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Proteste der Letzten GenerationBlockieren wird noch teurer

Die staatlichen Maßnahmen gegen Klima-Aktivist:innen werden massiver. Die Polizei in München will von ihnen nun auch Kosten fürs Wegtragen verlangen.

Ak­ti­vis­t:in­nen der Letzten Generation auf einer Hauptverkehrsstraße in Berlin am 7. Dezember Foto: Michele Tantussi/Reuters

Die Ak­ti­vis­t:in­nen der Letzten Generation müssen in München bald auch Polizeikosten bezahlen, wenn der Kleber von der Straße gelöst wird und sie weggetragen oder weggeführt werden. Dies kündigte die Münchener Polizei am Sonntag gegenüber an. Rechtsgrundlage dafür ist unter anderem die bayerische Polizeikostenverordnung, sagte ein Sprecher gegenüber der taz. Trotzdem wollen die Klima-Aktivist:innen heute wieder am Münchner Stachus protestieren.

Die staatlichen Maßnahmen gegen die Klima-Aktivist:innen werden damit nun immer massiver. Für die Letzte Generation dürfte das nicht nur negativ sein, da jede Maßnahme die Chance für neue Öffentlichkeitsarbeit bietet. Wir versuchen, einen Überblick zu geben:

Geldstrafen wegen Nötigung: Wer sich auf eine vielbefahrene Straße setzt, um den Verkehr zu blockieren, macht sich wegen Nötigung strafbar. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Blockade nicht nur kurz und demonstrativ sein soll. Wer sich festklebt, drückt damit in der Regel aus, dass er:­sie nicht bald wieder aufstehen will. Die Nötigung ist eine Straftat, die bei Erst­tä­te­r:in­nen in aller Regel mit einer Geldstrafe von bis zu hundert Tagessätzen bestraft wird. Die Höhe des Tagessatzes bemisst sich nach dem individuellen Einkommen. Nur sehr ausnahmsweise gab es bisher Freisprüche, weil die Nötigung als nicht verwerflich oder durch einen (Klima-)Notstand gerechtfertigt angesehen wurde.

In der Regel werden die Geldstrafen per Strafbefehl (ohne mündliche Verhandlung) verhängt. Per Einspruch kann eine mündliche Verhandlung erreicht werden, in der Regel aber keine Änderung des Strafmaßes. Viele Ak­ti­vis­t:in­nen bezahlen ihre Geldstrafe, andere sind dazu nicht bereit oder in der Lage und rechnen deshalb mit Ersatzfreiheitsstrafen. Diese werden derzeit noch im Verhältnis eins zu eins umgerechnet (ein Tagessatz nicht bezahlte Geldstrafe führt zu einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe).

Ist die Letzte Generation eine „kriminelle Vereinigung“?

Ermittlungsverfahren wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung: Die Staatsanwaltschaft Neuruppin führt ein Ermittlungsverfahren gegen Letzte-Generation-Mitglieder, die regelmäßig versucht haben, Pipelines an der Öl­raffinerie Schwedt (Brandenburg) abzustellen. Nach Angaben der Letzten Generation gab es rund 30 Aktionen an Pipelines. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin wertet diese Aktio­nen als „Störung öffentlicher Betriebe“ und ermittelt wegen dieser Straftaten. Außerdem sollen sich die Ak­ti­vis­t:in­nen an einer kriminellen Vereinigung beteiligt haben, deren Zweck oder Tätigkeit darauf abzielt, Straftaten von hinreichendem Gewicht zu begehen.

Mitte Dezember kam es daher zu Hausdurchsuchungen bei 11 Ak­ti­vis­t:in­nen in sieben Bundesländern, die sich an Pipeline-Aktionen beteiligt hatten. Auch wegen der regelmäßigen Straßenblockaden wird die Einstufung der Letzten Generation als „kriminelle Vereinigung“ diskutiert, es gibt hierzu aber noch keine Ermittlungsverfahren.

Präventivgewahrsam: In Bayern sitzen derzeit zwei Aktivisten in Gewahrsam, damit sie keine neuen Straftaten begehen. Der Gewahrsam ist vom Amtsgericht München bis zum 5. Januar festgesetzt. Rechtsgrundlage hierfür ist das Bayerische Polizeiaufgabengesetz, das Gewahrsam von bis zu 60 Tagen zulässt, um bevorstehende Straftaten zu verhindern. Zeitweise waren in München bis zu 19 Ak­ti­vis­t:in­nen gleichzeitig in Gewahrsam.

Beobachtungen der Letzten Generation zufolge genügt die bloße Ankündigung noch nicht für eine Gewahrsamnahme, vielmehr warte die Polizei die konkrete Beteiligung an Blockaden ab und nehme dann diejenigen Personen in Gewahrsam, die sogleich neue Blockaden ankündigen. In anderen Bundesländern sind die gesetzlichen Fristen für Gewahrsam deutlich kürzer, in Baden-Württemberg zum Beispiel zwei Wochen, in Berlin nur 48 Stunden, weshalb dort noch nicht zu diesem Mittel gegriffen wurde.

