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Chinareise von Olaf ScholzScholzomat und Menschenrechte

Wie spricht man mit Diktatoren? Das ist gar nicht so schwer. Man greift tief in die Phrasenkiste und lässt bei der „Pressekonferenz“ einfach keine Fragen zu.

Interaktive Überwachungskameras gehören selbstverständlich zur Grundausstattung einer ordentlichen Diktatur Foto: Frank Sorge/imago

D ie Minderjährige, die zu meiner Infektionsgemeinschaft gehört, hält mich für einen Diktator. Ich stelle hierzu fest: Es stimmt nicht, denn wenn schon, dann bitte Diktatorin. Ob es denn schon mal eine Diktatorin gegeben hat, will die Minderjährige wissen. Verdammt, immer diese Fragerei. Die verbiete ich ab sofort.

Bei Nichtbeachten werde ich im Wohnzimmer ein Umerziehungslager einrichten. Dann wird nur noch Hochsilkisch gesprochen, sich um Sauberkeit in der Welpen-Wurfkiste gekümmert und jeden morgen die taz gelesen. Komplett, inklusive der Anzeigen. Natürlich wird dort auch zu lesen sein, dass ich eine lupenreine Demokratin bin und Einmischung in innere Angelegenheiten einer Familie zu unterlassen sind. Frauen können so viel von Männern lernen.

Grundsätzlich wissen wir dank der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, dass es zwei Möglichkeiten gibt, einem Diktator zu huldigen. Der eine Kanzler, Gerhard Schröder, hat es damit versucht, freundschaftliche Bande zu knüpfen und lukrative Jobs in aller Freundschaft anzunehmen.

Der andere Kanzler, Olaf Scholz, macht es ohne Freundschaft und ohne Geld. Er ist subtiler, raffinierter. Scholz ist einfach mal der Erste, der Xi Jinping nach seiner Inthronisierung als Diktator auf Lebenszeit besucht. Er fliegt über 20 Stunden, um 2 Stunden mit Xi dem Großen persönlich zu sprechen. Er bringt ihm eine hungrige Wirtschaftsdelegation mit.

Ein Griff in die Phrasenkiste

Der Deutschlandfunkmoderator Christoph Heinemann fragte noch am Freitagmorgen den SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich (den Mann also, den Annalena Baerbock „Mützefasst“ nennt): „Wie spricht ein Scholzomat denn Menschenrechte an?“ Nun, ganz einfach, Herr Heinemann:

1. Man greift routiniert in die Phrasenkiste und spricht sehr lange über „enge Zusammenarbeit“, „globale Herausforderungen“ und dass es „gut und richtig“ ist, was man gerade selbst tut.

2. Man wirft ein, dass man sich mit dem Diktator nicht in allem einig sei und man über diese Differenzen „von Angesicht zu Angesicht“ gesprochen habe.

3. Man vermeidet die ganz bösen Worte, wie beispielsweise „Uiguren“, „Umerziehungslager“ oder auch „Unterdrückung“ oder „Folter“. Denn, mal ehrlich: haben wir nicht alle unsere Em-pfindlichkeiten?

4. Man nimmt eine Bastelschere und schneidet noch im Flugzeug die Passage aus dem Koalitionsvertrag, in der es um eine neue China-Politik geht. Ruft Baerbock an, um an die Ampel-Vereinbarungen zu erinnern, dann kann man ganz ehrlich antworten: „In meinem Koalitionsvertrag existiert ein solcher Abschnitt nicht.“

5. Man beruft sich darauf, dass es immer besser ist, mit jemanden zu reden als über ihn.

6. Man lässt bei der „Pressekonferenz“ im Anschluss an das Diktatoren-Meeting einfach keine Journalistenfragen zu. Frei nach dem Motto: andere Länder, andere Sitten.

Achtung Überwachungskameras!

