puste aus. Was dann?

      • @Jörg Schulz:

        Nun ja -- leider ist keine der beiden Seiten dieser Auffassung. Und selbst wenn die Ukraine zu dieser Auffassung gelangen sollte, wird die russische Führung diese Erkenntnis vermeiden müssen, will sie politisch überleben.



        Zum einen beruht das ganze aktuelle russische System auf Unterwerfung. Erinnern Sie sich noch an die Bilder vom Anfang des Jahres, als Putin alle Staatschefs und Lakaien am großen Tisch antanzen ließ? Stellen Sie sich vor, was los ist, wenn die Großrussen die Kleinrussen nicht niedergerungen bekommen!



        Und stellen Sie sich vor, was los ist, wenn die Kleinrussen erfolgreich ein politisches System verteidigen, in dem man Präsidenten abwählen kann -- und damit nicht im Chaos versinken. Warum sollte das bei den Großrussen, Weißrussen und sonst wo nicht auch hinhauen?



        Denken Sie daran: Es geht um die russischen "Sicherheitsinteressen".

      • @Jörg Schulz:

        "...wenn man den Feind nicht besiegen kann, muss man irgendwann verhandeln."



        Bin gespannt, wann Moskau das einsieht...

      • @Jörg Schulz:

        Und wie lange hält der Waffenstillstand? Wie lange bis Russland wieder angreift?

      • @Jörg Schulz:

        Einen Waffenstillstand, der nur als Vorbereitung für den nächsten Angriff dient?