Versammlungsverbot: Vor knapp zwei Wochen hat die Stadt München per Allgemeinverfügung verboten, sich auf wichtigen Straßen festzukleben, ohne dies rechtzeitig anzumelden. Der Aufruf zu einer derart verbotenen Versammlung gilt nun als Straftat, die Teilnahme an einer derart verbotenen Versammlung gilt als Ordnungswidrigkeit. Da ohnehin eine Bestrafung wegen Nötigung droht, ist das keine völlig neue Qualität.

Polizeikosten: Die Geltendmachung der Personalkosten für das Loslösen und Wegtragen von Ak­ti­vis­t:in­nen wird von der Münchener Polizei schon seit Längerem geprüft und nun auch konkret angekündigt. In Berlin wird dies schon seit Längerem praktiziert. Nach Angaben der Letzten Generation werden in der Regel rund 240 Euro zusätzlich zu Geld­strafen fällig. Das Geld werde aber nicht sofort eingezogen, oft komme der Kostenbescheid erst Monate später.

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17 Kommentare

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  • taz: "Die staatlichen Maßnahmen gegen Klima-Aktivist:innen werden massiver. Die Polizei in München will von ihnen nun auch Kosten fürs Wegtragen verlangen."

    Das ist doch eigentlich Fitnesstraining für die Polizisten, damit sie nicht zu viel 'Fett ansetzen'. Es wird immer verrückter in diesem Staat, wo man den Verursachern des Klimawandels rote Teppiche ausrollt, aber die Klimaaktivisten mit Strafen mundtot machen möchte, damit das klimaschädliche Wirtschaftswachstum weitergehen kann. Der "Schornstein" des klimaschädlichen Wirtschaftswachstum soll schließlich weiter "rauchen", und dabei stören die jungen Klimaschutzaktivisten offenbar - also möchte man sie am liebsten wegsperren. Junge Menschen die Straßen blockieren sind anscheinend gefährlicher als skrupellose Geschäftemacher, die weiterhin die CO2-Konzentration in der Atmosphäre aus reiner Geldgier erhöhen möchten, und den Klimawandel damit noch mehr "füttern". Vor einiger Zeit hat der 'Guardian' aufgedeckt, dass Energiekonzerne weltweit Milliarden US-Dollar in neue Projekte fließen lassen, mit denen sie die Erderwärmung weiter beschleunigen. Und damit die Konzerne mit ihrer maßlosen Gier den Planeten Erde auch weiterhin ungestört zerstören können, haben wir ja schließlich "die Polizei, dein Freund und Helfer", die immer gerne zu Diensten ist, wenn der Kapitalismus mal wieder in Gefahr ist; wie z.B. jetzt durch Ak­ti­vis­t:in­nen der Letzten Generation, die sich tatsächlich erdreisten gegen das ausufernde Wirtschaftswachstum zu demonstrieren.Der Klimawandel wird immer mächtiger, aber nicht die Verursacher des Klimawandels werden von Medien, Politikern und den Bürgern angeprangert, sondern die jungen Leute aus der Klimabewegung, die das wahre Problem beim Namen nennen.

    "Der Kapitalismus basiert auf der merkwürdigen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden." [John Maynard Keynes (1883–1946), Mathematiker und Wirtschaftswissenschaftler]

  • Mir ist es lieber, wenn Klimaaktivisten sich auf der Strasse sichtbar ankleben als dass sie irgendwo unsichtbar Krähenfüße verstreuen ...

  • Meine Nachbarin ist auch so eine Blockiererin.



    Rücksichtslos und ohne jedes Unrechtsbewusstsein. Dabei ist sie schon in einem Alter, in dem etwas mehr Verantwortungsgefühl erwarten kann!

    Sie wurde bisher noch nicht präventiv in Gewahrsam genommen. Aufwendungen der Behörden musste sie auch keine erstatten. Es gab auch kein Strafverfahren. Nicht mal eine Geldbuße.

    Fast täglich steht ihr Auto auf dem Gehweg. Kein Durchkommen. Ihr ist es völlig gleichgültig dass sie damit Menschen auf die Straße nötigt und einer erheblichen Gefahr aussetzt, ganz gleich ob mit Rollator oder Kinderwagen. Das Ordnungsamt tut nicht dagegen, wegen "Parknotstand". Eindeutig ein Versagen des Rechtsstaats.

  • In Berlin werden Strafanzeigen wegen Nötigung normalerweise eingestellt. Hier dann aber plötzlich nicht. In anderen Bundesländern ist es oft ebenso. Jahrzehnte des Einstellungsstopps haben Folgen. Die Staatsanwaltschaft erhebt aber Anklage, wenn es um die Bestrafung zugunsten der Freiheit des Autoverkehrs geht.