Ich persönlich als Diktatorin unserer Infektionsgemeinschaft werde nun auch mehr Respekt und weniger Einmischung in meine häuslichen Angelegenheiten einfordern. Den sieben Welpen etwa wird die Milchquelle nur noch zur Verfügung gestellt, wenn sie alle ordentlich nebeneinander liegen und zuvor ein lobqpreisendes Liedchen gebellt haben. Fragen von Tier­schüt­zer*in­nen dazu sind nicht zugelassen.

Im Zimmer der Minderjährigen werde ich eine Kamera installieren – so eine, wie sie an der Wurfkiste natürlich längst angebracht wurde. Mit Nachtmodus und bei Bedarf auch Bewegungsmelder. Man kann sie vom Handy aus in alle Richtungen drehen und auch sprechen. Zum Beispiel: „Bring deine benutzten Taschentücher auf dem Wohnzimmertisch in den Müll!“ Oder „Jetzt mal ganz schnell die Schuhe ausziehen!“

Interaktive Überwachungskameras gehören selbstverständlich zur Grundausstattung einer ordentlichen Diktatur. Das Schöne dabei ist: Kann man überall für kleines Geld kaufen. Meine hat bei Amazon nur 29,90 Euro gekostet. Made in China.

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Silke Mertins
Redakteurin Meinung
Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik
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15 Kommentare

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  • Wir waren letzten Donnerstag auf einer Podiumsdiskussion, wo sich 5 Vorstandsmitglieder von verschiedenen grossen Energieversorgern über die aktuelle Situation auf dem Energiemarkt unterhalten haben. Eine Aussage ist mir sehr präsent geblieben. " Deutschland hat jahrzehntelang , seit Mitte der 70er Jahre mit immer günstiger werdenden - russischen Gas, unter dem Schutzschild der USA, hervorragende Geschäfte mit China machen können. "



    Meine persönliche Überlegung, - könnte das jemanden gestört haben ?

    • @Alex_der_Wunderer:

      Ich kann Ihnen zwar keine Antwort geben, aber ein Werkzeug, bewehrtes Instrument, um auf den ersten Blick scheinbar schwierige Fragen klären zu hlefen: Seit Cicero (der hat das Verfahren natürlich _nicht_ erfunden) - hilf die Frage: Cui bono? beim Erkunden von Wirkzusammenhängen.

      Nicht die volle, aber die halbe Miete.

      • @Zweitkorrektur:

        Richtig Interessant / aber etwas komplizierter wird es, wenn noch andere Akteure- auf den einmal



        " fahrenden Zug " aufspringen...

  • Das Ärgerliche an allen Berichten über die ganze (im deutschen Namen höchst verzweifelte, was niemand zugeben will) Reiserei ist die Oberflächlichkeit, mit der die Inszenierungen begleitet werden. Niemand gibt gern zu, wie sehr sich die Abhängigkeiten umgekehrt haben: Was haben die Konzerne, sei es Apple, VW oder BASF-Wintershall den Chinesen für tolle Eintrittsgeschenke gemacht, gewohnt, auch später noch hofiert zu werden und mitreden zu dürfen. Inzwischen können alle -und damit auch eh' schon eher machtlose Politiker- sich glücklich schätzen, wenn man Ihnen eine Audienz gewährt, obwohl sich die Anhängigkeiten komplett umgekehrt haben, insbesondere auch deshalb, weil die Chinesen inzwischen keine Schweine mehr zum Ausgleich von high-tech akzeptieren und als Gast-geschenke und zum Ausgleich der Lieferketten die noch gerade rentablen (wenigen!) Filetstücke der deutschen Wirtschaft eintauschen möchten, um uns in ihre Wertegemeinschaft einzugliedern.

    • @Dietmar Rauter:

      Gut!

      Langfristigkeit beim Denken und Geduld beim Handeln scheinen unsere (europäischen) Stärken nicht.

  • Vielen Dank! Sehr schön geschrieben!

  • Überwachung per Kamera:



    www.welt.de/reise/...kameras-haben.html

  • "... eine hungrige Wirtschaftsdelegation..."

