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Treffen der G7-Außenminister:innenWeniger Protestierende als erhofft

In Münster findet die G7-Au­ßen­mi­nis­te­r:in­nen­kon­fe­renz statt. Die Demos gegen russische Uranlieferungen und für den Frieden waren eher klein.

Annalena Baerbock mit den G7-Außenminister:innen im historischen Rathaus in Münster Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Münster taz | Hunderte Polizeiwagen, Transporter, Polizei-Motorräder, dazu unzählige schwarze Vans, schwere Limousinen und eine in Teilen zum Hochsicherheitsbereich erklärte Innenstadt: Mit dem Treffen der G7-Außenminister:innen hat Deutschlands grüne Außenministerin Annalena Baerbock das sonst eher ruhige Münster in den Ausnahmezustand versetzt.

Enttäuscht dürften allerdings viele der Ver­an­stal­te­r:in­nen der insgesamt 13 Mahnwachen, Kundgebungen und Demonstrationen gewesen sein, die für den Zeitraum des angesetzten Gipfeltreffens bis Freitagabend angemeldet wurden: Bei einsetzendem Regen gingen am späten Donnerstagnachmittag weniger als die erhofften rund 10.000 De­mons­tran­t:in­nen auf die Straßen der heimlichen Hauptstadt Westfalens. Nur zu dem von einem breiten Bündnis getragenen Klimaprotest, darunter Fridays for Future und Greenpeace, kamen rund 2.500 Menschen, mehr als die angemeldeten 2.000.

„Global Climate Justice“ und „1,5 Grad – bis hierher und nicht weiter“ stand auf ihren Transparenten. Schon bei der Auftaktkundgebung auf dem Schlossplatz forderte der Wissenschaftler Volker Quaschning, Hochschullehrer an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft, eine massive Steigerung der Investitionen in Erneuerbare Energie. Die Gruppe der sieben großen Industriestaaten USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada, die etwa 10 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, seien noch immer für ein Drittel der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich, kritisierte der Mitgründer des Netzwerks Scientists for Future.

Uran aus Russland wird weiter geliefert

Obwohl alle G7-Staaten das Pariser Klimaabkommen mit dem Ziel einer Erderwärmung von maximal 1,5 Grad unterzeichnet hätten, steuere die Gruppe auf 2,7 Grad zu, hatte die Sprecherin des Bündnisses, Matilda Kohnen, schon im Vorfeld erklärt. Seit 2015 habe etwa Deutschland jährlich nur 26 Milliarden Euro in die Energiewende investiert, aber pro Jahr fossile Energieträger wie Gas, Öl und Kohle im Wert von rund 88 Milliarden Euro importiert – davon 17 Prozent aus Russland.

Erst damit sei die Finanzierung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine möglich geworden, kritisierte auch Wladimir Sliwjak, Träger des Alternativen Nobelpreises. Die Milliarden aus den Energieimporten stützten nicht nur Russlands Präsident Wladimir Putin, sondern „Diktatoren überall auf der Welt“, erklärte der Mitgründer der russischen Umweltorganisation Ecodefense, dem in seiner Heimat Haft droht, weshalb er nach Deutschland geflohen ist.

Sliwjak forderte außerdem ein schnelles Ende von Lieferungen von angereichertem Uran aus Russland in die Brennelementefabrik im emsländischen Lingen, die viele westeuropäische Atomkraftwerke mit Brennstoff versorgt. Transporte von Atombrennstoff in zivile Anlagen sind von den Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union noch immer ausgenommen.

Ein Ende ist hier nicht in Sicht: Zuletzt hatte angereichertes Uran aus Russland Lingen am 28. und 29. September erreicht. Und erst an diesem Donnerstag meldete die Seite marinetraffic.com, dass der russische Atomfrachter Mikhail Dudin von St. Petersburg kommend erneut Kurs auf den niederländischen Hafen Rotterdam genommen hat. Von dort wird der russische Atombrennstoff per LKW nach Lingen transportiert.

Zu den weiteren Protesten in Münster kamen dagegen nur relativ wenige Demonstrant:innen. Bei einer Kundgebung zur Unterstützung der Proteste im Iran zählte die Polizei am abgelegenen Hafenplatz nur etwa 100 Teilnehmer:innen. Und obwohl die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegnerinnen (DFG-VK) mit dem Theologen Eugen Drewermann einen Star der Friedensbewegung der Achtziger Jahre aufbot, waren am Abend kaum mehr als 100 Menschen bei ihrem Protest unter dem Motto „Verhandeln statt schießen! Frieden schließen“ auf dem zentralen Prinzipalmarkt.