    Sehr treffender Artikel. Die Letzte Generation führt vor Augen, dass die Straßenverkehrsgesetze, die ebenso leben sollen, umgesetzt werden, nicht aber das Klimaschutzgesetz, dessen Verletzung weitaus mehr Tote zur Folge haben wird - Tote vor allem aus den Reihen der Jüngeren, getötet von denen, die dann schon alt oder Tod sind.

    • @Arno Nymer:

      Da liegen Sie leider komplett richtig..

      Selbst die Polizei spricht bei der Praxis (Ahndung) von Falschparkern von einem "Rechtsfreien Raum"...wobei die Weisung dazu (weg zu schauen) offenbar von "ganz oben" kommt"..



      siehe dazu folgenden Link (leider mittlerweile hinter der Paywall):

      www.zeit.de/mobili...sgelder-kontrollen

  • Wer die LG unterstützen möchte..und Spenden..hier ein Link:

    letztegeneration.de/spenden/

  • 1G
    14397 (Profil gelöscht)

    "Alles wird teurer. Nur die Ausreden werden immer billiger."



    Ernst Ferstl

  • Wieviel Tagessätze wohl Volker "Ich baue Autobahnen statt Schilder für's Tempolimit" Wissing und Konsorten wegen Aufnötigung eiuer Politik zahlen müssten, die zur Schaffung von lebensfeindlichen Zukunft hier und Gegenwart im Globalen Süden führt? Oder Markus "Windkraftanlagen - not in my Backyard" Söder ... die Alle werden doch sicher auch angeklagt, oder? Immerhin leben "wir" doch in einem Rechtsstaat, oder?

    • @Uranus:

      Wegen der zeitraubenden Fokussierung auf das Kleben der sogenannten "Letzten Generation" hat die Klimabewegung es verschlafen auf die Gestaltung des europäischen Emissionshandels einzuwirken. Es gab null Beschäftigung mit dem Thema.

      Tanken und Heizen werden nun erst 2027 berücksichtigt. taz.de/Europaeisch...nshandel/!5900500/

    • @Uranus:

      Unterschreibe ich, bleibt noch die Definition und Strafbewertung von "Aufnötigung" zu klären...

  • Und sie haben es in den Amtsstuben immer noch nicht begriffen. Es geht um mehr als ein paar hundert Euro oder ein paar Tage haft. Es geht um den Planten nur soweit reicht der Horizont in den Amtstuben nicht

    • @pablo:

      Es geht um das Gesetz, so wie unsere Parlamente es beschlossen haben. Dem wird Nachachtung verschafft.



      Mit SPD FDP CDU CSU haben wir Autofahrer- Parteien gewählt.



      Viele Bürger vor Ort protestieren gegen Windräder oder Stromleitungen. Wir sind also zum wesentlichen Teil gegen Umweltschutz. Also nicht nur ein paar Amtsstuben

  • Ich hoffe es wird ein Spendenkonto bekannt gegeben, dann würde ich meinen Fußballvereinsbeitrag aufkündigen und dorthin überweisen. Denn die Absperrungen bei den großen Spielen kosten dem Verein nichts, (deshalb tun die auch vermutlich nichts fürs Klima oder die Menschenrechte) und bevor mein Geld bei der Fifa landet schenke ich es Euch lieber für Euren ehrenhaften unermüdlichen öffentlichen Einsatz auf die geltende Gesetzeslage (Klimagrenzwerte, etc.) aufmerksam zu machen, an die sich unsere Politker nicht halten wollen. Damit ihr trotz erlittener Staatsgewalt weiterhin Demokraten bleibt und wir Euch aus Frust nicht verlieren.



    Ich danke Euch.

  • Da wollen die Politiker der csu wohl von ihren geistigen Verbindungen zur AFD ablenken, indem sie hier Scharfmacherpolitk gegen die Klimaaktivistinnen betreiben, die im Gegensatz zu Reichsbürgrn erklärtermaßen offen mit Ausweis und friedlich ihr Recht auf Demonstrationsfreiheit wahrnehmen.



    Auf diese populistische Art; wollen die CSUler nur ultrarechtes Wählerpotential abschöpfen und vom Versagen ihrer jahrzehntelangen Bundes-Politik ablenken. Söder hat doch schon festgestellt, dass Bundespolitik a bisserl heftiger ist als zünftige Landespolitik, wo alle so besoffen sind, dass sie nur noch jubeln können.

    • @StefanMaria:

      Nichts Wissen macht nichts. Die Stadt München wird von einem SPD Stadtrat regiert.



      So sind wohl eine Menge Kommentare entstanden, drauf auf CDU und Konservative und Angst vor Morgen.



      Der Artikel ist sehr gut, wie vieles von Christian Rath, informiert und macht klüger.

      • @Werner Becker:

        Der Artikel ist gut. SPD wie Grüne haben in NRW und Hessen (A49) schon gezeigt, dass der bequeme Weg mit Hilfe der Polizei zwar keine grünen Lorbeeren aber bequemere Politik ermöglicht und den Weg zur politischen Macht freimacht.



        Grüne wie SPD machten hier keine gute Figur. Hier biedern sie sich in München an den Populismus der CSU an.