    Oh, oh! Danke für diesen. Ein Glühwürmchen in finsteren Zeiten :)

  • Asiaten und Diplomaten,..



    Diplomatie?... find ich gut!



    Entgegen dem launig vorgetragenen Artikel war der Besuch des Bundesjanzlers nicht ergebnislos. Das ist ja überall nachzulesen.



    Wie also umgehen mit China?



    Auch wenn die USA noch dicke Backen macht, Macht und Zukunft liegen im Reich der Mitte.



    An China führt kein Weg mehr vorbei. Das gilt für den Ukrainekonflikt ebenso wie für den Klimawandel.



    Neben der nochmaligen Chance auf WW3 ist Diplomatie der Weg der Zukunft.



    Olaf Scholz hat das verstanden und entsprechend gehandelt.



    Andere scheinen zu glauben Arroganz und Ignoranz seien zukunftsfähig.



    Die Globalisierung läßt sich nicht mehr aussperren .



    Unabhängigkeit sollte allerdings auch über das Solarpanel auf dem Wohnmobil hinausgehen.



    Vielleicht kann man ja mal wieder kaufen was der Nachbar so schnitzt und frau, was das Öhmchen häkelt.



    Klima, Arbeitsplätze, Volkswirtschaft, co2 frei- sei dabei!

    • @Philippo1000:

      👍

  • Nun kann man bezweifeln, dass die Verballhornung von Namen wie "Mützefasst" für die persönliche Reife unserer Außenministerin spricht; aber davon abgesehen: Habeck hat einen Diener in Katar gemacht, Baerbock hat sich Musterdemokratien wie Usbekistan angedient - aber wenn Scholz nach China reist, ist das plötzlich ein Skandal? Klar, wenn man den Unterschied zwischen Moral und Feindbild nicht kennt...

    • @O.F.:

      Na ja, dass diese Beispiele nicht auch genug angeführt wurden, kann man ja nicht sagen. Gerade das Foto vom katzbuckelnden Habeck ist ja schon ikonografisch.

      • @Jalella:

        Das stimmt, aber der Ton der Diskussion war ein anderer: Im Falle von Habecks Katar-Besuch ging es eher darum, wie Deutschland mit der faktischen Abhängigkeit von Rohstofflieferungen umgeht; die Kritik an Habeck war moderater und kam auch eher aus anderen Parteien bzw. ihnen nahestehenden Medien.

    • @O.F.:

      Ich stimme Ihnen zu. „Nun kann man bezweifeln, dass die Verballhornung von Namen wie "Mützefasst" für die persönliche Reife unserer Außenministerin spricht;“



      Richtig, die Verballhornung im Allgemeinen spricht niemals für persönliche Reife. Allein der Titel der Kolumne von Frau Mertins : „Scholzomat und Menschenrechte“ diskreditiert Politik pauschal und dann muss man sich nicht wundern, wenn sich Menschen von Politik abwenden. Zitat Frau Mertins: „Grundsätzlich wissen wir dank der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, dass es zwei Möglichkeiten gibt, einem Diktator zu huldigen. Der eine Kanzler, Gerhard Schröder, hat es damit versucht, freundschaftliche Bande zu knüpfen und lukrative Jobs in aller Freundschaft anzunehmen. Der andere Kanzler, Olaf Scholz, macht es ohne Freundschaft und ohne Geld. Er ist subtiler, raffinierter.“ Sehr geehrte Frau Mertins, was wollen sie uns damit sagen? Wir sollten lieber einen Herrn Söder oder einen Herrn Merz wählen?



      Außerdem vergasen sie zu erwähnen, dass Scholz Japan vor China besucht hat und allein damit schon ein klares Zeichen gesetzt hat, welche Werte Gemeinschaften er unterstützt und China damit brüskiert hat. Ich bin treuer Taz Leser… aber ihr Artikel ist ein faux pas, für die Taz.

    • @O.F.:

      Fast lustig, der Spitzname... Frau Baerbock bewies ja schon beim Schreiben Ihres Lebenslaufs viel Phantasie...