Brechen der Ukraine wird G7 nicht akzeptieren

In Sichtweite des Münsteraner Rathauses, in dessen Friedenssaal im Jahr 1648 der Dreißigjährige Krieg beendet wurde und in dem die Au­ßen­mi­nis­te­r:in­nen der G7 tagen, präsentierte Drewermann seine Forderung nach radikalem Pazifismus.

Mehrfach zitierte der 82-jährige Theologe mit Blick auf den Ukrainekrieg die Bibelstelle Matthäus 5:39, nach der einem Aggressor „auch die andere Wange hingehalten“ werden solle. Frieden könne nur „durch Verhandlungen“, nicht durch die „Illusion des Siegfriedens“ des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski erreicht werden, meinte Drewermann und kritisierte die von SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene „Zeitenwende“, die in seinen Augen für ein „riesiges Aufrüstungsprogramm“ stehe.

Die grüne Außenamtschefin Annalena Baerbock erklärte dagegen zu Beginn des Treffens der Außenminister:innen, die Gruppe der 7 werde Putins „Strategie des Brechens der Ukraine“ nicht akzeptieren. Der russische Staatschef versuche, die Menschen in der Ukraine „verhungern, verdursten und erfrieren zu lassen, indem er gezielt zivile Infrastruktur angreift“, sagte Baerbock – und versicherte, die G7 würden das „mit allem, was wir haben, versuchen zu verhindern“. Weitere sicherheitspolitische Ergebnisse, etwa mit Blick auf China und den Iran, werden am Freitagabend erwartet.

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24 Kommentare

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  • Zu Drewermann: Schon der Aufstieg von Arturo Ui führte zu einem gigantischen Aufrüstungsprogramm, auch seiner Gegner. Sehr bedauerlich, der Widerstand? Und nach der Zerstörung von geschätzten 130 000 Häusern durch die Kriegsverbrecher im Kreml beten die betroffenen Zivilisten ganz sicher zu einem anderen Gott als den von Drewermann. In besagten Häusern wohnten einmal Menschen. Meine Quelle zu zerstörten Häusern ist die NYT, dessen Kommentar zur Katastrophe in Israel lesenswert ist.

  • Die Protestierenden sind halt derzeit alleskleberbedingt in ihrer Mobilität etwas eingeschränkt.

  • Wozu treffen sich die G7-Staaten?



    Um Politik auf Augenhöhe mit den nicht vertretenen Ländern zu besprechen?



    Oder wie man den CO-2 Ausstoß und Landschaftsverbrauch (sehr) leicht senken kann indem man deutlich weniger motorisiert unterwegs ist.

  • 0G
    06455 (Profil gelöscht)

    Die Veranstaltungen dieser Aussenministerin gehen immer mehr in Richtung Theateraufführung. Das hat Münster und dieser historische Ort nicht verdient.

    • @06455 (Profil gelöscht):

      Die Historie des Ortes scheint Frau Baerbock ja eher zu stören. Warum sonst lässt sie das Kreuz, das seit 1540 dort hängt, aus dem Friedenssaal entfernen.

      • @Baidarka:

        Das Kreuz wurde sicher wegen der historisch nachgewiesenen - durchgeführten Kreuzzüge, die zur Missionierung der Nichtchristen mit viel unnötigen Blutvergießen, auf Geheiß der Kirche durchgeführt wurden, abgehängt...es ging schließlich auch um Kriegs-/ Friedensfragen bei diesem G7- Gipfel...

        • @Alex_der_Wunderer:

          Das Kreuz wurde dort aufgehängt, als es nach dem 30-Jährigen Krieg in diesem Raum Friedensverhandlungen gab. Geschichte sollte nicht einfach ausradiert werden.

          • @resto:

            Wir sehen nunmal die Kreuze als Mahnmal, unter anderem der brutalen Kreuzzüge, an.

            • @Alex_der_Wunderer:

              Nö,



              wir haben keine Ahnung davon, dass die als Kreuzzugsmahnmal tauglichen Kreuze anders aussehen.

              • @rero:

                ...Sie wissen doch, Geschichte sollte nicht einfach ausradiert werden....

      • 0G
        06455 (Profil gelöscht)
        @Baidarka:

        Mit Religion kennt sie sich nicht aus, wie in vielen anderen Bereichen. Gruss an den Kobold!



        Laut Frau A.B. haben die Proteste im Iran so gar nichts mit Religion zu tun.



        Die junge 22jährige Frau wurde warum durch heftige Misshandlung getötet?

        Das ist gelebte feministische Aussenpolitik.



        Wem dabei nicht übel wird!

  • Die Erwähnung von China u.a. darf nicht fehlen bei unserem neuen Kalten Krieg, ganz im Sinne unserer großen Freundin. Baerbock versprach auch noch eine engere Bindung über den Atlantik. Da frage ich mich, ob das überhaupt noch möglich ist. Das erinnert mich an einen Kölner Karnevalswagen anno dazumal, mit dem Hintern von Busch und der dahinter knienden Merkel.

    • 0G
      06455 (Profil gelöscht)
      @resto:

      Wobei. Merkel hat noch dahinter gekniet. Diese Frau ist schon einen Schritt weiter.

  • Was digital abgeht , bekommen die sich



    selbst " gekrönten " ja nicht mehr so mit....



    Wie zu Zeiten , als nur auf den Straßen - in aller Öffentlichkeit demonstriert wurde. Die Menschen zeigen ebend mehr Umweltbewusstsein und reisen nicht mehr diesem , sich für zur Elite halten " Schauspielern " hinterher... um eine Kulisse abzugeben. Jetzt wird anders kommuniziert...

    • 0G
      06455 (Profil gelöscht)
      @Alex_der_Wunderer:

      Sie ersparen mir meinen Kommentar. Danke!

  • Vielleicht sind die G7 - Veranstalter und deren Teilnehmer noch mehr enttäuscht , die geringe Anzahl an Gegendemonstranten zeigt doch, viele sind inzwischen informiert und nehmen den G7- Gipfel nicht mehr für voll !

  • 0G
    05867 (Profil gelöscht)

    Dieser historische Ort wird durch das G7 Trefffen entweiht.

    Hier wurde ein langer Krieg durch Verhandlungen und einen Friedensvertrag beendet.

    Der hundertjährige Krieg ist den Gipfelteilnehmern aber offensichtlich keine Mahnung. Sie lehnen ja wohl mehrheitlich Verhandlungen zur Beendigung des Krieges ab.



    Besonders die deutsche Außenministerin fällt hier immer wieder mit ihrer kriegsverschärfenden Rhetorik auf.

    Gut das FFF und Greenpeace eigene Wege ohne die Grünen gehen!

    • @05867 (Profil gelöscht):

      Verzeihung, der 30jährige Krieg, der hundertjährige war im Spätmittelalter zwischen England und Frankreich. Ja, die Ironie ist, dass hier das Völkerrecht startete, aber eben als Idee der Toleranz zwischen verschiedenen Werten. Als Idee des Ausgleichs von Interessen.



      Deutschland wurde damals de facto als ganzes neutral, nur mit Teilen konnte man Verträge schließen.



      Ironie der Geschichte...

    • 3G
      32051 (Profil gelöscht)
      @05867 (Profil gelöscht):

      Die ganze Welt hat versucht, mit Putin zu verhandeln.

      Putin wollte Krieg.

      Dann ist das so.

      • @32051 (Profil gelöscht):

        Wir waren am Donnerstag letzter Woche auf einer Diskussion , wo 5 Vorstandsmitglieder von verschiedenen Energieversorgern diskutieren. Interessiert war eine Äußerung - die mir besonders hängen geblieben ist. " Deutschland hat seit Mitte der 70er Jahre , immer günstigeres Gas aus Russland gekauft - und unter dem Schutzschild der USA, - hervorragende Geschäfte mit China gemacht "...

        • 3G
          32051 (Profil gelöscht)
          @Alex_der_Wunderer:

          Das ist so. Man kanns nicht ändern, nur in Zukunft besser machen.

    • @05867 (Profil gelöscht):

      Von denen lehnt nicht einer Verhandlungen zur Beendigung des Krieges ab.

      Da die Ukrainer nicht bis Moskau marschieren werden, wird dieser Krieg irgendwann durch 'Verhandlungen beendet werden.

      Auch Baerbock ist das klar.

      Schließlich "kommt" sie ja "aus dem Völkerrecht".

      Jetzt ist nur der falsche Zeitpunkt, um Erfolge bei den Verhandlungen zu erzielen.

      Ist wie im hundertjährigen Krieg.

      Verhandlungen haben erst Erfolg, wenn beide Kriegsseiten es wollen.

      • @rero:

        Der 30-j. Krieg wurde beendet nachdem alle Teilnehmer komplett ausgeblutet und 30 % der Menschen in Deutschland (dem HauptKriegsgebiet) tot waren. Im Ergebnis wurden die Interessen aller Staaten unbesehen irgendwelcher moralischer Werte anerkannt und austariert. Zudem war die vorherige Supermacht Spanien weitgehend abgemeldet und neue Maechte (Frankreich, England, Niederlande) bauten ihren Einfluss aus. Mal schauen wie die derzeitigen Konflikte enden...falls wir das noch erleben, da geht noch einiges :-(

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Läuft ziemlich weitgehend nach dem Drehbuch, vor dem der erste Bericht an den Club of Rome vor 50 Jahren gewarnt hat.



    Great again and again and again and ... is so great.